Jesus ist kein Weißbrot

Predigt über Johannes 6,30‑35 zum 7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Hungrige Menschen brauchen Essen, keine Predigten. Als Jesus einmal lange gepredigt hatte, waren seine Zuhörer hungrig; da hörte er auf zu predigen und gab ihnen zu essen. Fünftausend Männer speiste er mit nur fünf Broten – wir kennen diese Wunder­geschichte, und wir haben sie auch gerade heute wieder als Evangeliums­lesung gehört. Was waren das für Brote? Eins steht fest: Es handelte sich nicht um ameri­kanisches Weißbrot. Kennt ihr ameri­kanisches Weißbrot? Ameri­kanisches Weißbrot ist ganz leicht, etwa so wie Schaum­gummi; da wird ganz viel Luft mit ein­gebacken. Von ameri­kanischem Weißbrot kann man fast endlos essen und wird doch nicht satt – es sei denn, man belegt es mit etwas Nahrhaftem. Die Brote, die Jesus damals verteilte, waren keine Weißbrote, sondern es waren Brotfladen aus Gersten­mehl. Gerstenbrot ist nahrhaft und gesund; das weiß heute jeder Ernährungs­bewusste. Außerdem sorgte Jesus auch für die wichtigen Proteine: Er reichte Fisch zum Brot. Ja, Hungrige Menschen brauchen keine Predigten, sie brauchen nahrhaftes und gesundes Essen. Jesus handelte entsprechend.

Jesus hat damit ein Vorbild gegeben für das diakonische Handeln der Kirche. Schon von Anfang an wusste die Christenheit: Hungrige Menschen brauchen Essen, nicht Predigten. Es wäre falsch, ihnen nur das Evangelium zu predigen und dann zu sagen: Nun seht selber zu, wie ihr satt werdet! Im Jakobus­brief heißt es: „Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen?“ (Jak. 2,15‑16). Nein, die Diakonie gehört un­zertrennlich mit der Mission zusammen, und in Notsituationen hat sie manchmal sogar Vorfahrt. Wir wären schlechte Christen, wenn wir nur für die Evangeliums­verkündigung Geld spendeten und für die Hungernden in Ostafrika nichts übrig hätten.

Ja, hungrige Menschen wollen essen und nicht Predigten hören – aber viele satte Menschen wollen ebenfalls keine Predigten hören! Heißt das, predigen ist über­flüssig? Keineswegs! Mit einer nahrhaften Mahlzeit hat der Mensch noch längst nicht alles, was er braucht. Die leiblichen Bedürfnisse sind nicht das wichtigste im Leben; es ist keineswegs alles in Ordnung, wenn allein für den Leib gesorgt ist. Darum hat Jesus es nicht bei dem Brotwunder bewenden lassen, sondern am Tag danach eine lange Predigt gehalten – oder eigentlich ein langes Gespräch geführt über Gott und sich selbst. Im Johannes­evangelium ist das Brotwunder am Anfang des 6. Ka­pitels in 15 Versen berichtet; die Brotrede am nächsten Tag aber ist in den darauf folgenden stattlichen 44 Versen doku­mentiert! Unser Predigttext ist ein Ausschnitt aus dieser sogenannten „Brotrede“. Darin beantwortet Jesus die Frage, was der Mensch noch braucht (außer dem täglichen Brot) und was ihn wirklich satt macht.

Der Ausschnitt aus dem Gespräch, den wir hier betrachten, beginnt mit einer Frage der Juden. Sie fragten Jesus: „Was tust du für ein Zeichen, damit wir sehen und dir glauben?“ Sie wollten ein Wunder erleben als Beweis dafür, dass Jesus ein echter Prophet ist. Das entsprach ganz der damaligen Auffassung: Ein Prophet ist nur dann glaub­würdig, wenn er seine Macht mit einem Wunder­zeichen beweist. Der Apostel Paulus hat darum auch im 1. Ko­rinther­brief ge­schrieben: „Die Juden fordern Zeichen…“ (1. Kor. 1,22). Aber hatten sie denn schon vergessen, was am Tag vorher passiert war – die Speisung der 5000? Oder war ihnen dieses Wunder nicht groß genug gewesen? Fast scheint es so, denn sie sagten: „Unsre Väter haben in der Wüste das Manna ge­gessen…“ Das Manna war besonders wohl­schmeckendes Brot, das Gott einst durch den Propheten Mose den Israeliten hatte vom Himmel regnen lassen. Wollten die Juden, dass Jesus dieses Wunder nun wiederholt und sich dadurch als Gottes Sohn ausweist?

