Jesus dankbar Liebe zeigen

Predigt über Johannes 12,1-8 zum Sonntag Palmarum

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wie zeigt ihr Jesus eure Liebe? Wie bedankt ihr euch bei ihm dafür, dass er euch erlöst hat? Wenn jetzt alle nacheinander antworten würden, käme sicher ein bunter Strauß von Möglich­keiten zusammen, wie man Jesus Liebe erweisen kann: durch Loblieder zum Beispiel, durch Nächsten­liebe, durch Geldspenden und durch vieles andere mehr. Und wenn wir das Neue Testament nach weiteren Möglich­keiten durch­suchten, würde dieser Strauß noch größer und bunter werden. Palmzweige gehören dazu, mit denen man Jesus beim Einzug in Jerusalem zuwinkte; ebenso allerlei bunte Kleidungs­stücke, die man ihm auf den staubigen Weg legte. Am Abend vor seinem Einzug in Jerusalem erlebte Jesus aber noch einen ganz besonderen Liebes­erweis: Eine Frau salbte seine Füße mit sehr teurem Öl. Sie hieß Maria und lebte in Betanien. Um sie geht es in dieser Predigt.

Maria musste oft an Jesus denken. Mehrmals hatte er sie besucht in ihrem Haus in Betanien. Immer wenn Jesus und seine Jünger zu einem heiligen Fest nach Jerusalem kamen, über­nachteten sie hier bei ihr und ihrer Schwester Martha und ihrem Bruder Lazarus. Betanien war nur gut eine halbe Stunde von Jerusalem entfernt. Maria hatte nie viel mit Jesus geredet, aber sie hatte ihm desto mehr zugehört. Sie liebte es, wenn er vom himmlischen Vater und seiner Barm­herzigkeit erzählte. Einmal war Martha deswegen ägerlich geworden, denn sie wollte, dass Maria ihr im Haushalt half; aber Jesus hatte Maria in Schutz genommen. Es gab allerdings auch eine Zeit, da war Maria von Jesus enttäuscht gewesen, nämlich als ihr Bruder Lazarus gestorben war. Damals dachte sie traurig: Wenn Jesus rechtzeitig gekommen wäre, hätte er Lazarus bestimmt gesund gemacht. Aber dann erlebte sie ein noch viel größeres Wunder: Jesus erweckte Lazarus von den Toten auf. Einige Zeit später stand das Passafest vor der Tür. Wieder erwarteten die Freunde in Betanien Jesus und seine Jünger als Gäste. Die kamen diesmal ziemlich früh, bereits eine Woche vor dem Fest. Es gab ein fröhliches Wiedersehen. Maria strahlte: Am nächsten Tag war Sabbat, da würde Jesus bei ihnen bleiben, und in der folgenden Woche würde er bis zum Passafest täglich zum Übernachten nach Betanien kommen.

Eine Anmerkung: Dieser Sabbat lässt sich aufgrund der biblischen Zeitangaben als Samstag, der 1. April des Jahres 30 bestimmen. Auch die folgenden Ereignisse in den Evangelien lassen sich genau datieren: der Einzug Jesu in Jerusalem auf den darauf folgenden Sonntag, die Einsetzung des Abendmahls auf Donnerstag, den 6. April, Jesu Kreuzigung auf Freitag, den 7. April, und schließlich seine Auferstehung auf Sonntag, den 9. April 30. Es handelt sich bei diesen Ereignissen also keineswegs um Mythen, Märchen und Legenden, sondern um Fakten.

