Täglich Brot und Lebensbrot

Predigt über Johannes 6,27-35 zum 7. Sonntag nach Trinitatis und zum Missionsfest

Liebe Misisonsfestgemeinde!

Seit nunmehr zwölf Jahren bin ich nicht mehr Missionar in Afrika, sondern wieder Pastor in Deutschland, und zwar in Fürstenwalde an der Spree, einer kleinen Stadt zwischen Berlin und der polnischen Grenze. Auch die lutherische Gemeinde dort ist recht klein. Das wird besonders deutlich, wenn beim normalen Sonntags­gottesdienst nur eine Handvoll Christen in der denkmal­geschützten Kirche von 1883 anwesend sind und die meisten der rund 200 Sitzplätze leer bleiben. Manchmal jedoch ist das anders, manchmal sind wir dreistellig – zum Beispiel beim Heiligabend-Gottes­dienst. Dreistellig ist dann nicht nur die Anzahl der Gottesdienst­besucher, sondern auch die Anzahl der Euros in der Kollekte. Nach alter Tradition ist diese Heiligabend-Kollekte für die Aktion „Brot für die Welt“ bestimmt. Eigentlich. Denn vor ein paar Jahren haben wir beschlossen, die Heiligabend-Kollekte in zwei Hälften zu teilen: die eine Hälfte für „Brot für die Welt“, die andere Hälfte für unsere Bleckmarer Mission. Wir begründen das so: Der Mensch braucht beides, das tägliche Brot und das Lebensbrot Jesus Christus. „Brot für die Welt“ bringt das tägliche Brot zu Bedürftigen, und die Mission bringt das Lebensbrot zu denen, die noch nicht Christen sind. Täglich Brot und Lebensbrot, Diakonie und Mission – beides ist nötig, beides ist wichtig, beides legt uns Gott ans Herz. Um diese doppelte Bedeutung von „Brot“ dreht sich auch das sechste Kapitel des Johannes­evangeliums. Den Anfang dieses Kapitels haben wir als Evangeliums-Lesung gehört: Jesus gab 5000 hungrigen Männern auf wunderbare Weise zu essen. Daraufhin waren sie so begeistert von ihm, dass sie ihn auf der Stelle zum König machen wollten – zu einem Täglich-Brot-König, der sie an jedem Tag satt macht. Aber so ein Täglich-Brot-König wollte Jesus nicht sein und verschwand deswegen. Erst an nächsten Tag sahen ihn seine Fans wieder, und zwar in der Synagoge von Kapernaum. Dort hielt Jesus ihnen eine lange Predigt; oder besser: Er führte ein Predigt-Gespräch mit ihnen. Unser Predigttext ist ein Ausschnitt davon. In dieser Predigt geht es nicht mehr um das tägliche Brot wie beim Speisungs­wunder am Vortag, sondern da geht es um das Lebensbrot. In dieser Predigt stellte Jesus klar: Er ist nicht in erster Linie ein Täglich-Brot-König, sondern der Lebensbrot-König, ja, das Lebensbrot in Person. Was das bedeutet, machte er seinen Zuhörern durch eine Gegenüber­stellung von täglich Brot und Lebensbrot klar, und er will uns das auch heute klarmachen. Ich möchte das jetzt unter drei Gesichts­punkten bedenken: Wichtigkeit, Tüchtigkeit und Dankbarkeit.

Schauen wir erstens auf die Wichtigkeit von täglichem Brot und Lebensbrot. Wir alle wissen, wie wichtig das tägliche Brot ist. Wir erfahren auch immer wieder, wie schlimm es in Ländern zugeht, wo es am täglichen Brot mangelt. Darum sagen wir mit Recht: Man kann nicht Mission treiben ohne Diakonie. Man kann nicht das Evangelium vom Lebensbrot Jesus Christus verkündigen und dabei die Menschen mit ihren materiellen Nöten im Stich lassen. So hat es auch die Bleckmar Mission immer gehalten: Ich erinnere beispielhaft an die Kranken­station auf Dierkisdorp in Südafrika, aus der dann das Themba-Zentrum entstanden ist; und ich erinnere an die Missions­gemeinde in Berlin Marzahn (jetzt meine Nachbar­gemeinde), die seit vielen Jahren mit der Aktion „Laib und Seele“ bedürftigen Familien zu sehr preiswerten Nahrungs­mitteln verhilft. Manche Christen sagen sogar: Wir müssen zuerst die materielle Not lindern helfen, danach erst können wir mit der Verkündigung kommen. Das mag bei bestimmten Notlagen auf die zeitliche Reihenfolge zutreffen – als allgemeiner Grundsatz taugt diese Meinung jedoch nicht. Hören wir, was Jesus sagt: „Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist, sondern die bleibt zum ewigen Leben!“ Und: „Mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.“ Wir merken: Das Lebensbrot ist das wahre, un­vergängliche Brot vom Himmel. Wer das Lebensbrot hat, der hat das ewige Leben, selbst wenn sein Leib in dieser Welt hungern muss. Das tägliche Brot ist nur zeitliches Brot, das wir früher oder später nicht mehr brauchen werden, das Lebensbrot aber ist ewiges Brot; von ihm werden wir auch noch im Himmel leben. Mangel an täglichem Brot kann zum leiblichen Tod führen, kann aber nicht die Seele verderben; Mangel an Lebensbrot jedoch kann den schreck­lichen ewigen Tod bringen. So wichtig also das tägliche Brot ist – lassen wir uns vom Herrn gesagt sein, dass das Lebensbrot noch wichtiger ist! Und wenn wir schon eifrig nach dem täglichen Brot trachten, dann lasst uns desto eifriger nach dem Lebensbrot trachten. Und wenn uns die Nächsten­liebe diakonisch tätig werden lässt, dann sollte sie uns desto mehr missio­narisch tätig werden lassen.

