Wie heilig ist Gottes Tempel!

Predigt über 1. Korinther 3,16-17 zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Woran denkt ihr, wenn ihr das Wort „Tempel“ hört? Mancher denkt an einen heidnischen Tempel, eine Kultstätte versunkener Kulturen. Solche Tempel haben ja kürzlich noch in Palmyra gestanden, bis sie vom sogenannten Islamischen Staat in die Luft gesprengt wurden. Mancher denkt an den Jerusalemer Tempel, der zur Zeit des Neuen Testaments auf dem Berg Zion stand. Es war eine riesige, herrliche Tempelanlage aus weißem Stein, mit Gold verziert; Jesus und die ersten Christen gingen dort aus und ein. Mancher denkt an ein christliches Heiligtum, also ein Kirch­gebäude, das man in gewisser Hinsicht auch einen Tempel nennen kann. Gerade jetzt, in der Urlaubszeit, werden auf der ganzen Welt allerlei Gotteshäuser und Tempel von Touristen besichtigt und bestaunt. Aber ein Tempel ist nicht immer aus Holz und Steinen gebaut, er kann auch aus Fleisch und Blut bestehen. Vielleicht fällt einigen beim Stichwort „Tempel“ ein, was Jesus von seinem eigenen Leib gesagt hat: „Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn aufrichten“ (Joh. 2,19). Auch der Körper jedes einzelnen Christen ist ein Tempel, wie der Apostel Paulus im 6. Kapitel des 1. Korinther­briefs schreibt: „Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist?“ Wegen dieses Bibelwortes dachte ich zuerst, dass unser Predigttext das Wort „Tempel“ in demselben Sinn verwendet. Hier erinnert uns Paulus ja mit genau derselben Einleitungs­formel und sagt: „Wisst ihr nicht dass ihr Gottes Tempel seid?“ Aber Irren ist menschlich, und ich musste bald einsehen, dass es ein Fehler war, diese beiden Bibelstellen miteinander gleich­zusetzen. Denn in unserem Predigttext ist von einer noch anderen Art Tempel die Rede: Es geht um den Tempel als Bild für die christliche Gemeinde.

Der Zusammenhang macht das deutlich. Vorher hat Paulus nämlich geschrieben: „Ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau.“ Ganz ähnlich hat sich der Apostel Petrus geäußert: „Als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause“ (1. Petrus 2,5). Alle Christ sind lebendige Steine, und gemeinsam bilden wir den Tempel der christlichen Kirche oder Gemeinde. Gott selbst wohnt in diesem Tempel durch den Heiligen Geist. Darum sagt Paulus hier nicht: „Du bist ein Tempel“, oder: „Dein Leib ist ein Tempel“, sondern ganz bewusst in der Mehrzahl: „Ihr seid Gottes Tempel; wisst ihr das etwa nicht?“

Wir sollten es wissen, und wir sollten es uns immer wieder neu gesagt sein lassen. Denn damit gehören wir zu dem wunder­barsten und schönsten Bauwerk, das es gibt. Der Tempel der christlichen Gemeinde ist wahrhaft herrlich und heilig, viel herrlicher und heiliger als die schönsten Dome der Welt ‑wisst ihr das nicht? Wir bekennen es doch Sonntag für Sonntag im Glaubens­bekenntnis: „eine heilige christliche Kirche, die Gemeinde der Heiligen“. In der Bibel wird dieser geistliche Tempel ausführlich beschrieben. Hier im 3. Kapitel des 1. Korinther­briefs betont Paulus besonders, auf was für einem stabilen Fundament dieses Gotteshaus ruht, und in diesem Zusammenhang finden wir den berühmten Satz: „Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Im Epheserbrief hat Paulus das noch genauer entfaltet und geschrieben: Ihr seid „erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist“ (Eph. 2,20). Jesus ist der wichtigste, der alles tragende Stein im Fundament dieses Tempels. Das Zeugnis der Apostel und Propheten aber, also die Worte der Heiligen Schrift, entfalten dieses Evangelium grundlegend für die Kirche aller Zeiten: Wer den Namen des Herrn Jesus anruft und ihm vertraut, der findet Vergebung der Sünden, Frieden mit Gott und ewiges Leben. Auf diesem wunderbaren und un­erschütter­lichen Fundament wächst nun Stein für Stein der Tempel der christlichen Kirche. Immer wenn jemand zum Glauben kommt und getauft wird, wird der Tempel etwas größer und schöner. Und wenn ein Pastor Gästen seine Kirche zeigen möchte, dann sollte er sie eigentlich nicht in das leere Gebäude aus Holz und Stein führen, sondern dann sollte er den Gästen lieber seine Gemeinde zeigen – wenn das denn so ohne Weiteres möglich wäre.

Nun redet unser Bibelwort aber nicht nur von der Heiligkeit und Herrlichkeit des Tempels, sondern auch von Angriffen auf ihn. Wir lesen: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben.“ Das sollten alle wissen, die sich kirchen­feindlich oder Christus-feindlich verhalten: Gott lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen. Er wird zu seiner Zeit alle bestrafen, die der christlichen Gemeinde schaden.

