Gerechtigkeit, Friede und Freude

Predigt über Römer 14,17‑19 zum 18. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Drei Wörter aus dem Predigttext sollten wir uns besonders gut merken: Gerechtig­keit, Friede und Freude. Diese Wörter beschreiben nämlich, was gute Gemein­schaft ausmacht. Freilich handelt es sich nicht um eine Aufzählung, so wie ein Backrezept ver­schiedene Zutaten aufzählt, damit der Kuchen hinterher schmeckt. Nein, diese drei Dinge gehören vielmehr untrennbar zusammen, sind gewisser­maßen nur ver­schiedene Ansichten ein und derselben Sache: Gerechtig­keit, Friede und Freude.

Ich möchte das an einem Beispiel ver­deutlichen. Wir stellen uns eine Wohn­gemein­schaft vor: Vier junge Leute ziehen zusammen. Nach der ersten Be­geiste­rung stoßen sie auf Probleme. Besonders das gemeinsame Badzimmer macht ihnen Sorgen – es ist nie so sauber und aufgeräumt, wie sie es sich eigentlich wünschen. Wenn sie da nicht schnell eine gerechte Ordnung finden, ist der Unfriede vor­program­miert. Entweder ein oder zwei opfern sich, machen dauernd das Badezimmer sauber und sind am Ende frustriert darüber, dass die anderen so faul sind. Oder niemand tut etwas, und das Badezimmer ist schließlich so dreckig, dass keiner es mehr gern benutzt. Aber so weit lassen es die jungen Leute nicht kommen. Gemeinsam erstellen sie einen Badezimmer-Reinigungs­plan. Jede Woche ist einer für die Reinigung des Bades ver­antwort­lich, und das im Vier-Wochen Rhythmus. Diese Ordnung ist gerecht, und wenn alle sich an sie halten, dann dient das dem Frieden in der Wohn­gemein­schaft. Wenn nun das Zusammen­leben friedlich und geordnet verläuft, dann können sich alle daran freuen. Natürlich bleiben manchmal noch kleine Wünsche offen: Ein Linkshänder unter den Bewohnern stellt den Seifen­spender immer am linken Wasch­becken­rand ab, die anderen wollen ihn aber rechts haben. Wenn alle mit diesem Problem tolerant und großzügig umgehen, braucht das den Frieden jedoch nicht zu stören.

Was für die Wohn­gemein­schaft gilt, das gilt auch für jede andere menschliche Gemein­schaft, egal, wie klein oder groß sie ist. Gerechtig­keit schafft Frieden, Frieden schafft Freude – das gilt auch in der Nachbar­schaft, am Arbeits­platz, in der Schule und sogar in der Welt­politik. Es gilt auch im Reich Gottes. Für das Miteinander von Gott und den Menschen sowie für das Miteinander der Gottes­kinder unter­einander sind diese drei Dinge ganz wichtig: Friede, Gerechtig­keit und Freude. Gott teilt uns durch den Apostel Paulus mit: „Das Reich Gottes ist Gerechtig­keit und Friede und Freude…“ – aber dann macht er noch einen wichtigen Zusatz, den wir nicht übersehen sollten: „… in dem Heiligen Geist.“ Wir wissen: Der Heilige Geist ist Gottes Kontakt­person. Der Heilige Geist übermittelt uns für die Gegenwart, was Jesus vor langer Zeit ein für alle Mal am Kreuz erworben hat: den Frieden mit Gott. Grundlage dafür ist Gottes Gerechtig­keit. Gott muss unsere Sünde gerechter­weise bestrafen. Das Wunberbare ist aber, dass dieses gerechte Gericht nicht uns selber trifft, sondern seinen Sohn. Wie ein Blitz­ableiter nimmt Jesus Gottes Straf­gericht auf sich, sodass wir gerecht und heilig vor Gott dastehen! Diese Recht­fertigung ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Glaubens. Diese Recht­fertigung bewirkt Frieden zwischen Gott und uns. Gott ist uns nicht mehr böse, und wir brauchen kein schlechtes Gewissen mehr vor ihm zu haben. Dieser Friede aber führt zur Freude: Wir freuen uns darüber, dass wir ganz und gar zu Gott gehören und dass das in Ewigkeit so bleiben wird. „Das Reich Gottes ist Gerechtig­keit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.“

Ja, das alles übermittelt uns der Heilige Geist. Er hat das bei unserer Taufe getan, und er fährt fort es zu tun, wann immer wir das Evangelium hören, wann immer er uns die Vergebung der Sünden zuspricht, wann immer wir Leib und Blut Christi im Heiligen Abendmahl empfangen. Ich will es ganz deutlich sagen, weil es an dieser Stelle immer wieder Miss­veständnisse gibt: Die Gerechtig­keit, der Friede und die Freude im Reich Gottes sind nicht Leistungen, durch die Menschen sich selbst zu Christen machen, sondern es sind Gaben des Heiligen Geist, durch die Gott uns zu Christen gemacht hat. Aber wenn wir mit diesen Gaben leben, dann verändern sie uns. Der Heilige Geist gestaltet uns um, sodass wir beginnen, unserer­seits Gerechtig­keit und Frieden zu stiften, damit sich Freude einstellt. Wo immer Christen in der Gemein­schaft mit anderen Menschen aus dem Glauben leben, ist es ihnen wichtig, dass Gerechtig­keit herrscht, also dass jeder zu seinem Recht kommt, gerade auch der Schwächste. Wo immer Christen in der Gemein­schaft mit anderen Menschen aus dem Glauben leben, ist es ihnen wichtig, dass sie Frieden miteinander haben, dass sie einander respek­tieren und Rücksicht aufeinander nehmen. Und wo immer das Christen gelingt, da stellt sich Freude ein – nicht nur die Freude an der Gemein­schaft mit Gott und am ewigen Leben, sondern auch die Freude am gerechten und friedlichen Miteinander in der Gemein­schaft.

