Liebe Gemeinde!
Habe bitte Verständnis dafür, wenn ich heute in der Predigt mal einseitig werde. Ich möchte mich heute nämlich ganz einseitig an die Konfirmanden wenden – ich denke, sie haben das an ihrem Konfirmationstag verdient. Aber ich bin zuversichtlich, dass trotzdem auch alle anderen etwas von dieser Predigt haben werden.
Also: Liebe Konfirmanden! Mit dreizehn und vierzehn seid ihr keine Kinder mehr. Ihr habt ungeheure Möglichkeiten vor euch liegen, jetzt, an der Schwelle zum Erwachsen-Werden. Ihr kriegt immer mehr Freiheiten eingeräumt, müsst aber auch immer mehr selbst entscheiden. Was die Schule angeht, sind schon einige Weichen gestellt; schon jetzt spezialisiert ihr euch. Ihr denkt vielleicht auch schon mal ernsthaft darüber nach, womit ihr später eure Brötchen verdienen wollt. Eure Freizeit verbringt ihr nicht mehr nur mit irgendwelchen Spielereien, sondern ihr entdeckt Hobbies, die euch vielleicht das ganze Leben hindurch begleiten werden. Ihr findet einen eigenen Freundeskreis; es sind nicht mehr unbedingt nur die Leute, mit denen eure Eltern zusammen sind. Auch hier liegen ungeheure Möglichkeiten und wichtige Entscheidungen. Es kann sein, dass ihr im jugendlichen Freundeskreis irgendwann eure Ehepartner finden werdet. Ihr habt tolle Möglichkeiten vor euch; ihr seid noch nicht festgelegt, wo und wann ihr mal was tun werdet. Mancher Erwachsene beneidet euch darum.
Wahrscheinlich habt ihr auch schon selbst mal darüber nachgedacht: über die verlockende Freiheit, erwachsen zu werden. Vielleicht auch über die beängstigende Freiheit, erwachsen zu werden. Vielleicht fragt ihr euch manchmal: Werde ich das packen mit dem erwünschten Schulabschluss und dem Traumberuf? Habe ich die richtigen Freunde, oder ziehen die mich irgendwo hinein, wo ich gar nicht hin will? Finde ich einen guten Ehegefährten, und wird das dann auch ein Leben lang gut gehen? Wie wird unsere Welt in zwanzig, dreißig Jahren aussehen? Kann man dann überhaupt noch auf diesem Planeten leben? Und dann kommen wohl auch die melancholischen Gedanken: Wo ist mein Platz im Leben? Werde ich überhaupt gebraucht, und wenn ja, wozu? Was ist der Sinn meines Lebens? Ja, und wenn du so ins Grübeln kommst, dann kann es schnell geschehen, dass dich alles ankotzt. Die ungeheuren Möglichkeiten und die neuen Freiheiten sind dir dann plötzlich keinen Cent mehr wert. Was soll denn überhaupt die Lebensmühle? Du lebst, um zu arbeiten; du arbeitest, um Geld zu verdienen; du verdienst Geld, um zu leben. Wozu? Und dann kommst du dir vor wie ein Zweig, der vom Baum gebrochen ist und der im Wind hin und her treibt, ohne Ziel und Zweck.
