Die Nachrichten­agentur Gottes

Predigt über 1. Korinther 2,1‑10 zum 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ein Redakteur muss ent­scheiden, welche Nachrichten er ver­öffent­licht und welche nicht. Oft lässt er sich dabei von der Frage leiten, was die Menschen interes­siert, also was bei ihnen „ankommt“. Dafür gibt es vier Gesichts­punkte. Erstens ist da der Ausgangs­punkt der Nachricht. Wenn irgendein Herr Müller die Prognose wagt, dass die Arbeits­losen­zahl sinken wird, dann will das niemand wissen. Wenn diese Prognose aber von einem führenden Politiker kommt, dann wird sie ver­öffent­licht. Der zweite Gesichts­punkt ist die Aussage der Nachricht. Wenn ein Hund einen Menschen ins Bein beißt, dann interes­siert das kaum einen, wenn aber ein Mensch einen Polizisten in die Hand beißt, dann wird das ver­öffent­licht. Der dritte Gesichts­punkt ist die äußere Form der Nachricht, ihr Aussehen. Wenn der Nachrichten­redakteur eines Fernseh­senders von der Reise eines Politikers nur eine kurze Agentur­meldung hat, dann wirft er sie in den Papierkorb. Wenn aber ein Film vorliegt oder eine Live-Reportage möglich ist, dann lässt er das senden. Schließlich spielt als vierter Gesichts­punkt die Auswirkung der Nachricht eine Rolle. Egal ob der Wetter­bericht stimmt oder nicht, er muss in jedem Fall gebracht werden werden, denn er hat direkte Aus­wirkungen auf die Menschen; sie können sich nun nämlich ent­scheiden, ob sie den Regenschirm zu Hause lassen können oder nicht. Kurz: Wenn eine Nachricht hin­sicht­lich ihres Ausgangs­punkts, ihrer Aussage, ihres Aussehens oder ihrer Auswirkung interessant ist, dann kommt sie an.

Den uns vertrauten Nachrichten­agenturen stelle ich nun eine völlig andere Nachrichten­agentur gegenüber. Diese Nachrichten­agentur arbeitet nicht nach dem Motto: Was kommt an?, sondern nach dem Motto: Worauf kommt es an? Worauf kommt es an, wenn ich erlebe, wie die Welt in selbst­verschul­deten Kata­strophen zugrunde­geht? Worauf kommt es an, wenn ich mit meinen Mitmenschen und mit mir selbst nicht zurecht­komme? Worauf kommt es an, wenn ich schließlich vor Gottes Richter­thron stehen werde und er mich fragt: Was hast du mit deinem Leben gemacht? Diese Nachrichten­agentur heißt Offenbarung und wird vom Heiligen Geist geleitet. Weil diese Nachrichten­agentur für alle Menschen ent­scheidend wichtig ist, wollen wir heute einen Blick hinter ihre Kulissen werfen. Dabei hilft uns der Apostel Paulus mit seinem Brief an die Korinther, und dabei helfen uns auch die vier Gesichts­punkte, die ich eben genannt habe.