Jesus antwortete feierlich: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.“ Damit sagte Jesus: Damals handelte Gott durch Mose, jetzt ist Gott selbst am Werk. Damals gab es Manna, jetzt gibt es wahres Brot. Was Jesus mit „wahrem Brot“ meint, das hat er später in dem Gespräch erklärt. Er sagte: „Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist…“ (Joh. 6,49‑50) Ja, Jesus redet hier von sich selbst, und zwar in doppelter Hinsicht: Er selbst ist der göttliche Brotgeber, der Sohn Gottes, nicht einfach nur ein mensch­licher Prophet wie Mose. Und er selbst ist zugleich auch das Brot, das vom Himmel gekommen ist. Er ist das Brot, das Menschen am Leben erhält – nicht nur einen Tag lang ‚ nicht nur vierzig oder achtzig Jahre lang, sondern in Ewigkeit! Wer von Jesus isst, dem Brot des Lebens, der wird keinen Hunger mehr bekommen. Wer an Jesus glaubt, den Sohn Gottes, der wird nicht sterben; jedenfalls nicht endgültig. Jesus ist kein Weißbrot – er ähnelt nicht jenen ameri­kanischen Schaum­gummi-Broten, die kaum satt machen. Jesus, das Brot des Lebens, ist gesund und sättigend – grund­sätzlich und für die Ewigkeit!

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, normaler­weise ist der Mensch un­ersättlich. Auch wenn er etwas Gutes isst, bekommt er doch irgendwann wieder Hunger und muss erneut essen. Der leibliche Hunger lässt sich nicht dauerhaft stillen, und dasselbe gilt auch für manchen anderen Hunger. Die Erfahrung lehrt zum Beispiel: Wer viel Geld bekommt, sagt nicht: „Jetzt habe ich genug!“, sondern er hat Hunger nach immer noch mehr Geld. Stets ist der Mensch auf der Suche nach Mehr, auf der Suche nach Besserem. Es scheint so, als ob alle Dinge, die der Mensch begehrt, dem ameri­kanischen Weißbrot ähneln: Sie machen nicht wirklich satt, denn der Mensch will immer mehr haben. Die einzige Ausnahme ist Jesus. Er ist kein Weißbrot, sondern er ist das Brot des Lebens. Wer an Jesus glaubt, der weiß: Mit Jesus habe ich alles, was ich brauche; es reicht zum Leben und zum Sterben und für die ewige Seligkeit. Er sagte von sich selbst: „Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.“

Die Hörer damals verstanden diese Worte falsch. Sie erwiderten: „Herr, gib uns allezeit solches Brot.“ Sie meinten, Jesus könnte ihnen Zauberbrot geben, das nie alle wird. Sie dachten, Jesus lädt sie jetzt ins Schlaraffen­land ein. Sie hofften, er würde sie nun für immer ernähren; sie bräuchten sich um nichts mehr selbst zu kümmern. Dieses Miss­verständnis gibt es ja noch heute: dass Menschen meinen, Jesus würde ihnen alles geben, was sie sich wünschen, und er würde alles Leidvolle von ihnen fernhalten.

Da sagte Jesus ganz deutlich: „Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“ Das ist eines der berühmten Ich-bin-Worte des Herrn; er hat ja zum Beispiel auch gesagt: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh. 8,12); „Ich bin der gute Hirte“ (Joh. 10,11); „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh. 11,25). Mit diesem betonten „Ich bin“ machte er deutlich, dass er Gottes Sohn ist, der wahre Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, denn Gottes Name lautet ja übersetzt: „Ich bin, der ich bin“ (2. Mose 3,14). In Jesus kommt der wahre Gott vom Himmel und macht sich zum Brot des Lebens, damit jeder, der an ihn glaubt, auf ewig am Leben bleibt!

Das ist mehr als das von den damaligen Hörern erwartete Zauberbrot, das ist eigentlich etwas ganz anderes. Aber es ist auch mehr als ein bloßes Gleichnis. Achten wir genau auf Jesu Worte! Er sagte nicht nur: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern“, sondern er sagte auch: „Wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“! Er redet nicht nur vom Essen des Brotes, sondern auch vom Trinken des – ja, von was eigentlich? Wir wissen es: Er redet vom Trinken des Weines. Des Weines, der eigentlich sein Blut ist, am Kreuz vergossen als Blut des neuen Bundes zur Vergebung der Sünden. Ebenso ist das Brot sein Leib, für uns dahin­gegeben in den Tod. Nein, das ist kein Gleichnis, sondern das ist das Sakrament des Altars, das Heilige Abendmahl! Im weiteren Verlauf seiner Brotrede hat Jesus es mehrfach wiederholt und ist dabei immer deutlicher geworden. So sagte er am Schluss: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auf­erwecken“ (Joh. 6,54).

Es geht hier nicht um Zauberbrot, das uns alles Mühen um das tägliche Brot abnimmt. Es geht vielmehr darum, dass Jesus mit seinem Leib und Blut noch heute zu uns kommt durch die Kraft des Heiligen Geist. Es geht darum, dass er uns auf diese Weise von Sünden reinigt, heilig macht und Glauben schenkt. Lassen wir ihn nur machen! Wir können gewiss sein: So wird alles gut; so kriegen wir letztlich alles, was wir brauchen – für Zeit und Ewigkeit. Denn Jesus ist kein Weißbrot, das uns hungrig lässt, sondern er ist das Brot des Lebens. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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