Unser Ansehen vor Gott und den Menschen

Predigt über 2. Korinther 4,14-15 zum Sonntag Jubilate

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wilhelm Busch, der Erfinder von Max und Moritz, soll gesagt haben: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.“ Also: Wenn die Mitmenschen mich für einen Trottel halten, brauche ich gar nicht erst zu versuchen, eine gute Figur zu machen, sondern kann mich benehmen, wie ich will. Das ist natürlich ironisch gemeint. Wilhelm Busch wusste ebenso gut wie alle anderen: Ein guter Ruf ist wichtig. Es ist keineswegs angenehm, wenn man in ungünstigem Licht erscheint, und es kann sogar schwer­wiegende Folgen haben.

Wer zum Beispiel im Internet aktiv ist, muss aufpassen, dass er sich da nicht ein schlechtes Ansehen erwirbt. Es ist schon vorgekommen, dass ein junger Mensch die ersehnte Arbeits­stelle nicht gekriegt hat, weil der zuständige Personalchef etwas Negatives über ihn im Internet fand. Überhaupt sollte sich jeder Stellen­bewerber fragen: Wie stehe ich da mit meiner Bewerbung? In welchem Licht präsentiere ich mich? Mache ich einen guten Eindruck? Strahlt meine Bewerbung einen guten Ruf und fachliches Ansehen aus? Auch in anderen Situationen kommt es darauf an, wie man auftritt, bei Prüfungen zum Beispiel, vor Gericht oder auch beim Vorstellungs­besuch vor den zukünftigen Schwieger­eltern. Wenn man da einen schlechten Eindruck macht, kann sich das negativ auf das weitere Leben auswirken. Und überhaupt: Es lässt es kaum einen Menschen kalt, wie er in der Nachbar­schaft, in der Verwandt­schaft oder in der Kirchen­gemeinde angesehen wird.

Der Apostel Paulus hatte das Problem, dass sein Ruf bei den Christen in Korinth ziemlich angeschlagen war. Viele warfen ihm vor, er sei gar kein richtiger Apostel – schließlich habe er den Auf­erstandenen ja nur in einer Vision erlebt, lange Zeit nach dessen Himmelfahrt. Auch war er nicht mit Jesus unterwegs gewesen wie die Zwölf, die seine Predigten gehört und seine Wunder erlebt hatten. Und dann war Paulus rhetorisch nicht besonders begabt; es lag ihm mehr, sich schriftlich aus­zudrücken; so kam es, dass man andere Prediger ihm vorzog. Diese schlechten Meinungen über ihn waren dem Apostel zu Ohren gekommen, und daraufhin schrieb er den zweiten Korinther­brief. Darin versucht er, eine Reihe von Miss­verständnis­sen zu klären und sein Apostelamt zu recht­fertigen. In diesem Zusammenhang stehen die beiden Verse, die wir hier betrachten.

Es geht Paulus nicht darum, irgend­welchen Eindruck zu schinden. Er will nicht um jeden Preis werbewirksam sein, so wie wir das heute manchmal bei Politikern beobachten können, die sich mehr durch ihr Aussehen und Auftreten Sympathien erwerben wollen als durch ein kluges politisches Programm. Paulus geht es nur um den Inhalt seiner Ver­kündigung. Er will die Korinther davon überzeugen, dass seine Botschaft ihn als vertrauens­würdigen Apostel ausweist. Paulus predigt nämlich nichts anderes als das eine Evangelium von Jesus Christus – in der Weise, wie es auch die anderen Apostel verkündigen. In unseren beiden Versen redet er darum mit einem gesamt-aposto­lischen „Wir“ und fasst die Haupt­botschaft des Evangeliums in folgenden Worten zusammen: „Wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen.“ Tod und Auferstehung des Herrn Jesus Christus sind der Dreh‑ und Angelpunkt aller christlichen Ver­kündigung, denn damit hat der himmlische Vater uns erlöst. Wer diese Erlösung im Glauben annimmt, kann zu­versichtlich auf den Jüngsten Tag und das Jüngste Gericht zugehen. Das meint Paulus, wenn er sagt: „Er wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen.“

Der Begriff „vor sich stellen“ ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig. Es geht dabei um die Frage: Wie werden wir vor Gott dastehen im Jüngsten Gericht? Welche Figur werden wir da machen? Welches Ansehen werden wir da vor dem Welten­richter haben? Das ist eigentlich die wichtigste Frage für jeden Menschen. Wer auf diese Frage eine be­friedigende Antwort gefunden hat, kann getrost leben und getrost sterben, denn er weiß sich mit Gott im Reinen. Der Tod und die Auferstehung unsers Herrn aber verbürgen jedem, der ihm vertraut: Du wirst im Jüngsten Gericht eine gute Figur machen und im allerbesten Licht vor Gott erscheinen – gekleidet mit dem Schmuck und Ehrenkleid von Christi Gerechtig­keit. Das ist der Hauptinhalt des Evangeliums, und das ist darum auch die Haupt­botschaft des Paulus und aller Apostel.

