Leid und Trost

Predigt über 2. Korinther 1,5 zum Sonntag Lätare

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ein junger Deutscher steckt zur Zeit im Erdbeben­gebiet in Chile fest. Ich kenne ihn persönlich. Er ist durch eine Missions­organisation zu einem sozialen Einsatz unter Jugend­lichen nach Concepcion gekommen; er hat also das Beben dort miterlebt, wo es am stärksten war. Die Stadt ist immer noch stark von Nachbeben betroffen. Vorgestern schrieb er im Internet: „Die Erde bebt immer noch weiter. Ich wette, das letzte Beben hatte mehr als Stärke 6 auf der Richter­skala… Wenigstens scheint unser Haus das aus­zuhalten.“

Ich kenne auch die Eltern dieses jungen Mannes. Als das erste große Beben kam, wussten sie nur, dass ihr Sohn sich in Concepcion aufhielt. Für längere Zeit waren allen Ver­bindungen abgerissen; sie hatten kein Lebens­zeichen von ihrem Kind. In diesen bangen Stunden schickten sie eine E-Mail an alle Verwandten und Freunde. Diese E-Mail möchte ich euch jetzt vorlesen:

„Danket dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währet ewiglich. Es sage nun Israel: Seine Güte währet ewiglich. Es sage nun das Haus Aaron: Seine Güte währet ewiglich. Es sagen nun, die den Herrn fürchten: Seine Güte währet ewiglich. In der Angst rief ich den Herrn an; und der Herr erhörte mich und tröstete mich. Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht; was können mir Menschen tun? Der Herr ist mit mir, mir zu helfen; und ich werde herabsehen auf meine Feinde. Es ist gut auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Menschen. Es ist gut auf den Herrn vertrauen und nicht sich verlassen auf Fürsten…“ Es folgen in der Mail weitere Verse aus dem 118. Psalm, darunter auch der Vers, der dem jungen Mann einst als Taufspruch auf den Lebensweg mitgegeben worden war: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke ver­kündigen.“ Alle 29 Verse dieses Psalms enthält die E-Mail, dann erst folgt der persönliche Text: „Ihr Lieben! Diesen Psalm, bei dem wir gestern ruhig werden konnten, möchten wir euch schreiben mit der Nachricht, dass unser Sohn in der Stadt in Chile wohnt, die besonders von dem schweren Erdbeben betroffen ist. Wir wissen noch nichts von ihm, weil alle Kommu­nikations­wege unter­brochen sind. Aber wir wissen, dass er in Gottes Hand geborgen ist, ganz egal wo er ist und wie es ihm geht. Zu diesem Gott kommen wir in unserem Warten und befehlen Leib und Seele unseres Sohns in seine Hände. Bitte helft uns dabei!“

Es gibt Zeiten im Leben, da werden Leid und Sorge über­mächtig. Auch auf uns Christen können sie so über­reichlich einstürzen, dass wir meinen, wir ertragen sie nicht mehr. Es mag das schwierige Überleben eines jungen Mannes in einer traumati­sierten Stadt in Chile sein, es mag auch die Sorge von Eltern um das Leben ihres Kindes sein, es mag auch ganz etwas anderes sein. In solchen Zeiten kann Gottes Wort ein großer Trost werden, wenn wir denn bereit sind, solchen Trost anzunehmen. Solchen Trost haben die Eltern des jungen Mannes im 118. Psalm gefunden, besonders in seinem Taufspruch: „Ich werde nicht sterben, sondern leben und des Herrn Werke ver­kündigen.“ Die Psalmen sind ja über­reichlich voll an Trost. Und so be­wahrheitet sich das Wort aus dem 2. Korinther­brief des Apostels Paulus, das auch für sich selbst genommen tröstlich ist: „Wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.“

Es ist ganz wichtig, dass wir das Wort „Christus“ nicht überhören, das zweimal in diesem Satz vorkommt. Beides, die Leiden und der Trost, sind auf Christus bezogen, und beides steht um Christi willen auch miteinander in Verbindung: Das Leid und der Trost.