Wir schauen zweitens auf das Stichwort Tüchtigkeit. Der Zusammenhang von täglichem Brot und Tüchtigkeit ist uns allen vertraut: Wer tüchtig ist, wer klug und fleißig seiner Arbeit nach geht, der kann sich damit sein täglich Brot erwerben; in der Regel jedenfalls. Gott hat das bereits für Adam so angeordnet: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen“ (1. Mose 3,19). Das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns ums tägliche Brot Sorgen machen sollen. Auch dürfen wir niemals vergessen, dass wir es letztlich doch dem Segen Gottes zu verdanken haben, denn ohne ihn wäre all unsere Mühe vergeblich. Wie steht es aber mit unserer Tüchtigkeit hinsichtlich des Lebensbrots? Wenn Jesus sagt: „Schafft euch Speise, die nicht vergänglich ist“, dann hört sich das so an, als ob wir uns auch dafür tüchtig anstrengen sollen. Und die damaligen Hörer haben Jesus tatsächlich auch so verstanden und deshalb gefragt: „Was sollen wir tun, dass wir Gottes Werke wirken?“ Also: Wie sollen wir uns das Lebensbrot erarbeiten, Jesus; welche Werke und Taten entsprechen dem Willen Gottes? Jesus lässt sich auf diesen Gedankengang ein und antwortet: „Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ Wenn wir genau hinhören, dann können wir die Anführungs­zeichen beim Wort „Werk“ mithören: „Das ist Gottes ‚Werk‘, dass ihr an den glaubt…“ Und da mag uns der berühmte Satz des Paulus aus dem Römerbrief einfallen, der für Luther und die Reformation ganz wichtig wurde: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“ (Römer 3,28). Das „Werk“ (in Anführungs­zeichen!), mit dem wir uns das Lebensbrot verschaffen, ist kein Werk menschlicher Tüchtigkeit, sondern es ist der Glaube, mit dem wir das Werk eines anderen als kostbares Geschenk einfach in Empfang nehmen. Dieser andere ist niemand anders als Jesus selbst; er hat uns im Auftrag des himmlischen Vaters das ewige Leben erworben. Er ist der Christus, der Gesalbte, der mit dem Heiligen Geist Versiegelte – das ist bei seiner Taufe sichtbar geworden zum Zeichen für alle Menschen. Nicht unsere Tüchtigkeit, sondern sein Erlösungs­werk verschaffen uns das Lebensbrot. Ja, Jesus verschafft uns dieses Lebensbrot, und er ist zugleich dieses Lebensbrot in Person. Diesem Geheimnis begegnen wir besonders im Heiligen Abendmahl: Da ist Jesus zugleich der Gastgeber und die Speise. Wir aber sind seine geladenen Gäste, die unverdient, ganz ohne eigene Werke und Tüchtigkeit, das Lebensbrot geschenkt bekommen, und damit das herrliche ewige Leben.

So kommen wir drittens zur Dankbarkeit. Wenn wir eine Mahlzeit einnehmen, dann darf das Tischgebet nicht fehlen als Zeichen der Dankbarkeit für das tägliche Brot. Und wenn wir Ernte­dankfest feiern, dann steht dieser Dank fürs tägliche Brot im Mittelpunkt des Gottes­dienstes. Das ist gut und richtig so, wie es in Martin Luthers Erklärung zum ersten Glaubens­artikel heißt: „…für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und gehorsam zu sein schuldig bin.“ Wenn aber Gott schon für das tägliche Brot soviel Lob und Dank verdient, dann umso mehr für das Lebensbrot Jesus Christus und für das ewige Leben. Denn das ewige Lebensbrot ist ja wichtiger als das zeitliche täglich Brot, und das Lebensbrot müssen wir uns auch nicht wie das täglich Brot mühevoll erarbeiten, sondern bekommen es ganz unabhängig von unserer Tüchtigkeit geschenkt. Es ist schön, diesem Dank gemeinsam und mit vielfältigen Gaben in vielfacher Form darzu­bringen. Gerade bei einem Missionsfest kann man das erleben, etwa mit der herrlichen Kirchenmusik und auch beim Dankopfer, das, so hoffe ich, besonders großzügig ausfallen wird. Dieses Dankopfer sammeln wir nun aber nicht, um es als Gabe für Gott in einem Erdloch neben der Kirche zu vergraben, sondern es soll investiert werden – investiert in eben dieses großartige Werk, durch das noch viel mehr Menschen das Lebensbrot Jesus Christus empfangen und selig werden sollen. So ist auch der Einsatz für die Mission ein Dankopfer, ebenso wie die Diakonie. Denn wenn wir selbst das Lebensbrot empfangen, sodass unsere Seele nie mehr hungern und dürsten muss, dann drängt uns die Liebe Christi, diese wunderbare Speise auch vielen anderen zuteil werden lassen.

Wie sagte doch Jesus? „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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