Jesu Glaubenskurs

Predigt über Johannes 4,46‑54 zum 3. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele Kirchen­gemeinden bieten Glaubens­kurse an. Das ist eine gute Sache: Da kann man an einem Wochenende oder über mehrere Wochen verteilt gründlich den christ­lichen Glauben kennen­lernen. Die biblische Geschichte vom königlichen Beamten und dessen Sohn, die der Evangelist Johannes auf­geschrieben hat, ist ebenfalls ein Glaubens­kurs, und zwar Jesu eigener Glaubens­kurs. Dieser Glaubens­kurs ist allerdings sehr kurz.

Dreimal kommt in diesem Bibel­abschnitt das Wort „glauben“ vor. Als der Vater, von dem da die Rede ist, Jesus um Hilfe bat, da antwortete Jesus zunächst: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.“ Als Jesus das heilende Wort gesprochen hatte, da „glaubte“ der Mann dem Wort, heißt es weiter. Und am Ende des Berichts lesen wir noch einmal: „Er glaubte mit seinem ganzen Hause.“ Dreimal ist vom Glauben die Rede, und drei ver­schiedene Seiten des Glaubens zeigt uns Jesus in diesem Glaubens­kurs: Erstens heißt glauben ja sagen zu Gottes Wegen, zweitens heißt glauben aufs Wort hören, drittens heißt glauben nicht enttäuscht werden.

Aber sehen wir uns die Geschichte der Reihe nach an. Jesus war zu Beginn seines öffent­lichen Auftretens wieder in seine Heimat Galiläa zurück­gekehrt. Mit einem ersten Wunder war er bekannt geworden, als er nämlich bei der Hochzeit zu Kana Wasser in Wein verwandelt hatte. Auch sein Ruf zur Buße und seine Predigten vom Reich Gottes hatten Auf­merksam­keit erregt. Nun begannen die Menschen, die unter irgend­welchen Nöten litten, Hoffnung zu schöpfen und von Jesus Hilfe zu erwarten. Zu diesen Menschen gehörte der königliche Beamte, von dem der Evangelist Johannes berichtet. Der Mann stand im Dienst des Königs Herodes Antipas. Dieser Staats­diener hatte nun ein Problem: Sein Sohn war krank, todkrank. Ein heim­tückisches Fieber hatte ihn gepackt, der arme Junge wurde heißer und heißer. Was werden sich die Eltern für Sorgen gemacht haben! Eltern leiden ja unter einer Krankheit ihres Kindes meistens mehr als das Kind selbst. Wie schlimm ist es da, wenn ein Kind schwer krank ist, ja, wenn es im Sterben liegt und kein Arzt helfen kann! Ich könnte mir vorstellen, dass Jesus einen ver­zweifelten Vater vor sich hatte. Jedenfalls setzte er auf Jesus seine letzte Hoffnung und bat ihn: „Komm herab nach Kapernaum und hilf meinem Sohn, er ist todkrank!“

Jesu Antwort mag uns wie eine kalte Dusche vorkommen. Er sprach diesen Mann nicht einmal direkt an, sondern er sagte ganz allgemein zu den Menschen um sich herum: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht.“ Vergessen wir dabei aber nicht, dass Jesus die Herzen der Menschen besser kennt als jeder andere und dass er genau weiß, was er macht und sagt. Vergessen wir auch nicht, dass Jesus hier einen Glaubens­kurs durch­führte, dass er also auch in dieser Situation darauf abzielte, die Menschen zu rechtem Glauben zu führen. Und da wehrte er zunächst einen minder­wertigen Glauben ab, einen Glauben nämlich, der bloß eine Reaktion auf Zeichen und Wunder ist, einen Glauben, der sich an selbst­erlebten Sensationen hochzieht. Jesus sagte also: „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht!“

