Woran denkst du, wenn du an deine Taufe denkst?

Predigt über Römer 6,11 zum 6. Sonntag nach Trinitatis

Woran denkst du, wenn du an deine Taufe denkst? Diese Frage schneidet der Apostel Paulus im sechsten Kapitel des Römer­briefes an. Woran denkst du, wenn du an deine Taufe denkst? Liebe Brüder und Schwestern in Christus, diese Frage wollen wir uns heute ebenfalls stellen.

Die meisten von uns haben keine un­mittelbare Erinnerung an den Tag ihrer Taufe. Wir wurden ja zum größten Teil im Säuglings­alter getauft. Was jeder über seine eigene Taufe weiß, das ist ihm nach­träglich berichtet worden. Deine Eltern mögen dir von deiner Taufe erzählt haben oder deine Paten. Du hast möglicher­weise Familien­fotos, wo du als kleiner Täufling abgebildet bist. Du kennst vielleicht deinen Taufstein und die Kirche, wo du getauft wurdest. Du weißt womöglich, wie der Pastor hieß, der dich getauft hat, und wie dein Taufspruch lautet. Ja, vielleicht existiert sogar eine Tonaufnahme oder ein Video von deiner Taufe. An das alles magst du denken, wenn du an deine Taufe denkst.

All das sind schöne Er­innerungen, aber sie treffen noch nicht den Kern deiner Taufe. Das Ent­scheidende bei deiner Taufe war das Wasser, verbunden mit den Worten: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Diese Worte gehen unmittelbar auf den Herrn Jesus Christus zurück, der die Taufe selbst eingesetzt hat – wir haben es vorhin in der Evangeliums­lesung gehört. Das Taufwasser und das Wort vom Herrn Jesus Christus machen den Kern der Taufe aus, das Wesent­liche. Wort und Element machen das Sakrament, in dem Gott selbst an uns Menschen handelt – so haben es die Christen schon seit über l500 Jahren aus­gedrückt. Das sollten wir nicht vergessen, wenn wir an unsere Taufe denken. Wie gesagt: Gott selbst ist es, der in der heiligen Taufe handelt. Die Taufe ist somit etwas ganz Groß­artiges, etwas ganz Gewaltiges: Hier begegnet uns der lebendige Herr, hier redet er selbst, hier zeigt er uns etwas. Wo aber Gott zu uns redet und uns etwas zeigt, da handelt er auch, da macht er auch, was er sagt. Natürlich ist es dabei wichtig, dass wir Gottes Tat annehmen, also dass wir glauben. Die Taufe hat keine magische Kraft. Wer getauft ist und dann dem Herrn Jesus Christus den Glauben aufkündigt, dem nützt dieses Sakrament nichts. Aber darüber wollen wir uns jetzt nicht weiter den Kopf zerbrechen. Der Römerbrief geht an die Adresse von Christen, an die Adresse von Menschen also, die von Herzen ja sagen zu ihrem Herrn und zu ihrer Taufe. Davon will auch ich jetzt ausgehen, wenn ich über die Taufe spreche. Lasst mich dazu noch einmal den Ausgangs­punkt markieren: Wenn wir als Christen­menschen an unsere Taufe denken, dann sollen wir vor allem an das Wasser und an Gottes Wort denken, dann sollen wir daran denken, dass Gott selbst uns in diesem Sakrament begegnet, zu uns redet, uns etwas zeigt, an uns handelt. Was aber hat er da gemacht, und was bedeutet das für unser weiteres Leben, für uns heute?

Wasser ist zum Waschen da. Wer schmutzig ist, muss unter die Dusche. Auch Taufwasser ist zum Waschen da. Mit diesem Wasser wird aber kein äußerlicher Schmutz ab­gewaschen, sondern inner­licher. „Sünde“ nennt die Bibel diesen innerlichen Schmutz. Alles Böse, was im Menschen steckt, wird ab­gewaschen. Und das ist bereits beim Säugling eine ganze Menge, auch wenn man ihm das nicht ansieht und er die Unschuld in Person zu sein scheint. Die Bibel stellt uns ganz nüchtern vor die Tatsache: „Das Dichten und Trachten des mensch­lichen Herzen ist böse von Jugend auf“ (1. Mose 8,21). Über die Sünde könnte man stundenlang predigen, aber ich will das jetzt nicht vertiefen. Ihr wisst es ja selbst: Sünde, das ist alles Unreine, was den Menschen von Gottes Gemein­schaft ausschließt und damit um den Himmel bringt. So, und dieser Sünden­schmutz wird in der Taufe ab­gewaschen. Das bedeutet: Gott rechnet dem Getauften seine Sünden nicht mehr zu. Er sieht ihn vielmehr so an, als sei er ganz sauber und rein­gewaschen. Und darum steht nun der innigen Gemein­schaft von Gott und Mensch nichts mehr im Wege.

