Die Liebe hört niemals auf

Predigt über 1. Korinther 13,8a zum Sonntag Estomihi

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wir alle neigen dazu, uns ab­zusichern. Wir wollen unser Möglichstes tun, um für Notlagen vor­zubeugen. Die meisten von uns haben ver­schiedene Ver­sicherungen ab­geschlos­sen. Im Fall von Feuer‑, Wasser‑ und Sturm­schäden, im Fall von Diebstahl oder Haftpflicht bieten sie finanzielle Hilfe. Auch für den Lebensabend sorgen die meisten vor, und wer sich etwas erspart hat, der will es möglichst sicher anlegen. Selbst im Kleinen suchen wir Sicherheit. Wenn wir zum Beispiel eine Anschaffung machen, ist uns die Garantie wichtig. Schließlich möchte man nicht die böse Über­raschung erleben, dass man mit mangel­hafter Ware vorlieb nehmen muss für sein Geld. Es steckt in uns drin, dass wir uns absichern. Ich denke auch, dass wir Deutschen im Unterschied zu anderen Völkern ein besonders aus­geprägtes Ab­sicherungs­bedürfnis haben. Einer, der nicht nach Garantien und Sicher­heiten fragt, kommt uns leicht­sinnig vor.

Nun aber stelle ich die Frage: Suchst du auch in deinem Glaubens­leben Sicher­heiten und Garantien? Willst du über dein Sterben hinaus das Weiterleben absichern? Willst du Gewissheit haben, dass Gott dich liebt und niemals im Stich lässt? Es ist gut, wenn du das suchst und willst. Es ist gut, wenn du nach Gottes Liebe und nach dem ewigen Leben fragst. Du hast recht, wenn du dich dabei nicht mit unsicheren Hoffnungen und Möglich­keiten zufrieden gibst, sondern wenn du es genau wissen willst. Und Gott wird dich nicht ent­täuschen. Er gibt dir wirklich Garantien und Sicher­heiten. Er hat sie schon gegeben. Der Satz aus dem l. Ko­rinther­brief ist so eine Garantie, denn es ist Gottes Satz: „Die Liebe hört niemals auf.“

Die Liebe ist hier kein Allgemein­platz und kein bloßes Gefühl, auch nicht ein Aufruf zu mehr Mit­menschlich­keit. Die Liebe meint hier Gottes Handeln und trägt den Namen Jesus Christus. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen ein­geborenen Sohn gab“, heißt es an anderer Stelle in der Bibel (Joh. 3,16). Ja, Gott liebt dich und mich durch Jesus Christus. Er liebt auch solche Menschen, die nicht nach seinem Willen leben, sondern die immer wieder vor ihm weglaufen. Er liebt Menschen, die tausend andere Götter suchen oder sich selbst vergöttern. Er liebt sie und hat sie gerettet – durch seinen Sohn Jesus Christus. Der hat am Kreuz alle Schuld weggeräumt, die zwischen uns Menschen und Gott stand. Der hat gezeigt, dass Gottes Liebe stärker ist als alle Sünden. In Jesus haben wir Gottes Garantie: „Die Liebe hört niemals auf.“

Gott hat diese Garantie in der Bibel gegeben. Da steht sogar drin, dass er uns diese Liebe mit einem Eid zugesichert hat. Und wieviel ver­lässlicher ist Gottes Wort als der Menschen Wort! Aber damit nicht genug. Gott hat uns für seine Liebe gewisser­maßen Garantie­scheine aus­gehändigt – das sind die Sakramente. In der Taufe garantiert er: Meine Liebe und das ewige Leben gelten gerade dir, durch Jesus Christus. Im Heiligen Abendmahl schenkt er den Leib und das Blut seines Sohnes als Unterpfand seiner Liebe. In der Sünden­vergebung bei der Beichte erneuert er immer wieder das ewig gültige Ver­sprechen: „Dir sind deine Sünden vergeben.“ „Die Liebe hört niemals auf“, in Ewigkeit nicht – auch, wenn unser Leib erstirbt und die Welt zerbricht.

Ja, Gott garantiert seine Liebe – aber er zwingt niemanden dazu, sie anzunehmen. Wer Gottes Weg der Liebe, nämlich Christus, ablehnt, der hat nichts von Gottes Liebe. Wer Gottes Zusage nicht gelten lassen will, der handelt wie einer, der zwar Ver­sicherungs- und Garantie­ansprüchen besitzt, aber von ihnen keinen Gebrauch macht. Wer Gott nicht sucht, der wird auch nicht ewig mit ihm Gemein­schaft haben. Gottes Liebe zwingt niemanden. Wer jedoch Gottes Liebe in Jesus sucht, der darf hundert­prozentig sicher sein, dass er sie dort auch findet.

