Liebe Festgemeinde!
Auf dem bunten Teller liegen neben Gebäck und anderen Leckereien oft auch Nüsse. Ich möchte jetzt auf eine besondere „Nuss“ aufmerksam machen, die wir alle zu Weihnachten geschenkt bekommen. Genauer: Ich möchte auf ihren Inhalt aufmerksam machen. Es handelt sich eigentlich um einen Vers der Bibel, den man „Evangelium in der Nussschale“ genannt hat. In diesem Satz ist das Wichtigste aus der ganzen Bibel zusammengefasst. Mit diesem Satz steht und fällt unser Glaube, die Kirche und das Weihnachtsfest. Der Satz lautet: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Wir merken mit diesem Satz: Es geht hier in der Kirche nicht um rührende Weihnachtsstimmung, sondern es geht hier um Tod und Leben; sogar um „Verloren-Werden“ und „ewiges Leben“. Mag sein, dass gerade jetzt, wo wir festlich-froh diesen Heiligabendgottesdienst feiern, im Operationssaal eines Unfallkrankenhauses ein Arzt um das Leben eines Verunglückten ringt; in den Kirchen jedenfalls ringt Gott mit seinem Wort um das ewige Leben von Menschenseelen. In der Weihnachtsbotschaft geht es um Gottes lebensrettende Medizin für uns Menschen. Lasst uns daher noch einmal genau hinhören auf sein Wort, auf dieses Evangelium in der Nussschale: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Aha, wir merken: Auf den Glauben kommt es an! Darum lasst uns darüber nachdenken, was das denn eigentlich ist, der Glaube.
Ich besuche Frau X, die jahrelang nicht mehr in der Kirche war. „Ich habe meinen Glauben“, empfängt sie mich, und hat auch gleich ein halbes Dutzend Gründe parat, warum sie nicht in den Gottesdienst kommt. (Keine Angst, ich habe Frau X erfunden, denn was ich bei meinen Besuchen wirklich erlebe, geht den Rest der Gemeinde nichts an; aber es könnte trotzdem sein, dass die Haltung von Frau X nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.) „Ich habe meinen Glauben“, sagt sie also. „Woran glauben Sie denn?“, frage ich. Erstaunt sieht mich Frau X an: „Woran? An Gott natürlich!“ Ich: „An welchen Gott? An Allah? An Buddha? An Zeus?“ Frau X: „Einfach an Gott. Wie man ihn nennt, ist mir egal. So genau kann man das sowieso nicht wissen. Aber ich denke schon, dass es da ein höheres Wesen gibt, das Einfluss auf mein Leben hat.“ Ich: „Sie glauben einfach nur, dass es da irgendeinen Gott gibt?“ Frau X schweigt. Ich fahre fort: „Wissen Sie, dass auch der Teufel in diesem Sinne ‚glaubt‘? Im Jakobusbrief steht: Auch der Teufel weiß, dass es nur einen Gott gibt, aber er muss vor seiner Bestrafung zittern (Jak. 2,19). Dieser Glaube rettet den Teufel nicht vor der ewigen Qual, die für ihn vorbereitet ist. Warum, meinen Sie, sollte Sie dann Ihr Glaube retten?“ Darauf Frau X: „Ich bemühe mich, ein guter Mensch zu sein und die Gebote zu halten.“ Ich erwidere: „Darum bemühe ich mich auch, aber es gelingt mir nicht. Ich weiß, dass ich mit meinem Lebenswandel vor Gott nicht bestehen kann. Gott fordert zu Recht, dass wir uns ganz und gar an sein Gesetz halten, nicht nur, dass wir uns ein bisschen Mühe geben.“ Frau X: „Wenn Sie das als Pastor schon sagen, wer kann dann in den Himmel kommen?“
Da erzähle ich Frau X etwas von der guten Nachricht des Herrn Jesus Christus. Vielleicht tue ich es mit den Worten des Evangeliums in der Nussschale: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Ich versuche ihr zu zeigen, dass hier ein ganz anderer Glaube als ihrer gemeint ist, nämich der Glaube an den eingeborenen Sohn Gottes. Wer an ihn glaubt, der wird selig, heißt es. Dass es einen Gott gibt, das glaube ich zwar auch, aber das rettet mich nicht. Retten tut mich nur der Glaube an den Sohn Gottes, an Jesus Christus, der Mensch geworden ist – darum feiern wir Weihnachten – und der meine Sündenschuld vor Gott bezahlt hat – darum begehen wir den Karfreitag – und der machtvoll von den Toten auferstanden und in den Himmel gefahren ist, um eines Tages in Herrlichkeit wiederzukommen – darum feiern wir Ostern und Himmelfahrt. Das alles glaube ich, und ich bekenne es Sonntag für Sonntag im Glaubensbekenntnis. So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er uns einen Rettungsring zuwarf, damit jeder, der sich daran festklammert, nicht ertrinken muss, sondern in Sicherheit gebracht werden kann! Seht, das ist der christliche Glaube: Das Festklammern des Ertrinkenden am Rettungsring Jesus Christus, der zu Weihnachten in das stürmische Meer dieser sündenverseuchten Welt geworfen wurde. Dieser Glaube ist meilenweit entfernt von der unbestimmten Ahnung, dass es da irgendwo einen Gott gibt.