Der Apostel Paulus stellte das Tauf­geschehen nun aber noch anders dar. Er zeigte im sechsten Kapitel des Römer­briefes, dass die Taufe mit Jesus verbindet. Wer getauft ist, wer ein Christ geworden ist, der ist „in Christus“, so lautet seine ständige Redewendung auch in anderen Briefen. Denn ohne Christus läuft das alles nicht. Ohne Christus werden keine Sünden vergeben, ohne Christus gäbe es gar keine Taufe. Mit seinem Sterben und Auferstehen hat Jesus die Voraus­setzung geschaffen, dass Menschen von Sünden rein werden und ewig leben können. Und nun nimmt Jesus den Täufling gewisser­maßen Huckepack, nimmt ihn mit durch sein Sterben und Auferstehen und gibt ihm Anteil an Gottes Reich. „Ihr seid in der Taufe mit Christus begraben worden und auch wieder auf­erweckt“, formulierte Paulus. In der Taufe stirbt also ein Mensch und wird im selben Moment neu geboren. Die Bibel nennt die Taufe deshalb auch das „Bad der Wieder­geburt“ beziehungs­weise die neue Geburt „aus Wasser und Geist“. Es stirbt nämlich der Mensch, der unter dem Sünden­schmutz zugrunde gehen würde – wie auch Jesus Christus wegen der Sünde gestorben ist. Und es fängt ein neuer, reiner Mensch zu leben an, ein Mensch, der in Gottes Augen sündlos ist und darum ewig leben darf – wie auch Jesus zum Leben in ewiger Herrlich­keit auf­erstanden ist. „Ihr seid der Sünde gestorben und lebt nun Gott in Christus Jesus“, schrieb Paulus.

Im Grunde passierte in deiner Taufe eine große Wende, ein Macht­wechsel – so ähnlich, wie es in der ehemaligen DDR geschah. Vorher lebten die Menschen dort in einem unfreien System und wurden von der Regierung und der führenden Partei tyranni­siert. Dann kam die Wende, sie durften reisen, sie durften sich eine Regierung frei selbst wählen, die Tyrannei war tot. So ist es mit der Taufe: Erst herrscht da im Leben eines Menschen die Sünde und tyranni­siert ihn. Dann herrscht Jesus Christus, und ein ganz neues Leben fängt an, ein freies Leben, ein besseres Leben. Und das Beste: Mit dem Tod ist dieses Leben keineswegs zu Ende, sondern es wird weitergehen in Ewigkeit.

Ich habe das jetzt einfach so mit schlichten Worten nach­erzählt, wie es in der Bibel steht. Vielleicht denkst der eine oder andere nun: Das hat aber mit meiner all­täglichen Lebens­situation wenig zu tun. Ich erwidere: Dann ist dir noch nicht klar, was für eine gewaltige Sache das ist, das neue Leben in Christus. Was wir Christen von der Taufe glauben, ist ja nicht ein trockenes Wissen, sondern eine lebendige Hoffnung. Wenn ich meine Taufe und Gottes Barm­herzigkeit im Herzen festhalte, wird das auf Schritt und Tritt mein Leben prägen, meinen Alltag. Ich bin dann gewiss: Gott hat mich lieb. Und das ist mehr, als wenn mich die ganze Welt lieb hat. Und weil Gott allmächtig ist, versorgt er mich auch optimal. Er gibt mir vielleicht nicht alles, was ich wünsche, aber alles, was ich brauche. Er tröstet mich durch sein Wort in der Bibel und durch die Gemein­schaft mit anderen Christen. Er gibt mir in seinem Wort Anleitung zum guten Leben. Und selbst wenn ich mal ganz verzweifelt bin und nicht weiter weiß, dann kann ich mich in seine Arme fallen lassen. Ich gehöre ja zu ihm, ich lebe ja nun für Gott in Jesus Christus, er selbst hat mir das mit der Taufe geschenkt. Wenn Martin Luther mal besonders angefochten war, dann schrieb er vor sich mit großen Buchstaben auf den Tisch: „Ich bin getauft.“ Das half. Der allmächtige Gott hat zu mir „ja“ gesagt durch Jesus Christus in der Taufe – was will ich, was brauche ich noch mehr? „Ich bin getauft!“ – mit dieser Gewissheit kann ich sogar dem Tod ins Auge sehen. Denn auch der kann mich nicht aus Gottes Hand reißen, ich gehöre zu ihm. Und nun sag selber: Ist das nicht ein Glaube, eine Gewissheit, die mich jeden Tag und jede Stunde durchs Leben trägt? Die mein ganzes Denken, Reden und Tun prägen sollte?