Was aber ist es, das der Kirche schadet oder sie „verdirbt“? Ich erinnere noch einmal an die Verbrechen des sogenannten Islamischen Staates: Sie haben mit den Tempel­anlagen in Palmyra wertvolle Kulturgüter un­wiederbring­lich zerstört. Das ist schlimm – aber nicht sehr schlimm, denn eigentlich kann die Welt gut auf Götzentempel verzichten. Viel schlimmer ist es, wenn Fanatiker gezielt den „Tempel“ der Gemeinde angreifen, also wenn sie Christen verfolgen, drangsa­lieren und töten. Viel schlimmer ist es auch, wenn sie Kirchgebäude stürmen und Menschen töten, die da gerade friedlich ihren Gottesdienst feiern. Freilich: Deren Seelen können sie nicht töten, die bewahrt Gott zum ewigen Leben. Vielmehr wird das Schlimme, das diese Feinde Gottes tun, auf sie selbst zurück­fallen, wie Paulus schreibt: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben.“

Es gibt aber auch weniger spektakuläre Angriffe auf Christi Tempel, ein schlei­chendes Verderben gewisser­maßen. Da weht der Wind des Zeitgeistes gottlose Gedanken wie Unkrautsamen über die Baustelle – Gedanken wie diese: Die Welt sei ohne Zutun eines göttlichen Wesens von selbst entstanden; Gottes gute Ordnung der Zehn Gebote gelte heute nicht mehr; Christi Tod am Kreuz sei keineswegs ein Sühnopfer für die Sünden aller Menschen; jeder Mensch sei sein eigener Herrn und brauche keinen Gott über sich; Gott könne niemandem helfen, sondern jeder müsse sich selbst helfen. Ja, solche Unkrautsamen weht der Wind über die Baustelle des Tempels, und wenn sie aufgehen, dann gefährden sie den Bau. Sie setzen sich in die Spalten und Ritzen zwischen den lebendigen Steinen und beginnen dort zu wachsen. Ich habe schon manches verfallene Haus und manche Bau-Ruine gesehen, wo ganze Büsche und Bäume das Mauerwerk auseinander­brechen lassen. Nehmen wir das nicht auf die leichte Schulter; denken wir nicht: Was können so ein paar kleine Unkrautsamen schon ausrichten! Orientieren wir uns lieber an Gotte Wort und jäten wir alle gottlosen Gedanken aus unseren Köpfen und aus unserer Mitte aus, damit sie nicht Gottes Tempel verderben.

Ebenso schädlich wie gottlose Gedanken sind Streit, Neid, üble Nachrede und andere zwischen­menschliche Kata­strophen; sie treiben ebenfalls die lebendigen Steine auseinander. Auch in dieser Hinsicht sollten wir uns warnen lassen: „Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben.“ Das einzige wirksame „Unkraut­vernichtungs­mittel“ dagegen ist die Bereit­schaft, einander liebevoll zu vergeben, wie Paulus im Epheserbrief geschrieben hat: „Vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus“ (Eph. 4,32).

Und schließlich schadet es dem Tempelbau, wenn Steine heraus­gebrochen werden und an ihrer Stelle dann Lücken klaffen. Leider verhalten sich viele Christen so in der heutigen Zeit: Sie meinen, dass sie als lebendige Steine sehr gut einzeln weiterleben können und die Kirche überhaupt nicht nötig haben. Aber sie haben die Kirche nötig, und die Kirche hat sie nötig. Vor allem aber ist dies Gottes heiliger Wille; dazu hat er sie geschaffen und wieder­geboren. Wozu sonst sollte es Bausteine geben, wenn nicht dazu, dass sie gemeinsam ein Mauerwerk und Gebäude bilden? Es ist gar nicht anders denkbar; und wer sich der lebendigen Gemeinschaft in der Gemeinde entzieht, der schädigt damit den Tempel Gottes. Seine Stimme fehlt beim Gesang, sein Gesicht fehlt als Kirchen­schmuck; sein Mund fehlt beim Abendmahls­empfang, sein Scherflein fehlt in der Kollekte.

Gott selbst aber wird dafür sorgen, dass der Tempelbau gelingt. Und Gott selbst wird diejenigen zur Rechenschaft ziehen, die diesen Bau behindern. Gott selbst wird uns als lebendige Steine bewahren und mit uns sein herrliches Werk vollenden. Es mag sein, dass die christliche Gemeinde in Zukunft anders aussehen und organisiert sein wird als heute. Es mag sein, dass Gottes Feinde das Gesicht der Kirche sehr verändern und sogar entstellen werden. Es mag sein, dass sich das auch hier in unserer Gemeinde deutlich zeigen wird. Aber solange es hier noch wenigstens zwei oder drei Christen gibt, die gemeinsam Gottes Wort hören wollen und sich nach Gemeinschaft in seinem Namen sehnen, wächst Gottes Tempel auch an diesem Ort weiter: der herrliche Tempel mit seinem herrlichen Fundament Christus. Alles, was auf diesem Fundament gebaut ist, wird in Ewigkeit nicht verderben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2016.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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