Der Geist als Dolmetscher und Sprachlehrer

Predigt über 1. Korinther 2,12‑16 zum Pfingstsonntag

Barategi mo Moreneng!

Mit diesen Worten habe ich meine Predigten begonnen, wenn ich als Missionar in der Tswana-Sprache predigte: „Geliebte im Herrn!“ Ich gebe zu: Es war mühsam, diese Sprache zu erlernen, und Mühe hatte ich mit ihr die ganzen zehn Jahre über, die ich in Botswana lebte. Aber im Nachhinein kann ich sagen, dass die Mühe sich gelohnt hat. Wenn man andern Menschen die frohe Botschaft von Jesus Christus verkündigen will, dann geht das am besten in ihrer Muttersprache. Als Tourist kann man sich notfalls mit Händen und Füßen ver­ständigen, als Diplomat kommt man mit Englisch und Französisch gut durch, aber als Missionar sollte man die Menschen in ihrer Mutter­sprache erreichen. Es ist darum stets der Grundsatz unserer Luthe­rischen Kirchen­mission gewesen, dass Missionare vor Ort die Sprache des Volkes lernen, in dem sie eingesetzt werden. Andere Missions­gesellschaf­ten, die Missionare für kürzere Zeit aussenden, stellen ihnen wenigstens Dolmetscher zur Seite.

Beim ersten großen Missions-Event der Welt, nämlich zu Pfingsten damals in Jerusalem, hat sich der Heilige Geist höchst­persönlich zum Dolmetscher und Sprach­lehrer der Apostel gemacht. Wir haben davon gerade wieder bei der Verlesung der Pfingst­geschichte gehört: Die Jünger „fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab aus­zusprechen.“ In einem wunderbaren Schnellst-Sprachkurs lehrte der Heilige Geist die Jünger das Predigen in ver­schiedenen Fremd­sprachen. Das klingt auch in unserm Predigttext an, wo der Apostel Paulus äußert: „Wir reden mit Worten, die der Geist lehrt.“ Und weiter heißt es in der Pfingst­geschichte von der inter­nationalen Zuhörer­schar: „Ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden.“ Da betätigte sich der Heilige Geist zugleich als Dol­metscher, als Simultan-Übersetzer für die Ver­kündigung der Jünger. Auch das klingt in unserm Predigttext an, denn es heißt da: „Wir haben empfangen den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“

Liebe Brüder und Schwestern, das ist die Haupt­aufgabe des Heiligen Geistes: dafür zu sorgen, dass Gottes Wort von Menschen verstanden wird. Der Geist wird dabei zum Sprach­lehrer für die, die Gottes Wort ver­kündigen: Er lässt sie Worte finden, die die Hörer erreichen. Und zugleich wird der Geist zum Dolmetscher für die, die Gottes Wort hören: Er öffnet ihnen das Verständnis für die verkündigte Botschaft. Denn darum geht es beim Evangelium von Jesus Christus: um ver­ständliches Reden und ver­ständiges Hören. Oder um es mit dem passenden Fremdwort aus­zudrücken: Es geht um gelingende Kommu­nikation. Der Heilige Geist aber ist Gottes Kommu­nikations­experte, darum macht er sich immer wieder zum Sprach­lehrer und zum Dol­metscher.

Es lassen sich unzählige Beispiele aus der Kirchen‑ und Missions­geschichte nennen, wie der Heilige Geist sprachliche Gräben überbrückt und Menschen das Evangelium nahe­gebracht hat. Sogar die Neben­produkte davon sind erstaun­lich: So geht das kyrillische Alphabet auf den griechi­schen Missionaren Kyrill zurück, der im 9. Jahr­hundert den slawischen Völkern das Evangelium brachte. Und Martin Luther hat mit seiner deutschen Bibel­übersetzung zugleich die Grundlage für eine einheit­liche deutsche Sprache geschaffen. Als er auf der Wartburg das Neue Testament übersetzte, da ging er, als „Junker Jörg“ verkleidet, öfters auf den Eisenacher Marktplatz, um den Leuten „aufs Maul zu schauen“, wie er es nannte. Er wollte wissen, wie die einfachen Leute seiner Zeit unter­einander Deutsch sprachen, um das bei seiner Bibel­übersetzung zu berück­sichtigen. Nun ist das allerdings nicht mehr ganz die heutige Umgangs­sprache. Darum versuche ich immer wieder mit meinen Predigten und in den Bibel­stunden, den Sinn der biblischen Texte für die heutige Zeit zu erklären. Außerdem gibt es eine Reihe neuerer Bibel­übersetzun­gen, die dem modernen Deutsch angepasst sind. Bei dem allen können wir den Heiligen Geist am Werk sehen, der als Sprach­lehrer und Dolmetscher den Menschen Gottes frohe Botschaft nahebringen will – gleich ob mit Wundern oder ohne.

Allerdings kann es auch bei der besten und klarsten modernen Bibel­übersetzung geschehen, dass Menschen Gottes Botschaft nicht verstehen. Das liegt dann nicht an der Sprache an sich beziehungs­weise an der sprach­lichen Form, sondern das liegt dann am Inhalt der Botschaft. Die Leute, die auch moderne Über­setzungen nicht verstehen, haben einfach keinen Zugang zu Sünde und Gnade, zu Gottes­furcht und Sühnopfer, zu Engeln und ewigem Leben und zu all dem, was da mit dem Evangelium zur Sprache gebracht wird. Es lassen sich einfach keine passenden Begriffe finden, um ihnen das zu vermitteln, was Gott meint. Es scheint da zusätzliche Kommu­nikations­barrieren zu geben.