Liebe Konfirmanden, ihr habt es gut. Ihr könnt euch nämlich immer wieder daran erinnern, dass es in Wahrheit nicht so ist. Ihr seid keine losgebrochenen und umhergetriebenen Zweige, sondern ihr habt euren festen Sitz und Halt an einem Stamm. Ihr seid nämlich Jünger des Herrn Jesus Christus, und von denen hat Jesus selbst gesagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Als Jünger Jesu seid ihr fest verbunden mit eurem Herrn, seid Zweige, seid Reben am Stamm des Weinstocks. Als Jesus dieses Gleichnis seinen Jüngern vor Augen stellte, da hat er auch das Wort gesagt, das ich euch jetzt besonders weitergeben möchte: „Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.“
„Darin wird mein Vater verherrlicht“, sagte er, und da habt ihr euren Lebenssinn! Der letzte und tiefste Sinn unseres Lebens besteht darin, dass Gott der Vater verherrlicht wird, dass wir also zu seiner Ehre leben. Das tun wir dann, wenn wir das bejahen und ausleben, wozu er uns bestimmt hat. Seht euch Sonne, Mond und Sterne an: Sie leuchten, weil der himmlische Vater sie dafür geschaffen hat. Indem sie leuchten, verherrlichen sie ihren Schöpfer; das ist ihr Lebenssinn. Seht euch das Wasser an: Es regnet vom Himmel, gibt den Pflanzen Wachstum, tränkt Menschen und Tiere, sammelt sich zu Bächen und Flüssen, fließt ins Meer und steigt dann auf, um danach wieder herabzukommen. Dazu hat der himmlische Vater das Wasser geschaffen; so verherrlicht es seinen Schöpfer; das ist sein Lebenssinn. Seht euch auch einmal einen Weinstock an: Er wächst, treibt Zweige, bringt Blüten hervor und lässt Früchte reifen. Die Menschen freuen sich an den Weintrauben, essen sie und machen Wein davon. Dazu hat Gott den Weinstock und die Reben geschaffen; das ist ihr Lebenssinn. Indem sie Früchte hervorbringen, verherrlichen sie ihren Schöpfer. Und dann denkt an euch selbst: Der himmlische Vater hat euch geschaffen, damit ihr euch an allen anderen Geschöpfen freuen sollt. Er hat euch einen Mund gegeben, mit dem ihr ihn loben könnt. Er hat euch einen Leib gegeben, mit dem ihr arbeiten und etwas Gutes schaffen könnt, euch selbst und anderen Menschen zum Nutzen. Er hat euch auch eine Seele gegeben, mit der ihr ihm vertrauen und gehorchen könnt; er möchte auch, dass diese Seele ewig lebt. So hat der himmlische Vater euch geschaffen, und so sollt ihr ihn ehren; das ist euer Lebenssinn. Aber ihr wisst auch, dass ihr ohne Jesus diesen Lebenssinn verfehlen würdet, weil da ein Stachel in eurer Seele steckt; man nennt ihn Sünde. Durch diesen Stachel könnt ihr euch oft nicht freuen. Durch diesen Stachel lobt euer Mund Gott oft nicht. Durch diesen Stachel tun eure Hände Unnützes und Schädliches. Durch diesen Stachel ist eure Seele oft verzagt, ungehorsam und trotzig. Aber bei Jesus wird euch dieser Stachel nicht verderben, denn Jesus zieht ihn aus eurem Herzen. Jesus hat den Stachel der Sünde und des Todes ein für allemal besiegt, weil er für uns gestorben und auch wieder auferstanden ist. Wenn ihr an Jesus bleibt wie die Reben am Weinstock, dann seid ihr für immer mit Gott verbunden, und dann lernt ihr so leben, wie es ihm gefällt; dann verherrlicht ihr ihn und findet euren Lebenssinn.
Liebe Konfirmanden, dazu sagt ihr heute ja: Ja, ich will eine Rebe am Weinstock Jesus Christus sein und bleiben. Ihr sagt ja zu dem, was Gott euch schon längst geschenkt hat, am Tag eurer Taufe nämlich; da seid ihr eingepflanzt worden in den Weinstock Jesus Christus. Ihr sagt heute mit eigenem Mund und aus eigenem Herzen das Ja, das am Tage eurer Taufe Eltern und Paten stellvertretend für euch gesprochen haben. Und ich wünsche euch am allermeisten, dass ihr es von ganzem Herzen sagt, auch mit fröhlichem Herzen, und dass ihr jetzt und euer ganzes Leben lang spürt: Es gibt nichts Besseres, als eine Rebe am Weinstock Jesus Christus zu sein. Denn auf diese Weise kann ich den Vater im Himmel verherrlichen, und das ist letztlich mein Lebenssinn.
„Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt“, sagte Jesus. Wie die gute Rebe am Weinstock süße Trauben hervorbringt, so wird auch euer Leben schöne Frucht bringen, wenn ihr am Weinstock Jesus Christus bleibt. Was sind das für Früchte? Ich habe es ja vorhin schon gesagt: Ein Mund, der Gott lobt. Ein Leib, mit dem ihr arbeitet und etwas Gutes schafft, euch selbst und euren Mitmenschen zugute. Eine Seele, die dem dreieinigen Gott in allen Lebenslagen vertraut, auch dann noch, wenn dem äußeren Anschein nach alles schief läuft, alles anders kommt, als man denkt. Eine Seele, die Gottes Geboten gehorcht, die ihn liebt und auch allen Menschen gegenüber voller Liebe ist. Eine Seele, die ihren ganzen Lebenshunger nicht in den siebzig oder achtzig Erdenjahren stillen will – denn das kann nur zur bitteren Enttäuschung werden –, sondern eine Seele, die voller Vorfreude ist auf die ewige Herrlichkeit: „Ach, denk ich, bist du hier so schön / und lässt du mirs so lieblich gehn / auf dieser armen Erden, / was wird doch in in jener Welt / dort in dem reichen Himmelszelt / und güldnen Schlosse werden.“ Solche Früchte wünsche ich euch, und ihr werdet sie hervorbringen, wenn ihr an Christus bleibt.
