Glaubenshindernisse

Predigt über Johannes 5,41‑47 zum 1. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Darf ein Pastor in seiner Predigt kriti­sieren? Nicht nur Gottlose, sondern auch Fromme? Darf er ihnen den Glauben absprechen? Jesus hat es getan.

Jesus hatte einen Kranken geheilt. Vielen frommen Menschen passte das nicht. Sie fanden, dass er damit die Feiertagsruhe gebrochen hatte. Vor allem nahmen sie ihm übel, dass er sagte: Ich bin Gottes Sohn. Da begann Jesus zu diesen Menschen zu predigen. Die Worte, die wir eben gehört haben, sind Teil dieser Predigt. Er sprach ihnen den Glauben ab. Er warf ihnen vor, dass sie Gott nicht richtig lieb haben. Er sagte: „Ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt.“ Zu anderen Gelegen­heiten hat er sogar den Glauben seiner Jünger kritisiert und sie „klein­gläubig“ genannt.

Jesus tat das nicht, um die Menschen vor den Kopf zu stoßen. Jesus möchte mit seiner Glaubens­kritik vielmehr bewirken, dass sie sich ändern. Bereits mit seiner allerersten Predigt hatte er schon zur Buße aufgerufen – zur Umkehr, zur Ver­änderung. Jesus kritisierte den Mangel an Glauben und Gottes­liebe, weil er wollte, dass die Menschen von ihren falschen Wegen umkehren und genau dies lernen: glauben und Gott lieben. Dazu benannte er in seiner Predigt vier Glaubens­hindernisse, die seinen Hörern den Weg zum rechten Glauben ver­stellten. Auch uns Heutigen benennt er diese vier Glaubens­hindernisse, und auch uns will er damit zu rechtem Glauben anleiten. So bitte ich euch in seinem Namen: Prüft euch, ob etwas von diesen Glaubens­hindernissen bei euch vorhanden ist, und bittet Gott darum, diese Hindernisse zu beseitigen.

Das erste Glaubens­hindernis ist der Argwohn. Die damaligen Frommen waren arg­wöhnisch. Sie dachten: Der ist wohl über­geschnappt, dieser Zimmermann aus Nazareth! Kommt daher und gibt groß damit an, dass er Gottes Sohn ist! Er will wohl, dass wir vor ihm nieder­fallen und ihm die Füße küssen; er möchte geehrt und bewundert werden. Jesus wies diesen Argwohn weit von sich. Er sagte: „Ich nehme nicht Ehre von Menschen.“

Noch heute hindert ein ähnlicher Argwohn viele Menschen daran, richtig an Jesus zu glauben. Sogar unter Theologen wird bezweifelt, dass er wirklich Gottes ein­geborener Sohn ist, wahrer Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Man argwöhnt, das hätten ihm die Christen erst nach­träglich an­gedichtet. Und wenn wir als lutherische Bekenntnis­kirche klar lehren und bezeugen, was Jesus selbst und seine Apostel bezeugt haben, dann wird uns das oft als dogmatische Engstirnig­keit an­gekreidet. Eine Kirche, die klar sagt, was richtig ist und was falsch, macht in der heutigen Zeit einen eng­stirnigen und in­toleranten Eindruck. Lassen wir uns von diesem Zeitgeist bloß nicht anstecken! Werfen wir solchen schädlichen Argwohn über Bord! Verlassen wir uns lieber auf das, was Jesus und die Apostel und die recht­gläubige Kirche aller Zeiten gelehrt haben und immer noch lehren. Denn damit sucht die Kirche nicht ihre eigene Ehre, sondern, wie Jesus, allein die Ehre des himmlischen Vaters.

Das zweite Glaubens­hindernis ist die Verführung. Zu Jesu Zeiten gab es berühmte Juden, die mit ihrer Frömmigkeit und ihrem Eifer die Menschen mächtig be­eindruckten. In der Bergpredigt hat Jesus ge­schildert, wie sie de­monstra­tiv an den Straßen­ecken beteten, damit jeder sie bewunderte. Auch durch Fasten und andere fromme Übungen verführten sie die Menschen zu der Meinung, Glaube müsse sich in be­eindrucken­den Taten und Leistungen äußern. Jesus entlarvte solche Verführung mit den Worten: „Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen.“

Noch heute gibt es fromme Verführer, die letztlich ihre eigene Ehre suchen, nicht Gottes Ehre. Einige von ihnen wollen uns vor­schreiben, was man von der aktuellen Energie­politik zu halten hat und vom Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Andere brüsten sich mit Wunder­taten. Wieder andere behaupten, nur der sei ein guter Christ, der sich für be­nachteiligte Mitmenschen engagiert. Wahrer Glaube dagegen blickt allein auf Gottes Ehre und darauf, dass der eingeborene Sohn uns mit dem Vater im Himmel versöhnt hat. Aus dieser un­verdienten Gemein­schaft mit Gott fließt dann die Liebe in allen Varianten eines christ­lichen Lebens – ganz un­spektakulär, ohne sich auf bestimmte Verhaltens­weisen einengen oder verführen zu lassen. Der wahre Glaube will nicht bestimmten Menschen gefallen, sondern allein dem Vater im Himmel.