Solche besonderen Kommu­nikations­barrieren kann man übrigens auch bei ganz weltlichen Inhalten zwischen ver­schiedenen Fremd­sprachen beobachten. Zum Beispiel erscheint es mir fast unmöglich, einem Tswana den Unter­schiede zwischen grün und blau in seiner Mutter­sprache nahe­zubringen; für beides gibt es nämlich nur ein Wort in Tswana: botala. Umgekehrt hätte der Tswana Schwierig­keiten, mir auf deutsch das Wort sejei zu übersetzen. Es handelt sich um einen Einschnitt im Ohr eines Rindes, der es als Besitz eines bestimmten Eigentümers zu kenn­zeichnet, und zwar um einen keil­förmigen Schnitt von unten her. In Tswana gibt es mehr als zehn ver­schiedene Vokabeln für diverse besitz­anzeigende Ohr-Einschnitte bei Rindern! Wir merken: Solche Kommu­nikations­barrieren kommen daher, dass ver­schiedene Sprachen mit ver­schiedenen Lebens­welten und mit ver­schiedenen Denkungs­arten verbunden sind.

Mit dieser Erkenntnis kehren wir zu den Kommu­nikations­barrieren für das Evangelium zurück. Da finden wir nämlich dieselbe Ursache: Unter­schiede in Lebens­welten und Denkungs­arten! Nur geht es hier nicht um ver­schiedene Völker mit ver­schiedenen Landes­sprachen wie Deutsch und Tswana, sondern es geht hier um geistliche Lebens­welten. Das ist eigentlich das Thema von Paulus im 1. Ko­rinther­brief. Er erkennt: Da gibt es Leute, die leben in der Denkungsart Gottes, und andere, die leben in der Denkungsart der Welt. Er schreibt: „Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott… Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes.“ Der natürliche Mensch, der den Geist der Welt hat, kann sozusagen nur die Sprache „Weltisch“, der Glaubende aber kann „Geistisch“. Damit hier Kommu­nikation stattfinden kann, muss der Heilige Geist als Sprach­lehrer und Dolmetscher tätig werden wie beim ersten Pfinstfest. Die Kommu­nikations­barrieren zwischen Welt und Gott können nicht auf natürliche Weise, sondern nur durch ein Sprachen­wunder überwunden werden – ein Sprachen­wunder, das weiter reicht als ein reines Fremd­sprachen­wunder oder die Sprach­bemühungen von Missionaren und Bibel­übersetzern.

Dieses Sprachen­wunder hat der Heilige Geist an uns getan, und er tut es immer wieder, überall auf der Welt. Er betätigt sich als Dol­metscher: Er tut das Wunder, dass Menschen, die bisher nur auf „Weltisch“ dachten und redeten, plötzlich „Geistisch“ verstehen. Und er betätigt sich als Sprach­lehrer: Er tut auch das Wunder, dass diese Menschen nicht nur „Geistisch“ verstehen, sondern auch selber auf „Geistisch“ zu sprechen beginnen. Und Gottes Kommu­nikations­experte tut noch mehr: Er zieht Welt­menschen hinüber in die Lebenswelt und Denkungsart Gottes. So tut der Heilige Geist das Wunder, dass Welt­menschen nicht nur Gottes Wort verstehen, sondern Gottes Kinder werden, Geist­menschen werden!

Aber was unter­scheidet die „geistische“ Denkungsart von der „weltischen“? Paulus hat es kurz und klar im letzten Satz unseres Predigt­textes aus­gedrückt: „Wir haben Christi Sinn.“ Christi Sinn ist die Denkungsart von Liebe, Friede und guter Gemein­schaft. Christus ist aus Liebe Mensch geworden, um Gott und den Sünder zu versöhnen und damit Frieden zu stiften sowie gute Gemein­schaft zu schaffen zwischen Gott und den Menschen sowie auch zwischen den Menschen unter­einander. Der Sinn, der in unserer Welt vor­herrscht, trachtet dagegen nach Besitz, Macht und äußerem Ansehen. Zwar trifft man da auch Liebens­würdigkeit und Bescheiden­heit an, aber es ist letztlich immer nur Mittel zum Zweck, um die weltlichen Ziele zu erreichen: Besitz, Macht und äußeres Ansehen. Wo der Heilige Geist wirkt und Menschen verwandelt, da ist ihnen das gar nicht mehr wichtig; wichtig wird ihnen hingegen das, was Christi Sinn entspricht: Liebe, Friede und gute Gemein­schaft. Und auch im Hinblick auf den Weg zu besserem Leben unter­scheidet sich die Denkungs­art. Wenn der Weltmensch auf Missstände stößt, denkt er immer sofort: Die andern sind schuld, die andern müssen sich ändern! Der geistliche Mensch aber betet: Herr, ich selbst bin ebenso schuld wie die andern; ich bitte dich, vergib mir und verändere mich zum Guten; ja, fange bei mir an.

„Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläu­bigen!“, so beten wir zu Pfingsten. Wir bitten dabei, dass er zu uns als ein Dolmetscher kommt, der uns Gottes gute Botschaft besser verstehen lässt und uns dabei mit Christi Sinn erfüllt. Und wir bitten dabei zugleich, dass er zu uns als ein Sprach­lehrer kommt, damit wir anderen diese gute Botschaft verständ­lich machen können – nicht nur mit passenden Worten, sondern mit unserm ganzen Lebens­wandel. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2012.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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