Ach ja, das ist bis zum heutigen Tag die Haltung vieler Menschen, auch durchaus religiöser Menschen: Sie möchten gern Beweise sehen, an denen sie ihren Glauben festmachen können. Sie möchten Gottes Macht und Herrlich­keit, Gottes Heil und Hilfe hand­greiflich erleben. Sie hoffen insgeheim, Gott werde ihre Frömmigkeit belohnen und ihnen ein glückliches Leben schenken. Sie hoffen, dass ihnen große Not erspart bleibt. Und wenn es dann anders kommt, dann verzagen sie, dann zweifeln sie an Gottes Macht und Güte. „Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht!“ Hüten wir uns davor, liebe Brüder und Schwestern, dass wir unsern Glauben von selbst erlebten Zeichen und Wundern abhängig machen, denn dann können wir leicht irre werden an Gott.

Vielmehr heißt glauben ja sagen zu Gottes Wegen. Das ist Jesu erste Lektion. Auch wenn es in dieser Situation ganz schwer war, musste der Vater des kranken Jungen zunächst einmal lernen: Dein Glaube soll nicht damit stehen oder fallen, ob Jesus nun ein Heilungs­wunder tut oder nicht. Wir wissen nicht, wieviel der Vater davon verstand. Jedenfalls ließ er nicht ab zu bitten und sagte: „Herr, komm herab, ehe mein Kind stirbt!“ Das können wir verstehen, und das ist auch recht so: Wir dürfen zu Jesus mit allen Bitten kommen, wir dürfen uns in jeder Not an ihn wenden. „Herr, komm, hilf uns!“ – „Herr, erbarme dich!“ – ja, so betet auch der rechte Glaube, der nicht wunder­süchtig ist, der aber weiß, dass alle HiIfe letztlich nur von Jesus kommen kann.

Jesus hatte sich in diesem Fall ent­schlossen, den Jungen leben zu lassen. Freilich heilte er ihn anders, als der Vater sich das vorgestellt hatte. Das wollen wir auch festhalten aus Jesu Glaubens­kurs: Gott erhört unsere Gebete manchmal ganz anders, als wir denken. Jesus kam nämlich nicht mit in das Haus des königlichen Beamten, sondern er sagte ihm an Ort und Stelle: „Geh hin, dein Sohn lebt!“

Die erste Lektion im Glaubens­kurs war: Glauben heißt ja sagen zu Gottes Wegen. Hier sehen wir nun, welchen Weg der Heilung Gottes Sohn einschlägt. Er heilt durch sein Wort. Er sagt einen Satz, der den Sohn aus der Ferne gesund macht: „Geh hin, dein Sohn lebt!“ Dies ist sehr häufig Gottes Weg und Gottes Art zu helfen: durch sein Wort, in Vollmacht gesprochen. Der Beamte hatte die erste Lektion gelernt und bejahte diesen göttlichen Weg, auch wenn er selbst sich das anders gedacht hatte. Deshalb konnte er die zweite Lektion lernen. Wir lesen: „Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin.“ Das ist die zweite Lektion: glauben heißt auf das Wort Jesu hören.

Das ist bei uns heute nicht anders. Es ist nicht nur wichtig, dass wir glauben, sondern auch, was wir glauben. Wenn wir nämlich das Falsche glauben, nützt uns dieser Glaube nichts, sondern er schadet nur. Was aber das Rechte ist, das wir glauben sollen, das sagt uns Gottes Wort. Es zeigt uns Jesus Christus als den Heiland, als den, der auf die Welt gekommen ist, um Sünder selig zu machen. Nur in ihm finden wir Heil, in keinem anderen. Und was er mit Worten und Zeichen einige Jahre lang bezeugt hat, das hat er in seinem Leiden, Sterben und Auferstehen schließlich für alle Menschen erworben: das ewige Heil, das Gesund­werden in Ewigkeit. Und weil das Heil Gottes allein an Jesus hängt, wird er selbst „das Wort“ genannt. Wenn wir auf Jesus hören und auf sein Leben sehen, dann wissen wir Bescheid, was Gott uns zu sagen hat. Glauben heißt auf Gottes Wort hören, vor allem auf dieses eine Wort, das Jesus Christus heißt.