Wir erfahren zunächst etwas über den Ausgangs­punkt der Nach­richten, die uns vom Heiligen Geist übermittelt werden. Paulus schreibt: „Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.“ In der Offenbarung geht es also nicht um die Worte und Taten irgendeines Herrn Müller, auch nicht um die Worte und Taten eines erst­rangigen Politikers, sondern es geht um die Worte und Taten der höchsten nur denkbaren Autorität: Um Gott, den Herrn aller Herren, den König aller Könige, das Oberhaupt aller Staats­oberhäupter. Schon allein diese Tatsache, dass der Allmächtige zu uns redet, sollte uns erkennen lassen, dass hier Infor­mationen vermittelt werden, auf die es ankommt. Darüber­hinaus müssen wir fest­stellen, dass keine andere Agentur Zugang zu dieser Nachrichten­quelle hat, nur der Heiligen Geist hat ihn. Kein Reporter kann es heraus­finden, kein Spion kann es aufdecken, kein Philosoph kann es er­schließen, was wir durch diese Agentur erfahren: die „Tiefen der Gottheit“, also tief verborgene Infor­mationen, die Paulus deshalb auch „Geheim­nisse“ nennt. Wir können sagen: Der Heilige Geist hat die Exklusiv­rechte für Gottes Nach­richten, und nur er selbst hat die Vollmacht, sie weiter­zugeben. Das war schon dem Propheten Jesaja bewusst, den Paulus so zitiert: „Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.“ Es könnte auch heißen: „denen, die auf ihn hören.“ Denn wer Gottes Nachrichten nicht hört oder nicht hören will, dem entgehen diese Infor­mationen. Paulus sagt beispiel­haft von den Politikern seiner Zeit, dass keiner von den Herrschern dieser Welt die Weisheit Gottes erkannt hat‘ „denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlich­keit nicht gekreuzigt.“

Wenden wir uns nun der Aussage der Nachrichten zu, die Gottes Offen­barungs­agentur ver­öffentlicht. Hier erleben wir eine Über­raschung. Nicht, dass Gottes Nachrichten un­gewöhn­licher oder sensatio­neller wären als menschliche Nach­richten. Nein, es ist vielmehr über­raschend, dass alle Nach­richten, die uns der Heilige Geist über­mittelt, letztlich nur einen einzigen Themenkreis betreffen. Paulus, der diese Nachrichten den Korinthern weitergab, kann deshalb schreiben: „Ich hielt nicht dafür, dass ich etwas wusste unter euch als allein Jesus Christus, den Ge­kreuzigten.“ Jesus Christus der Gekreuzigte hat mit der ganzen Offenbarung des Geistes in der Heiligen Schrift zu tun. So erfahren wir, wie die Sünde in die Welt kam und dort mächtig wurde, damit wir die Größe der göttlichen Gnade erkennen, die am Kreuz die Vergebung aller Sünde bewirkte. Wir erfahren von Gottes Gesetz, um unsere eigene Sünde zu erkennen und um unter der Kreuzes­gnade Zuflucht zu nehmen. Wir erfahren von Gottes besonderem Weg mit dem Volk Israel, um zu erkennen: Gottes Gnaden­verheißung, die „Gott verordnet hat vor der Zeit der Welt zu unserer Herrlich­keit“, taucht in der Geschichte Israels immer wieder auf und nimmt in der Messias­hoffnung der Juden immer deutlichere Züge an, bis sie sich schließlich im Kreuz auf Golgatha erfüllt. Wir empfangen Gottes Auftrag zu taufen, das Evangelium zu lehren, das Abendmahl zu feiern und Sünden zu vergeben, damit allen Menschen in der Welt bekannt gemacht und zugeeignet werde, dass sie im Kreuz Christi Frieden mit Gott und dadurch auch Frieden mit anderen Menschen haben können. Das Kreuz auf unserem Altar und an den vielen Orten, wo es uns als Symbol begegnet, erinnert uns an die eine Kern­botschaft des Heiligen Geistes. Alles, was uns Gott durch den Geist sagen will, ist letztlich dies: Dort am Kreuz sind deine Sünden vergeben; ich will sie dir nicht mehr vorhalten und dich nicht mit ewigen Tod dafür bestrafen. Aus dieser Erkenntnis erwächst eine Ver­antwortung. Versuchen wir nur ja nicht, irgendetwas anderes als Gottes Wort und Nachricht weiter­zuvermit­teln, als was wir von ihm empfangen haben! Versuchen wir nur ja nicht, als Kirche etwas anderes zu kennen als Jesus Christus den Ge­kreuzigten! Wehe denen, die weltliche Friedens­botschaf­ten, alternative Lebensstile oder anderes als Gottes Willen ausgeben! Persönlich kann jeder Christ solche Dinge als seine eigene Meinung vertreten, wenn er es ver­antworten kann, aber die Kirche kennt als ihre einzige Haupt­botschaft nur Christus den Ge­kreuzigten und Auf­erstande­nen. Auf diese Nachricht kommt es ja letztlich allein an – auch wenn sie nicht ankommt. Schon Paulus wusste ein Lied davon zu singen, dass die Nachricht vom Kreuz den Juden als Ärgernis und den Griechen als Torheit erschien. Heute können wir sagen: Das Wort vom Kreuz ist für den modernen Menschen eine Sache, der man völlig gleich­gültig gegenüber­steht, denn der moderne Mensch weiß nichts von seiner Ver­antwortung gegenüber Gott. Er weiß nicht, wie tief er bei seinem Schöpfer in der Kreide steht, weiß oft nicht einmal, dass es diesen Schöpfer gibt, denn er hält sich für ein bio­logisches Zufalls­produkt. Danken wir Gott, dass wir um den wahren Wert dieser Aussage wissen: „Wovon wir reden, das ist Weisheit bei den Voll­kommenen (das heißt bei den Glaubenden, die durch das Kreuz vollkommene Vergebung erfahren); nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, welche vergehen.“ Wir sollen diese Weisheit an die Welt weiter­geben, aber wir können sie nicht mit den Mitteln der Welt­weisheit beweisen, denn wir haben ja gesehen, dass sie mit den fünf Sinnen und mit dem gesunden Menschen­verstand nicht nach­zuvollzie­hen ist. Man kann sie nur dem einzigen Über­mittler, dem Geist, abnehmen und ihm glauben. Wenn wir es aber tun, dann schenkt er uns die Gewissheit, dass es auf diese Nachricht ankommt und dass sie zuverlässig ist.

