Glied sein am Leib Christi

Predigt über Römer 12,4‑8 zum 1. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn ein Arbeit-Suchender nach hunderten von Absagen endlich eine gute und feste Anstellung bekommt, dann ist die Freude groß. Er wird dann aufgenommen in ein Team von Mit­arbeitern und darf in dieser Gemein­schaft nun endlich wieder das tun, was er kann.

Auch Gott stellt Leute an. Er fügt sie ein in die Gemein­schaft seines Volkes; da können sie dann ihre Gaben und Fähigkeiten entfalten. Wenn Gott jemanden anstellt, dann heißt das in der Bibel: Er wird „gesalbt“. Auch seinen ein­geborenen Sohn hat Gott angestellt, nachdem er ihn in die Welt schickte, und hat ihn dazu gesalbt, dass er die Welt erlöst. Darum ist Jesus „der Gesalbte“ schlechthin – der Messias, der Christus. Seine Salbung hat er empfangen, als Johannes ihn im Jordan taufte; wir haben in der heutigen Evangeliums­lesung davon gehört. Da hat Gott Jesus angestellt, dass er mit Wort und Tat Gottes Reich verkündigen und den schweren Weg ans Kreuz gehen soll. So kam es, dass unsere Sünden gesühnt wurden und wir seit unserer eigenen Taufe zu Gottes Reich gehören. Das bedeutet nicht nur, dass wir nun Gottes Kinder und Erben des ewigen Lebens sind, es bedeutet auch, dass wir selbst „gesalbt“ sind, dass wir also angestellt sind im Team von Gottes Volk, um uns tätig ein­zubringen. Davon handelt der Abschnitt aus dem Römerbrief, den wir eben gehört haben. Beides, die Verbunden­heit mit Jesus in Gottes Reich und die göttliche Anstellung werden da mit dem wunderbaren Bild vom Leib Christi anschaulich gemacht: „Wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus.“ Das soll unsere größte Freude sein, viel größer als die Freude eines Arbeit-Suchenden über den neuen Arbeits­platz!

Ich möchte dieses wunderbare Bild vom Leib Christi für euch jetzt ein wenig ausmalen. Wir können dabei zugleich staunen lernen über unseren mensch­lichen Leib. Der hat ja ganz viele Teile und Organe, die alle zusammen­arbeiten und dabei bewirken, dass der ganze Leib mit all seinen Gliedern leben kann. Mit anderen Worten: Alle Körperteile mit ihren je eigenen Funktionen tun etwas für den ganzen Leib und leben zugleich davon, dass sie mit dem Leib verbunden sind.

Stell dir vor, deine Augen sehen ein leckeres Brötchen mit Schinken vor dir auf dem Tisch. Deine Ohren hören eine liebe Stimme: Das ist für dich! Deine Nase nimmt den herrlichen Geruch von Räucher­schinken auf. Dein Magen signali­siert dir: Ich bin leer, ich brauche Nahrung zum Verdauen! Dein Gehirn verarbeitet die Botschaften von Augen, Ohren, Nase und Magen, dann gibt es deinen Beinen den Befehl: Geh zum Tisch! Und Armen und Händen befiehlt das Gehirn: Ergreift das Brötchen! Die Hand gehorcht und wird von den Augen zielsicher zum Schinken­brötchen geleitet. Nun tritt auch der Mund in Aktion und öffnet sich weit. Unterkiefer und Zähne bilden ein praktisches Werkzeug, um einen mund­gerechten Bissen ab­zutrennen. Dann tun die Kaumuskeln ihr Werk, wobei die Zunge den Bissen im Mund hin- und herschiebt, damit er gründlich zerkleinert wird. Jetzt übernimmt die Speiseröhre die Nahrung, wobei ein sinnreicher Reflex-Mechanismus im Rachen dafür sorgt, dass kein Krümelchen in die Luftröhre kommt. Das zerkaute Schinken­brötchen wandert in deinen Magen. Leber und Gallenblase haben sich für diesen Moment vor­bereitet: Die Leber hat Gallen­flüssigkeit produziert und damit die Gallenblase befüllt; diese spritzt die Galle nun in den Magen. Dort hilft der Gallensaft beim Verdauen – besonders beim Verdauen des Fettrands vom Räucher­schinken. Auch die Magensäure trägt ihren Teil zur Verdauung bei. Nach einer Weile wird der Speisebrei an den Darm weiter­geleitet, wo er noch eine etwa acht Meter lange Reise durch den Körper vor sich hat. Da kommt das Brötchen dann mit immerhin 400 Quadrat­metern Darm-Innenfläche in Berührung, wobei ihm all die guten Nährstoffe und Vitamine entzogen und ins Blut überführt werden. Der Schließ­muskel am Ende des Darms sorgt dafür, dass der un­brauchbare Rest erst zu einem geeigneten Zeitpunkt den Körper verlässt. Das Blut aber trans­portiert die guten Stoffe aus dem Brötchen bis hin zur letzten lebendigen Zelle des Körpers. Dafür sorgt dein Herz, eine äußerst leistungs­fähige Blutpumpe. Unterwegs wird das Blut in den Lungen mit Sauerstoff an­gereichert und in den Nieren von Schad­stoffen gereinigt. So kommt schließlich gesundes Blut mit Nähr­stoffen, Vitaminen und Sauerstoff zu allen Gliedern und Organen deines Körpers – und alle haben ihren Beitrag dazu geleistet: Augen, Ohren, Nase, Magen, Gehirn, Beine, Arme, Mund, Zähne, Kaumuskeln, Speise­röhre, Leber, Gallen­blase, Darm, Herz, Lungen und Nieren. Dass das aber geschehen kann, das hast du Gott zu verdanken, der dich als ein solches Wunderwerk geschaffen hat!