Das dritte Glaubens­hindernis ist die Ehrsucht. Sie ist das Gegenstück zur Verführung: Bei der Verführung lässt man sich dazu hinreißen, einen Menschen zu ehren statt Gott; bei der Ehrsucht sucht man die Ehre für sich selbst. Ehrsucht war das, was die damaligen Frommen Jesus zu Unrecht vorwarfen und was doch in Wahrheit ihr eigenes Problem war. Jesus fragte sie: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?“

Die Ehrsucht ist etwas zutiefst Mensch­liches; in biblischer Ausdrucks­weise könnte man sagen: etwas Fleisch­liches. Jeder will von anderen geliebt sein, jeder will anerkannt oder gar bewundert werden. Jeder vermeidet es möglichst, sich zu blamieren oder in irgend­welche Fett­näpfchen zu treten. Ja, unsere eigene Ehre ist uns viel wert! Grund­sätzlich ist das nicht verkehrt. Wehe aber, wenn uns die eigene Ehre zum höchsten Gut wird! Wehe uns, wenn sie uns wichtiger wird als Gottes Ehre! Dann kann auch für uns die Ehrsucht zum Glaubens­hindernis werden. Jesus selbst hat es aus­gehalten, dass man ihn be­schimpfte, ver­spottete, verachtete und verfolgte. Er vertraute darauf: Wenn das nötig ist, um den Willen des Vaters zu erfüllen, dann will ich es gern demütig erleiden. Ja, so spricht der rechte Glaube, wenn das Hindernis der Ehrsucht überwunden ist. Ich vertraue darauf, dass ich in Gottes Augen ganz wertvoll bin; das hat er mir durch Jesus ja gezeigt und in der Taufe zu­gesprochen; das ist das Wichtigste. Wenn Menschen mich deswegen komisch ansehen, verachten, verspotten oder be­schimpfen, dann will ich das Gott zur Ehre ertragen. Ich weiß ja: Dieses Kreuz gehört zur Nachfolge dazu, wenn ich ein Jünger Jesu bin. Mein Selbstwert­gefühl hängt nicht davon ab, was andere von mir denken, mein Selbstwert­gefühl macht sich vielmehr daran fest, dass ich Gottes geliebtes Kind bin, um Jesu willen in Gnaden von ihm angenommen.

Das vierte Glaubens­hindernis ist das Misstrauen. Genauer: Das Misstrauen Gottes Wort gegenüber. Die jüdischen Zeit­genossen Jesu hatten Gottes Wort bereits in schrift­licher Form. Sie hielten die Schriften des Alten Testaments auch in hohen Ehren – und misstrauten ihnen dennoch! Sie nahmen nicht wirklich ernst, was Mose und die anderen Propheten da im Namen des Herrn auf­geschrieben hatten. Wenn sie es gründlich gelesen und ernst genommen hätten, dann hätten sie erkennen müssen, dass Jesus wirklich der ver­sprochene Erlöser ist, der Sohn Gottes. Wenn sie nicht so miss­trauisch gewesen wären, dann hätten sie an ihn glauben müssen. So aber stand ihnen Gottes Wort im Alten Testament als Anklage gegenüber. Jesus sagte: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde; es ist einer, der euch verklagt: Mose, auf den ihr hofft. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir ge­schrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“

Solches Misstrauen gibt es bis heute. Viele Leute haben zwar eine gute Meinung von Jesus und der Bibel, aber sie glauben den Worten nicht wirklich. Seit über hundert Jahren übt sich die Mehrzahl der Theologen in der zweifel­haften Kunst, den Wortlaut der Bibel mit großer Gelehrsam­keit zu hinter­fragen und vieles in ihr mytho­logisch umzudeuten. Aber auch Nicht­theologen sind von diesem Glaubens­hindernis bedroht. Wie oft erlebe ich es als Pastor, dass ich jemandem ausführlich mit der Bibel Gottes Willen darlege, aber er nimmt es nicht an. Nicht, dass er die Bibel besser auslegen könnte oder dass er sie verwirft. Nein, aber er vertraut einfach nicht, dass man genau so glauben und leben soll, wie es da steht. Der rechte christliche Glaube hingegen lebt von Gottes Wort: Da ist die Quelle des Heils, und da ist auch guter Rat für gutes Leben.

Liebe Brüder und Schwestern in Christus: Weg mit den Glaubens­hindernis­sen, die sich zwischen uns und unsern Heiland stellen wollen! Weg mit dem Argwohn, der Verführung, der Ehrsucht und dem Misstrauen! Allein schaffen wir das freilich nicht, dazu sind diese Hindernisse zu groß und zu schwer. Bitten wir aber Gott, dass er sie für uns beseitigt! Lassen wir uns von ihm einen Neuanfang schenken – einen Neuanfang ohne Glaubens­hindernisse, im rechten Glauben an den Herrn Jesus Christus, Gottes ein­geborenen Sohn! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2011.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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