Ja, es sind die Leiden Christi, die reichlich über uns kommen. Der junge Mann ist nach Chile gegangen für einen Einsatz im Dienst der christ­lichen Nächsten­liebe. Ein Erdbeben ist eine leidvolle Natur­katasprophe, die Jesus selbst für die letzten Zeiten unserer Welt voraus­gesagt hat. Ein Erdeben ist also immer ein Zeichen der Endzeit, ein Zeichen dafür, dass diese sünden­verseuchte Welt auf ihr Ende zuläuft und dass dann die Herrschaft des Herrn Jesus Christus für alle sichtbar anbrechen wird, für Lebende und Tote. Auch jedes andere Leid, das uns Christen trifft, steht in irgendeiner Beziehung zum Herrn Jesus Christus. Bei manchen Leiden ist das ganz offen­sichtlich, zu Beispiel bei Christen­verfolgun­gen, die es ja in bestimmten Ländern leider bis zum heutigen Tag gibt und die sich durch die Geschichte der Kirche von Anfang an wie ein roter Faden hindurch­ziehen. Wir haben letzte Woche im Jugendkreis einen Spielfilm über das Leben des Apostels Paulus gesehen. Da wurde bis zur Schmerz­grenze an­schaulich, was für große körperliche und seelische Leiden der Apostel Paulus auf sich nahm, um die frohe Botschaft von Jesus in andere Städte und Länder zu tragen. Es ist derselbe Apostel Paulus, der dieses Wort Gottes auf­geschrieben hat: „Wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.“ Bei Krankheiten oder bei Unfällen erkennt man nicht so leicht, dass es sich um Leiden Christi handelt. Menschlich werden wir auch stets vielfältige andere Ursachen sehen, darunter oft eigenes Verschulden oder die Schuld anderer. Als Christen glauben wir aber zugleich: Jedes Leid, das uns trifft, ist ein Leid, das Gott uns zumutet und das uns mit Christus verbindet. Wenn wir als Jünger Jesu leiden, dann erinnert uns das stets daran, dass unser Herr für uns gelitten hat und dass er uns auf diese Weise erlöst hat. Der Apostel Paulus hat das an anderer Stelle sehr drastisch ausgedrückt mit den Worten: „Ich trage die Malzeichen Jesu an meinem Leibe“ (Gal. 6,17).

Wie nun die Leiden Christi im Leben eines Christen­menschen reichlich vorhanden sind, so ist auch Christi Trost reichlich vorhanden. Die Bibel steckt voller Trostworte, die Psalmen sind voll davon, und es finden sich unzählige Beispiel­geschichten von leidenden Menschen, die Gott tröstete und denen er half. In der christ­lichen Gemeinde können wir uns gegenseitig trösten; einer kann dem anderen signali­sieren: Ich bin für dich da, ich bete für dich, ich fühle mit dir. Durch die modernen Kommu­nikations­mittel sind die Möglich­keiten für solches gegen­seitige Trösten unter Christen fast grenzenlos geworden. Hinter dem allen steht aber der Herr Jesus Christus, der uns selbst tröstet, wenn wir im Leid stecken. Sein Heiliger Geist ist es, der zu uns kommt durch die Trostworte der Bibel und durch den Trost von Mit­christen. Jesus selbst hat den Heiligen Geist einen „Tröster“ genannt, einen Beistand, einen Parakleten, und genau dieses Wort klingt auch in unserem Bibelvers an: „Wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus“ – nämlich durch seinen Tröster, durch den Heiligen Geist und dessen vielfältige Trost-Kanäle.

Beides hängt nun auch eng miteinander zusammen – die Leiden Christi und der Trost durch Christus. Denn in Christus erkennen wir: Unsere Leiden kommen nicht von einem blind­wütigen Schicksal her oder von einem zornigen Gott, sondern von unserem lieben Herrn Jesus Christus; das ist sehr tröstlich. Und wenn unser Glaube reif geworden ist, dann erkennen wir auch: Unsere Leiden sind das Kreuz der Nachfolge; sie sind ein Siegel dafür, dass wir durch Christi Kreuz erlöst sind, ja, sie sind für Jünger Jesu sogar ein Ehren­zeichen. Als Petrus und Johannes einmal aus­gepeitscht wurden wegen ihrer Evangeliums­predigt, da waren sie ganz fröhlich, weil, so steht es in der Bibel, „weil sie würdig gewesen waren, um seines Namens willen Schmach zu leiden“ (Apostel­gesch. 5,41). Und schließ­lich: Erst durch das Leiden haben wir eine Gelegen­heit, Gottes Trost reichlich zu erfahren und darüber hinaus zu erleben, wie er heraushilft aus dem Leid. Wer nie gelitten hat, weiß nicht, was es bedeutet, von Gott getröstet und gerettet zu werden. Diese Erfahrung aber kommt nicht nur ihm selbst zugute. Der Apostel Paulus hat im Zusammen­hang mit unserem Predigttext auch ge­schrieben, dass er mit dem selbst erfahrenen Trost nun auch andere trösten kann, die im Leiden stecken.

Mir geht das so mit der E-Mail, die ich zu Beginn vorgelesen habe. Da sind Eltern in tiefem Leid, in tiefer Sorge um das Leben ihres Sohnes. Sie haben einen wunderbaren Dankpsalm und tröstliche Worte im Bekannten­kreis herum­geschickt. Sie haben in ihrem Leid den Trost Christi erfahren und geben diese Erfahrung weiter, damit auch andere getröstet werden. Und so kommt es, dass aus über­reichlichem Leid über­reichlicher Trost für viele wird. Ja, selbst wenn ihr Sohn unter den Toten in Concepcion gewesen wäre, hätten sie die tröstliche Gewissheit gehabt: Er ist ja nicht wirklich tot, er lebt ja ewig, weil Jesus lebt und weil ein Christ durch die Taufe zu Jesus gehört. Diser Trost ist und bleibt für uns alle un­zerstörbar. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2010.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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