Den Christen im antiken Rom war das offenbar auch nicht immer ganz gegen­wärtig. Darum ermunterte sie der Apostel Paulus: „Haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.“ Das heißt mit anderen Worten: Macht ernst damit, dass ihr getauft seid! Haltet dafür, haltet das im Gedächtnis fest, macht euch einen dicken Knoten ins Taschen­tuch! Macht ernst damit in eurem Leben: Ihr seid getauft, ihr seid der Sünde gestorben, ihr lebt nun für Gott in Jesus Christus. Und im folgenden Vers wird Paulus noch konkreter: „So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, und leistet seinen Begierden keinen Gehorsam.“

Es gibt ein christ­liches Miss­verständnis, das lautet: Wenn die Sünden vergeben werden, dann ist es ja nicht schlimm, wenn ich immer wieder sündige. Bereits Paulus hat dagegen hart gekämpft, etwa im ersten Vers unseres Kapitels. Da fragt er: „Sollen wir denn in der Sünde beharren, damit die Gnade um so mächtiger werde?“ Die Antwort: „Das sei ferne!“ Nein, wer den Macht­wechsel der Taufe erlebt hat und im Glauben bejaht, der wird doch nicht wieder in sein altes Leben zurück­kehren wollen, das Leben, das von der Sünde beherrscht war. Er wird vielmehr in der Sünde etwas Fremdes sehen, was gar nicht zu seinem neuen Leben passt. Die Bürger in den neuen Bundes­ländern sind ja auch gut beraten, wenn sie sich auf die neuen Verhält­nisse einstellen und nicht so tun, als lebten sie noch im Sozialis­mus. Genauso ist es mit dem Christen und der Sünde. Natürlich, es kann immer noch vorkommen, dass er nicht nach Gottes Willen lebt, aber er wird dann Buße tun, er wird ganz entschieden nein dazu sagen, sobald es ihm bewusst wird. Die Sünde hat kein Hausrecht mehr bei ihm, der Sünde ist er gestorben. In das neue Leben mit Jesus gehört die Sünde einfach nicht hinein. „Haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.“

Auch das hat ganz praktisch mit meinem Alltag zu tun. Es bedeutet, dass Gott und sein Wort die Nummer eins im Leben sind. Dass ich zu ihm bete, ihm danke, ihn lobe. Dass ich beim Gottes­dienst dabei bin. Dass ich bestimmte Ordnungen in der Welt als Gottes Ordnungen respek­tiere. Dass ich das Leben der anderen Menschen achte. Dass ich die lebenslange Ehe als die eine gott­gewollte Lebensform für Mann und Frau akzeptiere. Dass ich mich nicht an fremdem Eigentum vergreife. Dass ich immer offen und aufrichtig bin und niemanden mit Worten verletze. Dass ich meinen Egoismus bezähme. Ja, das alles meint der Apostel Paulus, wenn er sagt: „Haltet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.“ So sieht ein Leben aus, in dem die Sünde kein Hausrecht mehr hat. Noch einmal, liebe Brüder und Schwestern: Es mag immer wieder geschehen, dass wir schwach werden und sündigen. Wir sind noch im Werden, wir sind noch nicht am Ziel. Aber wir dürfen immer wieder zurück­kriechen in unsere Taufgnade, dürfen uns der göttlichen Zusage ver­gewissern: Deine Sünden sind vergeben und ab­gewaschen. Lasst uns vor allem daran denken, wenn wir an unsere Taufe denken! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1992.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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