Die an seinen Namen glauben

Predigt über Johannes 1,1‑14 zum 2. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Was wir eben gehört haben, das nennt man den Prolog des Johannes­evangeliums – auf deutsch: die Einleitung. Aber mit dieser nüchternen Bezeichnung kommt eigentlich gar nicht recht zum Ausdruck, was für einen einzigartig schönen Abschnitt der Bibel wir hier vor uns haben. Jeder einzelnen Vers wäre es wert, dass man eine eigene Predigt über ihn hält. Darum ist es egal, ob wir diesen Prolog des Johannes­evangeliums von vorn betrachten oder von hinten oder ob wir mitten hinein­springen.

Springen wir einfach mitten hinein! Da finden wir den Satz: „Wie viele ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind.“ Mit Letzterem ist die Taufe an­gesprochen, die Wieder­geburt aus Wasser und Geist, die göttliche Geburt zum ewigen Leben. Kurz gesagt: Wer getauft ist und an Jesus glaubt, der ist Gottes Kind. Da merken wir: In diesem Satz ist von uns Christen die Rede! Denn das ist es ja, was uns zu Christen macht: Taufe und Glaube. „Wie viele ihn aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben…“

Was heißt das: „an seinen Namen glauben?“ Es heißt nicht, irgendwie glauben, dass es Gott gibt. Es heißt auch nicht, irgendwie hoffen, dass Jesus mich gut durchs Leben kommen lässt. Es heißt vielmehr, Jesus ganz und gar vertrauen. Mein Schwieger­vater hatte ein lateinisches Lebens­motto, das lautete: „Jesus Christus mihi omnia“ – „Jesus ist mir alles“. Seht, das heißt Jesus aufnehmen und an seinen Namen glauben! Dasselbe bekennen wir, wenn wir im Glaubens­bekenntnis sprechen: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes ein­geborenen Sohn, unsern Herrn.“

Ja, so nehmen wir Jesus bei uns auf: wenn wir „an seinen Namen glauben“. Nun ist es aber merkwürdig, dass der Name Jesus Christus im Prolog des Johannes­evangeliums erst ganz am Schluss genannt wird. In den 14 Versen, die wir als Predigttext gehört haben, kommt er überhaupt nicht vor. Wenn es so wichtig ist, an seinen Namen zu glauben, warum wird der Name dann nicht eher genannt?

Er wird ja eher genannt, nur nicht mit den Worten „Jesus Christus“. Jesus hat viele Namen, die allesamt etwas von seinem Wesen und Wirken sagen. Bei Jesus sind Namen nicht Schall und Rauch, sondern bedeutungs­volle Ver­kündigungs­worte. Wenn man mal die ganze Bibel syste­matisch nach Namen und Be­zeichnungen für Jesus durch­suchte, dann fände man weit über hundert. Allein vier finden wir in unseren paar Versen. Da wird Jesus genannt erstens „das Wort“, zweitens „das Leben“, drittens „das Licht“ und viertens „der eingeborene Sohn“. An seinen Namen glauben, das bedeutet dann eigentlich: Wir vertrauen darauf, dass Jesus wirklich das ist, was diese Worte aussagen.

Erstens wird Jesus „das Wort“ genannt. Wer wissen will, was Gott uns Menschen letztlich zu sagen hat, der muss auf Jesus achten. Wenn wir den Begriff biblisch verstehen, dann bedeutet „das Wort“ aber noch mehr: Es bezeichnet zugleich die Tat oder das Geschehen, das das Wort sagt. Das wird ganz deutlich bei der Erschaffung der Welt; und an die Erschaffung der Welt werden wir ja auch gleich zu Anfang im Prolog des Johannes­evangeliums erinnert: „Im Anfang war das Wort… Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.“ Gott sagte am Anfang: „Es werde Licht!“; das war sein Schöpfer­wort. Dieses Wort war aber zugleich Tat und Ereignis, denn es bewirkte, was es sagte: Es wurde Licht! Gott spricht und handelt zugleich, und zwar nicht nur der himmlische Vater, sondern der dreieinige Gott. Auch Gottes Sohn war bei der Schöpfung schon mit von der Partie; er selbst ist ja kein Geschöpf, sondern un­geschaffen und ewig wie der Vater. Es heißt von ihm: „Das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott.“ Wenn wir an Jesu Namen glauben, dann glauben wir, dass er der wahre Gott ist, der Mitschöpfer Himmels und der Erden.

Wir glauben aber zugleich auch, dass er wahrer Mensch geworden ist. Das ist das andere große Ereignis nach der Schöpfung, von dem der Prolog des Johannes­evangeliums redet: die Mensch­werdung Jesu. Es heißt da: „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.“ Auch dabei ist Gottes Wort Mitteilung und Tat zugleich. Gott sagt uns durch Jesus: Seht, da kommt euer Erlöser, da wird Gottes Herrlich­keit auf Erden sichtbar! Und zugleich kommt er wirklich und erlöst tat­sächlich; er geht den langen, be­schwerlichen Heilsweg bis ans Kreuz und erweist sich dann herrlich in der Auf­erstehung von den Toten. Er hat es getan, weil er uns Sünder liebt und uns alle Schuld vergeben will. Noch einmal: Wer wissen will, was Gott uns Menschen letztlich zu sagen hat, der muss auf Jesus achten. Jesus, das Wort, sagt uns: Gott hat dich lieb; Gott vergibt dir alle deine Sünden und erlöst dich auf diesem Weise zum ewigen Leben. Zugleich aber tut Jesus, das Wort, was es er sagt.