An dem bewussten Samstag, an dem Sabbat also eine Woche vor dem Passafest, ver­anstaltete man in Betanien ein großes Festessen zu Ehren von Jesus. Wie immer lief Martha eifrig hin und her und achtete darauf, dass alle Gäste gut versorgt wurden. Einem Diener gab sie die Anweisung, allen Neu­ankömmlingen erst mal den Straßenstaub von den Füßen zu waschen und ihnen dann eine Schale mit Öl zu reichen, damit sie ihre Füßen ein­balsamieren können. Dieser Service war damals Ehrensache für jeden guten Gastgeber. Die Männer legten sich nach römischer Sitte auf gepolsterte Liegen an die Tafel, redeten, lachten und ließen es sich schmecken. Lazarus war auch unter ihnen, denn er war wieder ganz fit und entwickelte einen erfreulichen Appetit. Maria stand unschlüssig an der Tür. Sollte sie Martha ihre Hilfe anbieten? Aber die schien auch ohne sie alles im Griff zu haben. Oder sollte sie es noch einmal wagen, sich ganz leise bei Jesus hinzusetzen und zuzuhören? Aber sie wollte nicht immer nur hören und empfangen, sie wollte Jesus auch mal etwas geben. Sie wollte ihm ihre große Wert­schätzung zeigen für all das, was er für sie und ihre Familie getan hatte. Aber wie sollte sie das anstellen? Da fiel ihr das wertvolle Gefäß mit Salbe ein, das sie vor einiger Zeit geschenkt bekommen hatte. Sie hatte sich immer gescheut, das darin enthaltene Nardenöl für die eigene Hautpflege zu benutzen; es war einfach zu kostbar. Jetzt aber wollte sie diesen ihren wertvollsten Besitz Jesus schenken; damit konnte sie ihm zeigen, wie sehr sie ihn schätzte und wie dankbar sie ihm war.

Eine Anmerkung: Die Narde ist eine Gebirgs­pflanze, die schon zu Jesu Zeiten aus dem Himalaya-Gebirge in den Mittelmeer­raum exportiert wurde. Sie steht heute unter Naturschutz. Aus den Wurzeln dieser Pflanze kann man ein herrlich duftendes aromatische Öle gewinnen, das heutzutage in der Aroma­therapie Verwendung findet. Man kann Nardenöl über das Internet bestellen; der Liter kostet etwa fünftausend Euro. Schon damals war Nardenöl sehr teuer; Judas schätzte den Wert der Halbliter­flasche auf dreihundert Denare beziehungs­weise Silber­groschen; das war der Jahres­verdienst eines Tagelöhners. Wir sehen: Maria wollte dem Herrn etwas besonders Wertvolles schenken. Sie wusste: Selbst diese teure Flasche Öl ist nur ein ganz kleiner Dank verglichen mit den großen Geschenken, die Jesus ihr gemacht hatte – die wunderbaren Predigten vom Reich Gottes und die Auferweckung ihres Bruders Lazarus von den Toten. Auch heute noch gilt: Wenn man Jesus wirklich danken und ihm seine Liebe zeigen will, dann soll man nicht kleinlich sein.

Maria fragte sich nun, wie sie Jesus denn dieses Geschenk überreichen könnte. Sollte sie ein paar Dankesworte dazu sagen? Aber reden lag ihr nun mal nicht, schon gar nicht in dieser Männerrunde. Oder sollte sie das Salbengefäß einfacht wortlos vor Jesus auf den Tisch stellen? Das wäre irgendwie unpassend. Aber dann fiel ihr etwas Besseres ein: Sie wollte es so machen wie die Diener, wenn Gäste kommen: Sie wollte Jesus die Füße waschen und ein­balsamieren mit dieser teuren Salbe, dann würde er ihre Dankbarkeit unmittelbar körperlich spüren können. Maria nahm die kostbare Ölflasche, trat von hinten an Jesu Liege heran, brach das Siegel auf und schüttete den gesamten Inhalt über Jesu Füße. Sogleich erfüllte ein herrlicher Duft den Raum und breitete sich im ganzen Haus aus. Alle rochen es, und alle wussten es: Das ist Nardenöl, das wertvollste kosmetische Produkt, was es gab. Jesu Füße waren nun ganz nass, wie gebadet in Öl. Maria hatte nicht daran gedacht, ein Tuch mitzunehmen. Spontan entschloss sie sich, mit ihrem langen Haar Jesu Füße ab­zutrocknen.