Dazu werden auch andere, ganz persönliche Früchte kommen. In euch stecken ungeheure Möglichkeiten, denn ihr habt Gaben und Anlagen von eurem Gott mitbekommen, aus denen viel werden kann. Geistige Gaben zum Beispiel; ihr seid alle nicht auf den Kopf gefallen, ihr nehmt alles mit wachem Geist auf. Künstlerische Gaben zum Beispiel, in der Musik oder im kreativen Gestalten. Soziale Gaben: Ihr könnt Fröhlichkeit ausstrahlen, ihr könnt euch als Jugendliche schnell für etwas begeistern und andere damit anstecken, ihr könnt Kontakte knüpfen auch über alte und festgefahrene Grenzen hinweg. Das alles sind Gaben, aus denen Früchte werden können. Sie werden den Vater verherrlichen, wenn ihr am Weinstock Jesus Christus bleibt und diese Gaben für ihn einsetzt – hier in eurer Gemeinde, in eurer Kirche und wo immer ihr seid.
„Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger“, sagte Jesus. Jünger Jesu sein, das meint im Klartext dasselbe wie Reben am Weinstock Christi sein. Jünger Jesu seid ihr in eurer Taufe geworden, nach dem Befehl Jesu: „Macht zu Jüngern alle Völker und tauft sie“ (Matth. 28,19). Aber als Jünger seid ihr noch nicht fertig, das sagt schon der Begriff. Ein Jünger ist noch ein Lernender. Ein Jünger ist jemand, der sich noch einübt ins Tun des Meisters, der ihn noch nicht erreicht hat, wenn er auch dessen Vorbild anstrebt. Jeder Christ ist so ein unfertiger Jünger, solange er auf Erden lebt. Deshalb sagte Jesus auch: „… und werdet meine Jünger“. Ein Jünger ist immer im Werden. Darum ist die Konfirmation auch kein Abschluss, kein End- oder Zielpunkt, sondern nur eine Etappe auf dem Weg der Jüngerschaft. Stellt euch vor, ihr seid Segelflugzeuge. Zuerst bist du durch ein Schleppseil mit einem Motorflugzeug verbunden. Du wirst hinterhergezogen, in die Luft geschleppt und auf die richtige Höhe gebracht. So war es bisher bei euch in der christlichen Erziehung. Eure Eltern, eure Paten und euer Pastor haben versucht, diesen Dienst zu tun. Heute, bei der Konfirmation, klinkt nun das Schleppseil aus, und ihr fliegt frei – aber auch in eigener Verantwortung! Es liegt an euch, ob ihr einen Kurs wählt, der Gott gefällt und der euch gut ans Ziel bringt, oder ob ihr auf Abwege geratet oder ob ihr gar abstürzt.
Vielleicht wird euch bei dem Gedanken etwas mulmig – auch im Blick auf das Konfirmationsversprechen, das ihr jetzt gleich verantwortlich abgeben sollt. Das braucht aber nicht so zu sein. Denn ihr werdet nicht nur „ja“ sagen, sondern ihr werdet sagen: „Ja, mit Gottes Hilfe.“ Dieser Zusatz ist ganz wichtig. Ohne Gottes Hilfe könntet ihr dieses Versprechen niemals einhalten, ohne seine Hilfe würde es euch niemals gelingen, Gott zu verherrlichen und euren Lebenssinn zu finden. Aber ihr dürft mit seiner Hilfe rechnen, und wir wollen sie heute auch besonders erbitten. Du, liebe Gemeinde, werde nicht müde, Fürbitte zu tun für diese jungen Christen! Ja, um Gottes Hilfe wollen wir bitten, und mit dieser Hilfe dürfen wir rechnen. Wir finden sie in Gottes Wort, in der christlichen Gemeinschaft und im Heiligen Abendmahl, das ihr Konfirmanden heute zum erstenmal empfangen dürft – im Leib und Blut Christi zur Vergebung eurer Sünden und zur Stärkung eures Glaubens. Bleibt nur fleißig dran! Denn da habt ihr den Lebenssaft vom Weinstock Jesus Christus, der euch leben lässt, Frucht bringen lässt, den Vater verherrlichen lässt und in Ewigkeit lebendig erhält. Amen.
PREDIGTKASTEN |