Dieses Wort ist nun aber viel mehr als die richtige In­formation, auf die sich unser Glaube gründet. Dieses Wort ist eine Gottes­kraft, einem Samenkorn gleich, das im richtigen Boden hundertfach Frucht bringen kann, Glaubens­frucht. Wenn der königliche Beamte lediglich von seinem gesunden Menschen­verstand ausgegangen wäre, dann hätte er dem Wort Christi sehr skeptisch gegen­überstehen müssen. Jesus hatte ja einfach gesagt: „Geh hin, dein Sohn lebt!“ Das kann ja jeder sagen! Warum sollte der Mann dem Wort Glauben schenken? Die Antwort: Nur darum, weil dieses Wort in Jesu Mund den Glauben erweckt! Weil mit diesem Wort und durch dieses Wort der Heilige Geist fleißig am Herzen des Mannes arbeitete und in ihm das Wunder des Glaubens wirkte!

Nicht anders ist es heute mit den Glauben, liebe Gemeinde. Viele Menschen fragen: Woher soll ich denn wissen, dass ich gerade in Jesus das Heil und den Himmel finde? Es gibt doch so viele andere Religionen und Heils­lehren, könnten die nicht ebenso Recht haben? Natürlich gibt es gewichtige Gründe, warum der christliche Glaube aus allen anderen Religionen herausragt und mit ihnen überhaupt nicht zu vergleichen ist. Aber das wird keinen einzigen Menschen überzeugen, der nicht von der Kraft des göttlichen Wortes überzeugt wird. Glauben heißt auf das Wort Christi hören. Daraus folgt: Wenn dein Glaube angefochten ist, wenn du in einer Glaubens­krise steckst, dann kann dir letztlich nur Jesus selber helfen durch sein Wort! Und daraus folgt weiter: Wenn dein Glaube angefochten ist, dann suche Jesu Wort in der Bibel, in der Predigt und auch dort, wo es heute noch Fleisch wird: im Heiligen Abendmahl.

Das Vertrauen des königlichen Beamten wurde nicht enttäuscht. Auf dem Rückweg kamen ihm seine Haus­angestellten entgegen mit der guten Nachricht: „Dein Kind lebt!“ Und als er sich näher erkundigte, da stellte er fest: Sein Sohn war genau in dem Augenblick fieberfrei gworden, als Jesus das Wort gesagt hatte: „Dein Sohn lebt.“ Der Mann lernte hier die dritte und schönste Lektion in Jesu Glaubens­kurs: Glauben heißt nicht enttäuscht werden. Desto fester und fröhlicher glaubte er nun, und zusammen mit ihm kamen alle zum Glauben, die zu seinem Haushalt gehörten: „Er glaubte mit seinem ganzen Hause.“ So schenkte Jesus dem Mann und seinen Angehörigen schließlich doch Zeichen und Wunder. Der Glaube soll sich zwar nicht auf erlebte Wunder­zeichen gründen, aber der Glaubende wird sie im Nachhinein erfahren.

Liebe Gemeinde, das werden auch wir erleben: Dass unser Glaube uns nicht enttäuscht. Gott schenkt uns schon in diesem Leben viele Hinweise, Zeichen und Wunder seiner Güte, aber das Beste steht noch aus: Wenn wir dann einmal um Gottes Thron stehen und in den Lobpreis der Engel einstimmen werden! Wenn Gott alle unsere Tränen abgewischt haben wird! Wenn wir uns um keine Krankheiten mehr Sorgen machen müssen, weder um die eigenen noch um die unserer Kinder! Ja, dann werden wir ohne jeden Zweifel erkennen: Der Glaube an Christus hat uns nicht enttäuscht. Und dann werden wir keinen Glaubens­kurs mehr nötig haben, ja, dann werden wir überhaupt keinen Glauben mehr nötig haben, weil der Glaube dann zum Schauen geworden sein wird. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1993.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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