Eine Anmerkung: Maria zeigte Jesus auf sehr persönliche Weise ihre Liebe und Dankbarkeit. Sie gab nicht nur etwas Wertvolles aus ihrem persönlichen Besitz für ihn her, sondern diente ihm auch mit ihren Händen und Haaren so, wie ein Knecht einem vornehmen Besucher dient oder eine Magd ihrer Herrin. Andere Menschen zeigen auf andere Weise Jesus ihre Liebe und ihren Dank. Es ist aber in jedem Fall gut, wenn das auf eine persönliche Weise geschieht, wenn also Herz und Hände und der ganze Mensch daran beteiligt sind, zum Dienen bereit.

Der Kassenführer unter Jesu Jüngern war es, der an Marias Verhalten Anstoß nahm. Es war Judas Iskariot. In einer Schatulle bewahrte er für Jesus und den Jüngerkreis auf, was ihnen an Geldspenden zugesteckt wurde. Als er die Narde roch, wusste er sofort, was für ein Geldwert hier einfach so über Jesu Füße verschüttet wurde, und das ärgerte ihn. Diesem Ärger musste er Luft machen. Aber er war klug genug, um seinen Einwand gut zu begründen. Darum fragte er: „Warum ist dieses Öl nicht für dreihundert Silber­groschen verkauft worden und den Armen gegeben?“ Dieser gute Grund war allerdings nicht der wahre Grund, warum er sich ärgerte, er war nur vor­geschoben. In Wahrheit zweigte Judas immer mal wieder heimlich etwas von den Spenden­geldern in seine eigene Tasche ab. Wenn die dreihundert Silber­groschen statt über Jesu Füße in die gemeinsame Kasse geflossen wären, dann hätte Judas einen hübschen Anteil davon in die eigene Tasche stecken können.

Eine Anmerkung: Hüten wir uns vor Un­ehrlich­keit, hüten wir uns vor Heuchelei! Wir sollten nicht mit guten Gründen argu­mentieren, wenn es sich nicht auch zugleich um die wahren Gründe handelt, von denen wir überzeugt sind.

Jesus durchschaute Judas, aber er ließ ihn nicht auffliegen – noch nicht. Die Stunde war noch nicht gekommen, wo der Verräter enttarnt werden sollte. Stattdessen ließ Jesus sich auf die Diskussion ein, die Judas mit seiner Frage begonnen hatte. Jesus antwortete ihm: „Lass sie in Frieden! Es soll gelten für den Tag meines Begräb­nisses. Denn Arme habt ihr allezeit bei euch; mich aber habt ihr nicht allezeit.“

Liebe Brüder und Schwestern, diese Antwort unsers Herrn hat es in sich. In ihr vereint Jesus gute und wahre Gründe zu einem ehrlichen und über­zeugenden Statement, das Marias Handeln recht­fertigt. Jesus nimmt sie ausdrücklich in Schutz und sagt: „Lass sie in Frieden!“ Er spricht für sie, die selbst nicht gut reden kann; er macht sich stark für die Schwächere. Sodann klingt zum wiederholten Mal an, dass ihn in Jerusalem der Tod erwartet. Damals pflegte man die Toten mit kostbaren Ölen ein­zubalsamier­en, und Jesus wertete Marias Salbung als diesen vorgezogenen letzten Liebes­dienst. Er wusste, dass er genau eine Woche später im Grab liegen würde. Sein Tod und sein Begräbnis waren kein un­glücklicher Zufall, sondern ein ent­scheidender Teil in Gottes ewigem Heilsplan. Danach würde er nicht mehr mit einem natürlichen Leib auf Erden leben, sondern nur zu bestimmten Gelegen­heiten mit seinem Auf­erstehungs­leib erscheinen. Dann würde man seinen Füßen und seinem ganzen Leib nicht mehr mit Ölen und anderen äußerlichen Wohltaten etwas Gutes tun können. Dennoch würde es auch dann noch reichlich Gelegenheit geben, ihm Dank und Liebe zu erweisen – an den Armen und Bedürftigen nämlich, die es immer geben wird. Darum gilt seither: Was wir den Armen und Bedürftigen Gutes tun, damit dienen wir Jesus selbst. Das wollen wir immer wieder gern tun – mit all den ver­schiedenen Gaben, die wir haben, mit ganzem Herzen, und ohne dabei kleinlich zu sein. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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