Kommen wir nun zum Aussehen, also zur Form der göttlichen Nachricht. Hier erleben wir die nächste Über­raschung. Der Heilige Geist verkauft seine Nachricht nämlich nicht etwa in einer werbe­strategisch aus­geklügelten Form, die so attraktiv ist, dass sie einfach ankommen muss. Stattdessen gilt das Gegenteil: Die Form ist aus­gesprochen schlicht, ja sogar un­ansehnlich. Da wählt sich der Geist als Sprachrohr für seine Nachricht etwa einen Mann wie Paulus, einen Mann mit un­rühmlicher Vergangen­heit, weil er die Christen heftig verfolgt hat. Dieser Mann sagt selbst von seiner Präsen­tation der guten Nachricht: „Auch ich, liebe Brüder, da ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch zu verkündigen die göttliche Predigt… Auch war ich bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern; und mein Wort und meine Predigt geschah nicht mit über­redenden Worten mensch­licher Weisheit.“ Paulus war kein guter Rhetoriker; einige in Korinth verachteten ihn deshalb. Paulus war auch kein smarter Ansager-Typ mit gepflegtem Lächeln, wohl­modulierter Stimme und eleganter Kleidung. Vielmehr zitterte er vor Lampen­fieber und war zudem kränklich. Nimmt man alle seine dies­bezüglichen Selbst­aussagen zusammen, dann muss er eine sehr un­glückliche Figur abgegeben haben. Warum wählt sich der Geist gerade so einen Menschen für seine wichtigen Nach­richten? Auch darauf weiß Paulus eine Antwort: „… auf dass euer Glaube bestehe nicht auf Menschen­weisheit, sondern auf Gottes Kraft.“ Wenn der Heilige Geist alle Mittel der Mani­pulation nutzen würde, die in der jeweiligen Zeit zur Verfügung stehen, wäre das eine harte Anfrage an unseren Glauben, die Anfrage nämlich: Sind wir manipuliert worden, sind wir einem Schwätzer auf­gesessen, hat man uns etwas vorgemacht? Dass aber unter so ungünstigen äußeren Umständen das Evangelium immer noch gepredigt und gehört wird, ist ein Wunder Gottes, eine „Erweisung des Geistes und der Kraft“, wie Paulus es nannte. Vielleicht tröstet uns das, wenn wir an heute übliche Formen der Ver­kündigung denken: Da ist die Sonntags­predigt, bei der das Zuhören ach so viel Mühe macht, in einer Kirche, die dem einen zu kalt, dem andern zu stickig ist. Da sind die un­scheinbaren Worte: „Dir sind deine Sünden vergeben“ und „Für dich gegeben in den Tod“, die fast schon zu litur­gischer Routine geworden sind. Und doch: Hinter diesem un­scheinbaren Aussehen, hinter dieser schlichten Form, hinter diesen ständig wieder­holten Worten steht die eine Nachricht Gottes, auf die es ankommt – wenn sie auch nur schwer ankommt. Ja, diese Worte haben Gewicht.