Es ist bemerkens­werkt, wie behutsam und liebevoll Paulus hier seinen Kritikern den Wind aus den Segeln nimmt. Er macht ihnen klar: Es ist gar nicht so wichtig, mit welchem Ansehen ich vor den Menschen dastehe, entscheidend wichtig ist letztlich nur, wie ich vor Gott dastehe, in seinem letzten Gericht. Die Zuversicht, dass ich dann gut vor ihm dastehen werde, empfange ich aus dem Evangelium – und nicht nur ich, sondern alle Apostel und alle Boten des Evangeliums. Aber dieses Evangelium verkündigen wir nicht deshalb, um uns selbst zu präsentieren oder in ein gutes Licht zu stellen, sondern um euch zu dienen, damit auch ihr durch den Glauben an Jesus Christus erlöst werdet und im Jüngsten Gericht heilig vor ihm dasteht. Entsprechend setzt Paulus seinen Gedankengang fort: „Er wird uns vor sich stellen samt euch.“ Ihr Korinther, auch ihr Paulus-Kritiker unter den Korinthern, werdet einmal eine ebenso gute Figur in Gottes Gericht machen wie wir Apostel, wenn ihr denn an Jesus glaubt. Nur darum gibt es das Apostelamt, nur darum wird das Evangelium gepredigt: dass ihr solchen selig­machenden Glauben erlangt. Es geht also nicht um Ruhm und Ehre bei diesem Amt, sondern es ist ein Dienst-Amt, das vollständig den Adressaten der Botschaft zugute kommt. Paulus unter­streicht diesen Gedanken, indem er anfügt: „Denn es geschieht alles um euret­willen…“

In der christlichen Kirche und Gemeinde ist es nicht wichtig, wie wir voreinander dastehen, welches menschliche Ansehen wir haben und ob wir eine gute Figur vor den anderen machen. Wichtig ist eigentlich nur eins: Wie wir vor Gott dastehen. Und diese Frage klärt das Evangelium von Jesus Christus eindeutig in ganz positiver Weise. Die Apostel, das Zeugnis der Bibel und alle, die das Evangelium verkündigen, helfen einfach mit, dass diese frohe Botschaft unter die Menschen kommt und gegen alle Anfechtungen wach gehalten wird: „Wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird uns auch auferwecken mit Jesus und wird uns vor sich stellen samt euch. Denn es geschieht alles um euret­willen…“ Die Hörer der Botschaft werden auf diese Weise gestärkt und getröstet. Beide, Verkündiger und Hörer, werden durch das Evangelium reich beschenkt und finden das ewige Leben. Beide, Verkündiger und Hörer, sitzen in einem Boot – im Schiff, das sich Gemeinde nennt. Und beide sind daran interes­siert, dass möglichst viele andere Menschen hinzu­gewonnen werden zur Schar der Erlösten. Das Reich Gottes muss weiter­wachsen durch Christi Wort, so wie ein Hefeteig aufgeht oder wie eine Senfstaude wächst. Mit dem Reich Gottes wächst dann auch der Dank an Gott und der Lobpreis für diese Gnade. Paulus schreibt: „Es geschieht alles um euretwillen, damit die über­schwängliche Gnade durch die Danksagung vieler noch reicher werde zur Ehre Gottes.“

Dass wir von unseren Mitmenschen gut angesehen werden, ist hilfreich. Martin Luther rechnete die Ehre des Menschen zu all dem Guten, das sich im Begriff „täglich Brot“ zusammen­fassen lässt. Aber das Leben ist mehr als das tägliche Brot – viel mehr! Das Reich Gottes ist wichtiger, und so ist auch unser Ansehen vor Gott wichtiger als unser Ansehen vor den Menschen. Luthers Frage: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ ist dringlicher als die Frag: „Wie kriege ich einen guten Ruf?“ Diese Erkenntnis ist ein großer Trost. Denn wenn ich weiß, dass Gott mir durch Jesus Christus im letzten Gericht gnädig sein wird, dann kann ich es ertragen, dass mein Ruf und Ansehen bei den Menschen unter Umständen Schaden erleidet. Mein Selbstwert­gefühl hängt dann nämlich nicht mehr daran, wie ich vor anderen dastehe, sondern allein daran, wie ich vor Gott dastehe. Und weil das so ist, helfe ich gern mit, die Danksagung für diese über­schwängliche Gnade Gottes noch reicher zu machen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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