Nehmen wir an, Frau X versteht, was ich sage, aber sie kann es nicht für sich annehmen. Sie bewundert jeden, der so glaubt, aber ihr ist das alles zu fremd, zu wenig vorstellbar. In dieser Hinsicht ist ihr Glaube ganz schwach. Vielleicht geht es ja manchem von euch genauso. Vielleicht möchtet ihr euch auch gern ganz fest anklammern an diesen Jesus Christus, um durch die Stürme des Lebens und die Flutwelle des Sterbens hindurchgerettet zu werden. Aber ihr merkt: Das Evangelium klingt so unwirklich und weltfremd. Nun, wenn ihr wirklich diesen Halt sucht, wenn ihr also nicht nur aus Gründen der weihnachtlichen Stimmung hier ein paar Worte hören wollt, dann kann ich euch sagen, wie euer Glaube stark werden kann. Paulus hat es im Römerbrief klipp und klar aufgeschrieben: „Der Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aus dem Wort Christi“ (Rö. 10,17). Der christliche Glaube wird also nicht stärker durchs Zeitunglesen oder durch die Tagesschau – im Gegenteil, da wird er eher angefochten, denn da merken wir nur etwas von dem „verborgenen Gott“, wie Luther ihn nannte, von dem Gott, der entsetzliche Dinge auf der Welt zulässt. Nein, vielmehr finde, stärke und erhalte ich meinen Glauben dort, wo das Evangelium gepredigt wird, wo mir also immer wieder neu vor Augen geführt und bewusst gemacht wird: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Wer seinen Glauben erhalten und stärken will, sollte also viel zur Kirche gehen, viele Predigten hören, viel in der Bibel lesen, oft zur Beichte und zum Heiligen Abendmahl kommen. In diesen vielfältigen Formen kommt das Wort Christi, das Evangelium, zu uns Menschen und hat dabei die Verheißung, dass dadurch der Glaube wächst.
Das möchte ich auch Frau X klarmachen: Sie soll nicht als religiöse Pflichtübung zur Kirche gehen oder um mal wieder ein bisschen religiöse Stimmung zu tanken oder um dem Pastor einen Gegenbesuch abzustatten, sondern weil sie hier die lebensrettende Arznei bekommt, die Predigt von Christus. Diese Medizin stärkt den Glauben, mit dem sie sich an Christus festhalten und für immer selig werden kann! Ob Frau X das versteht? Ob ihr das alle versteht? Wenn der Arzt dir sagen würde: „Nehmen Sie dreimal täglich diese Medizin, sonst könnnen Sie lebgensgefährlich erkranken“, würdest du dann nicht das Zeug schlucken? Wenn ich dir als Pastor im Namen Gottes sage: „Komm sonntags zur Kirche, komm oft zum Abendmahl, bete täglich, sonst wird dein Glaube krank und schwach; womöglich verlierst du ihn ganz“ – wäre es nicht ratsam, du dich daran hältst?
Was also geschieht im Gottesdienst? Weihnachten und die übrigen Gottesdienste rund ums Jahr sind Gottes lebensrettende Medizin gegen Glaubensschwäche, die ewiges Leben schenkt! Wie gut, dass es keine bittere Medizin ist! Es ist eine süße Medizin; es ist eine gute Nachricht, die unsern Glauben aufrichtet. „Siehe ich verkündige euch große Freude!“ – „Freue dich, o Christenheit!“ Ja, eine Freudenmedizin ist Gottes Evangelium, eine Medizin, die gut schmeckt. „Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist!“ (Psalm 34,9) Er hat uns lieb, und dass er es uns durch die Weihnachtsbotschaft zeigt, ist Grund zu großer Freude. „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Wir haben zwar dies Evangelium in der Nussschale, aber wir wollen keinen Glauben in der Nussschale, sondern einen großen, krisenfesten Glauben. Darum lasst uns nicht nur heute von Gottes Freudenmedizin des Evangeliums kosten, sondern sie reichlich und regelmäßig einnehmen. Amen.
PREDIGTKASTEN |