Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Darf ein Pastor in seiner Predigt kritisieren? Nicht nur Gottlose, sondern auch Fromme? Darf er ihnen den Glauben absprechen? Jesus hat es getan.
Jesus hatte einen Kranken geheilt. Vielen frommen Menschen passte das nicht. Sie fanden, dass er damit die Feiertagsruhe gebrochen hatte. Vor allem nahmen sie ihm übel, dass er sagte: Ich bin Gottes Sohn. Da begann Jesus zu diesen Menschen zu predigen. Die Worte, die wir eben gehört haben, sind Teil dieser Predigt. Er sprach ihnen den Glauben ab. Er warf ihnen vor, dass sie Gott nicht richtig lieb haben. Er sagte: „Ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt.“ Zu anderen Gelegenheiten hat er sogar den Glauben seiner Jünger kritisiert und sie „kleingläubig“ genannt.
Jesus tat das nicht, um die Menschen vor den Kopf zu stoßen. Jesus möchte mit seiner Glaubenskritik vielmehr bewirken, dass sie sich ändern. Bereits mit seiner allerersten Predigt hatte er schon zur Buße aufgerufen – zur Umkehr, zur Veränderung. Jesus kritisierte den Mangel an Glauben und Gottesliebe, weil er wollte, dass die Menschen von ihren falschen Wegen umkehren und genau dies lernen: glauben und Gott lieben. Dazu benannte er in seiner Predigt vier Glaubenshindernisse, die seinen Hörern den Weg zum rechten Glauben verstellten. Auch uns Heutigen benennt er diese vier Glaubenshindernisse, und auch uns will er damit zu rechtem Glauben anleiten. So bitte ich euch in seinem Namen: Prüft euch, ob etwas von diesen Glaubenshindernissen bei euch vorhanden ist, und bittet Gott darum, diese Hindernisse zu beseitigen.
Das erste Glaubenshindernis ist der Argwohn. Die damaligen Frommen waren argwöhnisch. Sie dachten: Der ist wohl übergeschnappt, dieser Zimmermann aus Nazareth! Kommt daher und gibt groß damit an, dass er Gottes Sohn ist! Er will wohl, dass wir vor ihm niederfallen und ihm die Füße küssen; er möchte geehrt und bewundert werden. Jesus wies diesen Argwohn weit von sich. Er sagte: „Ich nehme nicht Ehre von Menschen.“
Noch heute hindert ein ähnlicher Argwohn viele Menschen daran, richtig an Jesus zu glauben. Sogar unter Theologen wird bezweifelt, dass er wirklich Gottes eingeborener Sohn ist, wahrer Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Man argwöhnt, das hätten ihm die Christen erst nachträglich angedichtet. Und wenn wir als lutherische Bekenntniskirche klar lehren und bezeugen, was Jesus selbst und seine Apostel bezeugt haben, dann wird uns das oft als dogmatische Engstirnigkeit angekreidet. Eine Kirche, die klar sagt, was richtig ist und was falsch, macht in der heutigen Zeit einen engstirnigen und intoleranten Eindruck. Lassen wir uns von diesem Zeitgeist bloß nicht anstecken! Werfen wir solchen schädlichen Argwohn über Bord! Verlassen wir uns lieber auf das, was Jesus und die Apostel und die rechtgläubige Kirche aller Zeiten gelehrt haben und immer noch lehren. Denn damit sucht die Kirche nicht ihre eigene Ehre, sondern, wie Jesus, allein die Ehre des himmlischen Vaters.
Das zweite Glaubenshindernis ist die Verführung. Zu Jesu Zeiten gab es berühmte Juden, die mit ihrer Frömmigkeit und ihrem Eifer die Menschen mächtig beeindruckten. In der Bergpredigt hat Jesus geschildert, wie sie demonstrativ an den Straßenecken beteten, damit jeder sie bewunderte. Auch durch Fasten und andere fromme Übungen verführten sie die Menschen zu der Meinung, Glaube müsse sich in beeindruckenden Taten und Leistungen äußern. Jesus entlarvte solche Verführung mit den Worten: „Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet ihr annehmen.“
Noch heute gibt es fromme Verführer, die letztlich ihre eigene Ehre suchen, nicht Gottes Ehre. Einige von ihnen wollen uns vorschreiben, was man von der aktuellen Energiepolitik zu halten hat und vom Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Andere brüsten sich mit Wundertaten. Wieder andere behaupten, nur der sei ein guter Christ, der sich für benachteiligte Mitmenschen engagiert. Wahrer Glaube dagegen blickt allein auf Gottes Ehre und darauf, dass der eingeborene Sohn uns mit dem Vater im Himmel versöhnt hat. Aus dieser unverdienten Gemeinschaft mit Gott fließt dann die Liebe in allen Varianten eines christlichen Lebens – ganz unspektakulär, ohne sich auf bestimmte Verhaltensweisen einengen oder verführen zu lassen. Der wahre Glaube will nicht bestimmten Menschen gefallen, sondern allein dem Vater im Himmel.