So, und nun wenden wir unsere Gedanken wieder dem Leib Christi zu, der christ­lichen Kirche, und nehmen das Wunderwerk des mensch­lichen Körpers als Illustra­tion dafür: „Wie wir an einem Leibe viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele eine Leib in Christus, aber unter­einander ist einer des andern Glied, und haben ver­schiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist.“

Auch hier ist es Gott, der dieses Wunderwerk geschaffen hat und erhält – sogar in Ewigkeit erhält, anders als bei unserem tod­geweihten Körper. Seinen ein­geborenen Sohn hat er dazu gesalbt und eingesetzt, das Haupt dieses Leibes zu sein: der Kopf, das Gehirn, das zentrale Steuer­organ. Nur Glieder des Leibes, die mit ihm verbunden sind, können leben; abgetrennt von ihm sind sie tot. Christus ist es auch, der dem ganzen Leib seinen Namen gibt, darum heißen alle Glieder am Leib Christi „Christen“. Sie leben dadurch, dass sie laufend mit den Gnaden­mitteln versorgt werden, so wie alle lebendigen Zellen des Körpers über den Blut­kreislauf mit Sauerstoff, Nährstoffen und Vitaminen versorgt werden. Die geistlichen Nährstoffe im Leib Christi sind das Wort Gottes, besonders das Evangelium mit seinem Zuspruch der Sünden­vergebung, sowie auch Leib und Blut Christi im Heiligen Abendmahl. Wer ein lebendiges Glied am Leib Christi bleiben und selig werden will, der braucht diese geistlichen Nährstoffe nötiger als das tägliche Brot, und der empfängt sie in Gemein­schaft mit den anderen Gliedern im christ­lichen Gottes­dienst. Darum heißt es auch vorbildlich von der Jerusalemer Urgemeinde: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemein­schaft und im Brotbrechen und im Gebet“ (Apostel­gesch. 2,42).

Wie nun alle Glieder von dieser Gemein­schaft in Christus leben, so sind auch alle Glieder von Gott angestellt und gesalbt, mit ihren jeweiligen Gaben zum Leben des gesamten Leibes bei­zutragen. Da gibt es Glieder, die aus der Bibel vorlesen und den Gottes­dienst mit­gestalten. Sie dienen am Leib Christi, indem sie direkt bei der Verteilung der geistlichen Nahrung mitwirken. Im Römerbrief ist der Ver­kündigungs­dienst mit dem für uns etwas ungewohnten Begriff „pro­phetische Rede“ um­schrieben: „Ist jemand pro­phetische Rede gegeben, so übe er sie dem Glauben gemäß.“ Einige leiten die Gemeinde durch Predigt und Sakraments­verwaltung; das ist das von Christus einsetzte Hirtenamt; das ist mein Dienst in eurer Mitte. Ähnlich wie der Herzmuskel das Blut bis in die hintersten Zellen pumpt, so ist es meine Ver­antwortung als Pastor, dass Gottes Wort und Sakrament alle Gemeinde­glieder erreicht. Vom Hirtenamt und von anderen Ämtern am Leib Christi heißt es: „Ist jemand ein Amt gegeben, so diene er.“ Väter, Mütter und andere Erziehende im Leib Christi sollen die nächste Generation lehren: „Ist jemand Lehre gegeben, so lehre er.“ Wenn ein Christ sieht, dass ein Mitchrist vom rechten Weg der Christus­nachfolge abweicht, so soll er ihn ermahnen; wenn er ihn angefochten erlebt, so soll er ihn trösten: „Ist jemand Ermahnung (oder Zuspruch) gegeben, so ermahne (oder tröste) er.“ Wer Geld hat, soll davon einen Teil abgeben zur Finan­zierung des Gemeinde­lebens, für die Mission und für notleidende Menschen – und das ohne Geiz oder Hinter­gedanken: „Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn.“ Die Kirchen­vorsteher sollen mit größter Sorgfalt dem Pastor bei der Leitung der Gemeinde helfen: „Steht jemand der Gemeinde vor, so sei er sorg­fältig.“ Aber auch wenn jemand nicht gut reden oder organi­sieren kann, auch wenn jemand nicht viel Geld zum Abgeben hat, kann er Aufgaben am Leib Christi erfüllen: Er kann alte oder kranke Gemeinde­glieder besuchen und ihnen helfen, wo sie Hilfe nötig haben: „Übt jemand Barmherzig­keit, so tue er‘s gern.“ Auch wer die Kirche putzt, für Blumen auf dem Altar sorgt, kräftig mitsingt, ein Instrument spielt, die Gemeinde­kasse verwaltet oder vor der Kirche Schnee schiebt, trägt auf seine Weise dazu bei, dass der Leib Christi weiterleben kann. Sogar wenn jemand krank im Bett liegt und äußerlich gar nichts mehr für die Kirche tun kann, so kann er doch für seinen Pastor und seine Mitchristen beten, auch das ist ein wichtiger Dienst.

Wie schön, dass wir Glieder am Leib Christi sein dürfen! Wie schön, dass Gott uns durch den Leib Christi mit geistlicher Nahrung versorgt, sodass wir ewig leben können! Wie schön, dass Gott uns auch gesalbt und angestellt hat, mit unseren jeweiligen Gaben mitzutun bei der Arbeit im Reich Gottes! Amen.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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