Gott sehen und erkennen

Predigt über Johannes 14,7 zum Trinitatisfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn ein un­verheirate­ter junger Mensch sagt: Ich hab da jemanden kennen­gelernt, und wenn dann auch noch seine Augen strahlen, dann weiß man: Er hat sich verliebt. Genauso ist das Wort „kennen­lernen“ beziehungs­weise „erkennen“ in der Bibel gemeint: Es bezeichnet eine Liebes­beziehung. Jesus möchte, dass wir Gott den Vater „erkennen“, also dass wir ihn lieb haben und ihm mit ganzem Herzen vertrauen. Da wird mancher einwenden: Das ist aber ziemlich schwer, denn der himmlische Vater ist ja unsichtbar. Wer ist das überhaupt: der himmlische Vater? Wie sollen wir ihn uns vorstellen? Ist er irgendein abstraktes höheres Prinzip, das über alle Dinge waltet? Oder ist er irgendeine geheimnis­volle Kraft, die in allen Dingen steckt? Oder ist er ein fernes außer­irdisches Wesen mit geheimnis­voller Macht? Das alles sind nicht gerade Vor­stellungen von Gott, die uns helfen, ihn liebend zu erkennen.

Der himmlische Vater weiß das, und darum hat er seinen ein­geborenen Sohn Mensch werden lassen. Jesus erwartet nicht nur, dass wir den Vater erkennen sollen, sondern er hilft uns auch, dass wir denVater erkennen können. Er sagt: „Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“ „Von nun an“, sagte er, nämlich von der Zeit an, als der eingeborene Sohn auf Erden erschien. Am Anfang seines Evangeliums bezeugt der Jünger Johannes von Jesus: „Wir sahen seine Herrlich­keit, eine Herrlich­keit als des ein­geborenen Sohns vom Vater“ (Joh. 1,14). Und Jesus selbst sagt von sich: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh. 14,9). Willst du also Gott erkennen, willst du ihn kennen‑ und lieben lernen, dann achte auf Jesus Christus. Sieh, was der Mensch gewordene Gottessohn getan hat. Höre, was er gesagt hat. Nimm wahr, wie er sich verhalten hat. So barmherzig und liebevoll, so treu und wahrhaftig ist auch Gott der Vater. Auf diesem Weg können wir den himmlischen Vater erkennen – durch seinen Sohn Jesus Christus. Und es geht nur durch ihn; jeder andere Weg der Gottes­erkenntnis muss zwangs­läufig zu einem schiefen Gottesbild führen. Kurz vor unserem Predigttext steht das berühmte Wort unsers Herrn: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Nun kann wieder jemand mit einem Einwand kommen und sagen: Johannes und die anderen Jünger haben Jesus damals ja wirklich gesehen und erlebt, wir aber sehen ihn heute nicht. Für uns ist der eingeborene Sohn ebenso unsichtbar wie der himmlische Vater. Trotzdem gilt auch für uns heute noch dieses Wort des Herrn: „Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn habt ihn gesehen.“ Wie das heute geschieht, möchte ich mit einem Beispiel anschaulich machen. Wenn ein un­verheirate­ter junger Mensch mit strahlenden Augen sagt: Ich hab da jemanden kennen­gelernt, dann kann man normaler­weise davon ausgehen, dass die beiden sich irgendwo persönlich begegnet sind. Das ist aber nicht unbedingt eine Voraus­setzung fürs Verlieben. Besonders in früheren Zeiten, wo reisen sehr aufwändig war, haben sich Paare mitunter nur von fern schriftlich kennen­gelernt und dann Liebes­briefe hin und her ge­schrieben. Selbst wenn sie sich noch nie persönlich begegnet waren, kannten sie sich doch schon sehr gut bis in die innersten Herzens­regungen hinein, und sie liebten sich sehr. Seht, solchen Liebesbrief vom himmlischen Vater und von seinem Sohn Jesus Christus haben auch wir; das ist die Heilige Schrift. Der Bote aber, der uns diesen Brief bringt, ist niemand anderes als der Heilige Geist, die dritte Person des einen göttlichen Wesens, der Dritte im Bund der Heiligen Dreifaltig­keit. Er hat dafür gesorgt, dass das Zeugnis von Jesu Augen‑ und Ohrenzeugen uns als Liebesbrief erreicht, und er sorgt noch heute dafür, dass seine wunderbare Botschaft des Evangeliums durch die kirchliche Ver­kündigung und durch die Heiligen Sakramente unter uns lebendig bleibt. Wenn der Heilige Geist zu uns kommt, dann erleben wir Jesus so lebendig, dass wir ihn gewisser­maßen vor unserem geistigen Auge sehen in all seiner Barmherzig­keit und Treue. Und wenn wir ihn so erleben, dann erkennen wir durch ihn den himmlischen Vater.

Wir wollen Gott immer besser kennen­lernen, wir wollen ihn lieben lernen und wir wollen lernen, ihm von ganzem Herzen zu vertrauen. Das können wir auch, denn er begegnet uns als der Dreieinige: als all­mächtiger Vater und Schöpfer aller Dinge, als der Mensch Jesus Christus, der sich in Liebe für uns aufgeopfert hat und in dem der Vater sichtbar geworden ist, und als Heiliger Geist, der uns heute mit dem Vater und dem Sohn verbindet. Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sei dafür Lob und Dank, jetzt und in Ewigkeit! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2015.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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