Zweitens wird Jesus „das Leben“ genannt. Wir lesen im Prolog des Johannes­evangeliums: „In ihm war das Leben.“ Einige Kapitel weiter können wir nachlesen, wie Jesus von sich selbst sagte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh. 14,6). Gott ist die Quelle allen Lebens. Wenn nun Gottes Sohn ein Mensch wird, dann fließt aus dieser Quelle ein köstlicher Lebensstrom in unsere Welt. Nur wer von diesem Lebensstrom trinkt, hat wahres Leben in sich und wird das ewige Leben erben. Ohne Jesus bleibt ein Mensch ab­geschnitten von Gott, der Lebens­quelle. Ohne Jesus mag ein Mensch zwar biologisch eine Weile leben und sich dabei sogar pudelwohl fühlen, aber vom wahren Leben ist er ab­geschnitten; seine Sünde trennt ihn von Gott. Willst du also im wahren Leben bleiben, dann halte dich weiter zu dem, der „das Leben“ heißt: zu Jesus! Trinke aus seinem Wort, trinke aus seinem Kelch, trinke seinen Segen, trinke seinen Zuspruch: „Dir sind deine Sünden vergeben“ – und wisse auch hier: Was das Wort sagt, das geschieht zugleich, das ist zugleich Gottes Tat.

Drittens wird Jesus „das Licht“ genannt. Auch zu diesem Namen finden wir später im Johannes­evangelium Jesu Selbst­aussage: „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh. 8,12). Im Prolog aber steht: „Das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht scheint in der Finster­nis.“ Johannes der Täufer wird als Zeuge dieses Lichts genannt, und dann wird noch einmal bekräftigt: „Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“ Die Finsternis der Welt, das ist die Sünde und ihre Folge. Alles Leidvolle, Notvolle und Traurige in der Welt hängt damit zusammen, dass wir Menschen uns von Gott losgerissen haben und unseren eigenen Kopf durchsetzen wollen. Diese Finsternis wird vom Licht Jesus Christus erhellt: Er ist gekommen, um durch seine Erlösung am Kreuz die Sünde zu vertreiben. Damit wird zugleich der Weg hell, der vor uns liegt. Von Natur aus liegt ja unsere Zukunft im Dunkeln: Wir können nur ahnen oder erhoffen, was auf uns zukommt. Mit Jesus aber ist das Ziel unseres Lebensweges in helles Licht getaucht: Wenn wir ihm vertrauen, dann wissen wir, dass die ewige Seligkeit im Himmel auf uns wartet.

Viertens wird Jesus „der eingeborene Sohn“ genannt. Es heißt: „Wir sahen seine Herrlich­keit, eine Herrlich­keit als des ein­geborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Wir selbst werden durch Taufe und Glaube Gottes Kinder; dem­gegenüber hat Gott aber noch dieses eine besondere Kind, eben seinen einzigen, seinen ein­geborenen Sohn. Wir sind durch Taufe und Glaube in die Gottes­kindschaft aufgenommen worden, wir sind gewisser­maßen von Gott adoptiert worden, Jesus aber ist eines Wesens mit dem Vater, un­geschaffe­ner ewiger Gott wie er. Wir merken, dass auch in diesem Begriff die Gottheit Jesu betont wird, ebenso wie in dem Begriff „das Wort“. Es ist schlimm, wenn heutzutage viele Menschen und sogar christliche Kreise abstreiten, dass Jesus wirklich göttlich war; sie sehen in ihm oft nur einen heraus­ragenden Menschen. Wenn wir ihn im rechten Glauben aufnehmen wollen, dann müssen wir seine Gottheit anerkennen und ihn wie der Apostel Thomas anbeten: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh. 20,28). Denn „das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlich­keit, eine Herrlich­keit als des ein­geborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“

An Jesus scheiden sich die Geister. Viele meinen, man könne auch ohne ihn, „das Wort“, heraus­finden, was Gott uns zu sagen hat. Viele meinen, erfülltes Leben auch ohne den zu finden, der „das Leben“ heißt. Viele meinen, auch ohne „das Licht“ klar zu sehen. Und viele denken, Jesus sei nur ein mensch­licher Gottessohn gewesen wie andere Gottes­kinder und nicht der eingeborene Sohn vom Vater. Das ist schade; darüber ist Gott traurig, und darüber sind alle traurig, die zu Gott gehören. Diese Trauer, diese Ent­täuschung klingt auch im Prolog des Johannes­evangeliums an: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.“ Und weiter: „Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Ich kann diese Trauer, diese Ent­täuschung gut nach­empfinden. Es ist ja mein Auftrag und zugleich mein Herzens­anliegen, Menschen dahin zu bringen, dass sie durch Taufe und Glaube Gottes­kinder werden; aber sehr oft erfahre ich nur Ablehnung und Gleich­gültigkeit: „Die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

Diese Traurigkeit soll uns aber die Weihnachts­freude nicht trüben. Auch der Evangelist Johannes hat der wehmütigen Erkenntnis sogleich wieder die frohe Botschaft gegenüber­gestellt: „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.“ Damit sind wir wieder am Ausgangs­punkt unserer Betrachtung angelangt. Wir können uns über die Maßen freuen, denn wir sind Gottes Kinder, „die an seinen Namen glauben“: an den, der „das Wort“ heißt, „das Leben“, „das Licht“, „der eingeborene Sohn“ und „Jesus Christus“. Jesus Christus mihi omnia – Jesus Christus ist mir alles, jetzt zu Weih­nachten, an allen noch vor mir liegenden Tagen und in Ewigkeit! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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