Das dritte Glaubenshindernis ist die Ehrsucht. Sie ist das Gegenstück zur Verführung: Bei der Verführung lässt man sich dazu hinreißen, einen Menschen zu ehren statt Gott; bei der Ehrsucht sucht man die Ehre für sich selbst. Ehrsucht war das, was die damaligen Frommen Jesus zu Unrecht vorwarfen und was doch in Wahrheit ihr eigenes Problem war. Jesus fragte sie: „Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?“
Die Ehrsucht ist etwas zutiefst Menschliches; in biblischer Ausdrucksweise könnte man sagen: etwas Fleischliches. Jeder will von anderen geliebt sein, jeder will anerkannt oder gar bewundert werden. Jeder vermeidet es möglichst, sich zu blamieren oder in irgendwelche Fettnäpfchen zu treten. Ja, unsere eigene Ehre ist uns viel wert! Grundsätzlich ist das nicht verkehrt. Wehe aber, wenn uns die eigene Ehre zum höchsten Gut wird! Wehe uns, wenn sie uns wichtiger wird als Gottes Ehre! Dann kann auch für uns die Ehrsucht zum Glaubenshindernis werden. Jesus selbst hat es ausgehalten, dass man ihn beschimpfte, verspottete, verachtete und verfolgte. Er vertraute darauf: Wenn das nötig ist, um den Willen des Vaters zu erfüllen, dann will ich es gern demütig erleiden. Ja, so spricht der rechte Glaube, wenn das Hindernis der Ehrsucht überwunden ist. Ich vertraue darauf, dass ich in Gottes Augen ganz wertvoll bin; das hat er mir durch Jesus ja gezeigt und in der Taufe zugesprochen; das ist das Wichtigste. Wenn Menschen mich deswegen komisch ansehen, verachten, verspotten oder beschimpfen, dann will ich das Gott zur Ehre ertragen. Ich weiß ja: Dieses Kreuz gehört zur Nachfolge dazu, wenn ich ein Jünger Jesu bin. Mein Selbstwertgefühl hängt nicht davon ab, was andere von mir denken, mein Selbstwertgefühl macht sich vielmehr daran fest, dass ich Gottes geliebtes Kind bin, um Jesu willen in Gnaden von ihm angenommen.
Das vierte Glaubenshindernis ist das Misstrauen. Genauer: Das Misstrauen Gottes Wort gegenüber. Die jüdischen Zeitgenossen Jesu hatten Gottes Wort bereits in schriftlicher Form. Sie hielten die Schriften des Alten Testaments auch in hohen Ehren – und misstrauten ihnen dennoch! Sie nahmen nicht wirklich ernst, was Mose und die anderen Propheten da im Namen des Herrn aufgeschrieben hatten. Wenn sie es gründlich gelesen und ernst genommen hätten, dann hätten sie erkennen müssen, dass Jesus wirklich der versprochene Erlöser ist, der Sohn Gottes. Wenn sie nicht so misstrauisch gewesen wären, dann hätten sie an ihn glauben müssen. So aber stand ihnen Gottes Wort im Alten Testament als Anklage gegenüber. Jesus sagte: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde; es ist einer, der euch verklagt: Mose, auf den ihr hofft. Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glauben?“
Solches Misstrauen gibt es bis heute. Viele Leute haben zwar eine gute Meinung von Jesus und der Bibel, aber sie glauben den Worten nicht wirklich. Seit über hundert Jahren übt sich die Mehrzahl der Theologen in der zweifelhaften Kunst, den Wortlaut der Bibel mit großer Gelehrsamkeit zu hinterfragen und vieles in ihr mythologisch umzudeuten. Aber auch Nichttheologen sind von diesem Glaubenshindernis bedroht. Wie oft erlebe ich es als Pastor, dass ich jemandem ausführlich mit der Bibel Gottes Willen darlege, aber er nimmt es nicht an. Nicht, dass er die Bibel besser auslegen könnte oder dass er sie verwirft. Nein, aber er vertraut einfach nicht, dass man genau so glauben und leben soll, wie es da steht. Der rechte christliche Glaube hingegen lebt von Gottes Wort: Da ist die Quelle des Heils, und da ist auch guter Rat für gutes Leben.
Liebe Brüder und Schwestern in Christus: Weg mit den Glaubenshindernissen, die sich zwischen uns und unsern Heiland stellen wollen! Weg mit dem Argwohn, der Verführung, der Ehrsucht und dem Misstrauen! Allein schaffen wir das freilich nicht, dazu sind diese Hindernisse zu groß und zu schwer. Bitten wir aber Gott, dass er sie für uns beseitigt! Lassen wir uns von ihm einen Neuanfang schenken – einen Neuanfang ohne Glaubenshindernisse, im rechten Glauben an den Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn! Amen.
PREDIGTKASTEN |