Ich sage: der darf sicher sein. Ist er es aber auch wirklich? Es gab mal eine Zeit, da meinte ich, Gottes Liebe sei erloschen. Früher, zur Zeit des Neuen Testaments, da sei ja noch viel zu merken gewesen von seiner Liebe in Zeichen und Wundern. Heute, so dachte ich, merkt man nichts mehr. Es wäre nicht ver­wunderlich, wenn Gott sich nun endgültig von den Menschen abgewandt hätte; es wäre nur allzu ver­ständlich. Wie oft hatte er sie eingeladen und gelockt, wie oft war er ihnen mit seiner Liebe nach­gegangen! Wieviel Liebe hatte er in sein Volk Israel investiert! Und wie wenig hatte man ihm das gedankt! Immer wieder war Gottes Volk von den Geboten abgewichen hatte fremde Götter angebetet. Als Gott seinen Sohn sandte, hatten sie ihn sogar töten lassen. Durch den Tod Jesu zeigte Gott, wie grenzenlos seine Liebe war – nicht nur für Israel, sondern für alle Menschen. Aber wie wenig machten und machen sie von dieser un­fasslichen Hilfe Gottes Gebrauch. Unzählige Menschen verlachten und verachteten Gottes Liebestat, traten seine Liebe mit Füßen, ja, bekämpften und verfolgten sie. So lange kann sich Gott doch nicht zu Narren halten lassen, dachte ich, irgendwann muss einmal Schluss sein, und das wird wohl jetzt so weit sein. Selbst in seiner Kirche traut man ihm und seinem Wort ja kaum noch etwas zu – in der Kirche, die sich doch Gemeinde der Heiligen nennt. Gottes Liebe muss wohl ein Ende gefunden haben, dachte ich, er wird sich wohl nicht mehr um uns kümmern. Aber nun heißt es ja: „Die Liebe hört niemals auf.“ Gott kann nicht lügen. Was er versprochen hat, wird er halten. Und darum gilt seine Liebe auch heute noch und in alle Ewigkeit. Selbst wenn wir noch so oft von seiner Liebe davonlaufen – sie bleibt un­erschütter­lich fest. Ganz sicher. Garantiert. Meine Zweifel waren ganz un­berechtigt.

Habt ihr manchmal auch Zweifel an Gottes Liebe? Vergesst ihr manchmal auch, dass die Liebe nimmer aufhört? Vergesst ihr manchmal Gottes Liebes-Garantie­schein für euch (die Taufe), und zweifelt daran, dass Gott euch noch lieb hat? Liebe Gemeinde, solche Zweifel sind weder etwas Un­gewöhn­liches, noch sind sie gut. Solche Zweifel sind die Saat des Teufels. Der möchte nämlich einen Keil treiben zwischen Gott und uns. Wenn ein Mensch fröhlich und einfältig glaubt, ist das für Satan das größte Ärgernis. Was tut er? Er sät Zweifel. Auch der frömmste Christ kann das nicht verhindern.

Weil das so ist, müssen wir lernen, mit Zweifeln richtig umzugehen. Gefährlich ist es, Zweifel zu ver­harmlosen. Es ist ein Irrtum zu meinen, Zweifel gingen dadurch weg, dass man über sie redet. Zu erfahren, dass andere auch Zweifel haben, ist nur ein schwacher Trost. Es gibt Menschen, die möchten gern wissen, ob ihr Pastor Zweifel hat. Warum eigentlich? Wäre es nicht schön, wenn er keine hätte, wenn sein Glaube so felsenfest wäre wie Gottes Zusage? Und wenn er doch welche hat (in der Regel hat er welche), was hilft es, das zu wissen? Kann man sich dann als Gemeinde­glied sagen: Wenn der Pastor schon Zweifel hat, dann darf ich ja erst recht welche haben?

Ich sage es noch einmal: Zweifel sind weder etwas Un­gewöhn­liches, noch sind sie gut. Sie kommen vom Teufel und gefährden unser Seelenheil. Allein können wir nicht mit ihnen fertig werden. Aber wir können im Namen Gottes sagen: „Hebe dich hinweg von mir, Satan!“ (Matth. 4,10) Weg mit dir! Hau ab! Du hast bei mir nichts zu suchen! Ich bin ein Kind Gottes, ich bin getauft! Und dann sollen wir Zuflucht nehmen zu Gottes Garantie­zeichen, zu seinem Wort und Sakrament. Wenn Zweifel an uns nagen, dann sollen wir in der Bibel lesen, geistliche Lieder singen, zur Beichte gehen und das Heilige Abendmahl empfangen. Und wir sollen Gott im Gebet um Hilfe bitten. Gott wird solches Beten erhören. Er wird die Gewissheit stärken, dass seine Liebe und seine Zusage felsenfest sind: „Die Liebe hört niemals auf .“

Ich habe jetzt immerzu von Gottes Liebe zu uns Menschen geredet. Dieser Vers und das ganze sogenannte Hohelied der Liebe können aber auch auf menschliche Liebe gedeutet werden. Freilich geht das nur dann, wenn diese menschliche Liebe ein Abglanz der göttlichen Liebe ist. Wer sich in Gottes Liebe hinein­versenkt, wird selbst lieben lernen. Je mehr du dir bewusst machst, wie wunderbar Gott an dir handelt, um so besser wirst du deinen Nächsten lieben können. Du erfährst an Gott: „Die Liebe hört niemals auf“, und du wirst geduldiger werden mit deinen Mit­menschen, auch mit ihren Fehlern und Schwächen. In Familie, Beruf, Gemeinde und Nachbar­schaft wirst du selbst nicht mehr so viel von den anderen verlangen, sondern du wirst immer wieder fragen: Was kann ich denn für den andern tun; was bedrückt ihn; was könnte ihn erfreuen; wie könnte ich ihm helfen? Du wirst auch dann noch so fragen, wenn der andere undankbar und un­freundlich ist. Denn „die Liebe hört niemals auf“. Und du wirst dann das nach­sprechen können, was man Franz von Assisi in den Mund gelegt hat: „Herr, lass du mich trachten, nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich andere liebe.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1988.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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