Nun leben wir allerdings noch nicht im Himmel, deshalb ist der Friede auch in christ­lichen Gemein­schaften immer wieder gefährdet. Immer wieder kommt es auch in christ­lichen Gemeinden zu Meinungs­verschieden­heiten oder sogar zu handfestem Streit. Das war bei den Christen in Rom nicht anders, an die Paulus ur­sprünglich den Römerbrief gerichtet hatte. Die wesent­lichen Dinge vom Glauben und von Gottes Wort waren den Christen in Rom klar, darüber gab es keinen Streit. Aber sie waren gespalten in der Frage: Dürfen Christen Fleisch essen? Das Fleisch, das man in Rom kaufen konnte, kam aus heidnischen Schlacht­höfen, und die Tiere wurden vorher heidnischen Göttern geweiht. Einige Christen in Rom meinten, das Fleisch ist dann Götzenopfer­fleisch, und wer es verzehrt, der leistet dem Götzen­dienst Vorschub. Andere sagten, sie hätten als Christ die Freiheit, alles zu essen, und brauchten sich keine Gedanken darum zu machen, wo das Fleisch herkommt. Solche ganz konkreten äußerlichen Fragen können ein großes Gewicht bekommen und zu tiefen Zer­würfnissen in der Kirche führen. Vor hundert Jahren meinten viele lutherische Christen, man dürfe nur schwarz gekleidet zum Heiligen Abendmahl gehen, und empörten sich über diejenigen, die das nicht so eng sahen. In heutiger Zeit könnte die Frage kritisch werden, ob christliche Eltern mit ihren Kindern Halloween feiern dürfen. Die einen sehen darin ein harmloses Kostümfest und einen Riesenspaß für die Kinder, die anderen fürchten einen gefährlichen Einfluss von Aber­glauben, von Hexen- und Geister­kult, der den wahren Glauben verdunkelt.

An dieser Stelle wollen wir uns an den Seifen­spender in der Wohn­gemein­schaft erinnern. Es hat für Rechts- und Linkshänder eine gewisse Bedeutung, ob er rechts oder links am Wasch­becken­rand steht, aber die gerechte Putzordnung für das Badezimmer ist damit nicht grund­sätzlich in Frage gestellt. So gibt es auch in der christ­lichen Gemeinde immer wieder Fragen, die Gottes Wort nicht beantwortet und die die Gerechtig­keit in Gottes Reich nicht berühren. Die Theologen haben ein Fachwort für solche Fragen erfunden, es lautet „Adiaphora“. Ein Adiaophoron ist eine An­gelegen­heit, die von Gottes Wort weder geboten noch verboten ist. Der Apostel Paulus zeigt im 14. und 15. Ka­pitel des Römer­briefs, dass es sich bei der Frage nach dem Fleisch­essen um so ein Adiaphoron handelt. Er hütet sich darum davor zu sagen, dass die eine Meinung richtig ist und die andere falsch. Vielmehr machte er den Römern klar: Wir sind in dieser Sache frei. Wer ein schlechtes Gewissen beim Fleisch­essen hat, der lebt eben vege­tarisch, aber er soll nicht diejenigen Mitchristen verachten, die in aller Freiheit Fleisch essen. Und wer Fleisch isst, der soll nicht auf diejenigen herabsehen, die das aus Gewissens­gründen ablehnen, sondern er soll das re­spektieren. Ja mehr noch, er soll dem Nicht-Fleisch­esser nicht Anstoß geben, indem er vor seinen Augen de­monstrativ Fleisch ist. Wer dem Mitchristen so einen Anstoß bereitet, der handelt lieblos, sagt Paulus – und das ist dann kein Adiaphoron mehr! Die Liebe ist vielmehr das höchste und wichtigste Gebot. Denn durch Gottes Liebe sind uns Gerechtig­keit, Friede und Freude geschenkt, und aus dieser Liebe heraus wollen wir ja nun auch die Gemein­schaft mit unseren Mitmenschen leben. Die Liebe könnte einen Rechts­händer der Wohn­gemein­schaft dazu bewegen, den Seifen­spender links hin­zustellen, wenn er weiß, dass als nächstes der Linkshänder das Bad benutzen wird. Die Liebe hat in der Vergangen­heit viele Christen dazu bewegt, mit Rücksicht auf die Mitchristen schwarz gekleidet beim Abendmahl zu erscheinen, auch wenn sie lieber etwas anderes angezogen hätten. Die Liebe kann bewirken, dass man ein paar Kindern den Halloween-Spaß gönnt, auch wenn man das selbst entsetzlich findet. Die Liebe verzichtet anderer­seits darauf, die Halloween-Kritiker als engstirnig und rückständig zu be­schimpfen. Die Liebe konnte damals in Rom manchen Fleisch­liebhaber dazu bringen, mit Rücksicht auf die Mitchristen vegetarisch zu leben. Denn, so schreibt Paulus, „das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtig­keit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohl­gefällig und bei den Menschen geachtet.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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