Schließlich soll uns noch die Auswirkung der göttlichen Nachricht be­schäftigen. Wir hatten schon gesehen, dass Gottes gute Nachricht gerade in ihrer kümmer­lichen Form einen Glauben schafft, der auf Gottes Kraft und Geist gegründet ist. Wo Menschen vom Kreuz Christi hören und diese Nachricht annehmen, da werden Sünden bekannt und bereut, da wird getauft, da wird gepredigt und gelehrt, da entsteht und wächst Kirche, da werden Menschen getröstet und da lernen Menschen, mit ihren Mitmenschen und sich selbst zurecht­zukommen, weil Gottes Nachricht ihnen Klarheit für ihren Weg und ihr Handeln verschafft. Wenn wir mit Gott im Reinen sind und seine Strafe nicht zu fürchten brauchen, dann brauchen wir uns vor nichts in der Welt zu fürchten und brauchen uns keine Sorgen zu machen.Wenn wir erfahren, wie Gott uns durch das Kreuz Christi vergibt, dann können wir die kleinen oder großen Fehler der Menschen um uns herum leicht verzeihen — wie gering sind sie doch, verglichen mit dem riesigen Schulden­berg, der zwischen uns und Gott stand! Die größte und schönste Auswirkung der göttlichen Nachricht ist aber, dass sie nicht wie der Wetter­bericht am nächsten Tag veraltet ist, dass sie auch nicht nur unser Denken und Handeln in den nächsten Jahren und Jahrzehnten leitet, sondern dass sie in ihrer Tragweite sogar die Zigtausende von Jahren überdauert, in denen der Atommüll noch strahlen wird. Es handelt sich nämlich nicht um ver­gängliche Nachrichten oder um ver­gängliche Weisheit, sondern um ewige Weisheit. Wenn wir einst von den Toten auferstehen werden und Gott uns fragt: Was hast du mit deinem Leben gemacht?, dann kann uns keine irdische Nachricht mehr nutzen, egal wie wichtig sie uns jetzt vorkommen mag. Dann wird es nur auf die eine Nachricht vom Kreuz ankommen, mit der wir Gott demütig antworten können: Ich nehme Zuflucht zum Kreuz Christi und zu seiner grundlosen Liebe. Dann wird sich diese Nachricht in alle Ewigkeit auswirken, nämlich in ewiger Herrlich­keit, und all die scheinbar so wichtigen Nachrichten und Infor­mationen der paar Jahrzehnte, die wir hier auf der Erde gelebt haben, werden dann vergessen sein.

Liebe Brüder und Schwestern, wir haben erkannt: Was uns an göttlichen Nachrichten durch die „Nachrichten­agentur“ der Offenbarung beziehungs­weie der Bibel vom Heiligen Geist übermittelt wird, darauf kommt es am aller­meisten an. Lassen wir uns also nicht durch das verwirren, was täglich alles bei uns ankommen will an Infor­mationen – in Radio, Fernsehen, Presse, Werbung, Schule oder Beruf. Wir wissen, worauf es zuerst und zuletzt ankommt; alles andere ist nicht so wichtig. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1982.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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