Es ist vollbracht

Predigt über Johannes 19,17-30 zum Karfreitag

Liebe Gemeinde!

Stellen wir uns einen Schriftsteller vor, der jahrelang an einem umfangreichen Werk geschrieben hat. Stellen wir uns weiter vor, wie ihm wohl zumute ist, wenn er hinter den letzten Satz im letzten Kapitel den Punkt setzt. Es ist das erhabene Gefühl: „Es ist vollbracht! Das Werk ist vollendet; ich bin am Ziel meiner Mühen angelangt.“ Solch ein Ziel, solch ein Punkt hinter dem letzten Satz war der letzte Atemzug unseres Herrn Jesus Christus am Kreuz: „Es ist vollbracht! Das Heilswerk ist vollendet, das Ziel von Gottes langem Erlösungsweg ist erreicht.“

Dieser Weg begann nicht erst mit Jesu Festnahme im Garten Gethsemane. Er begann auch nicht erst mit seiner Taufe durch Johannes. Er begann auch nicht erst mit seiner Geburt in Bethlehem. Nein, schon viele Jahrhunderte vorher hat Gott die Erlösung von uns Menschen vorbereitet, besonders in der Geschichte seines alten Bundesvolks Israel. Durch Propheten ließ er voraussagen, was sich an Jesus dann erfüllt hat – auch das schwingt mit im Satz „Es ist vollbracht!“ Die ganze Schrift hat er erfüllt. Aber auch die Jahre des Predigens und Heilens, die Tage der Leiden und Verhöre, die Stunden am Kreuz, all das kommt ans Ziel beim letzten Atemzug Jesu.

Wenn ein Schriftsteller den Punkt hinter den letzten Satz eines Romans setzt, dann ist damit ein Werk vollendet, das einige zur Kenntnis nehmen werden, viele andere Menschen aber überhaupt nicht betrifft. Bei Jesu Heilswerk ist das anders. Was Jesus da am Kreuz vollbracht hat, das geht an keinem Menschen spurlos vorüber. Dem einen bringt es die ewige Seligkeit, weil er‘s denn glaubend annimmt; den anderen stößt es hinab in die endgültige Finsternis, weil er Gottes letzte Chance zur Rettung ausschlägt. Auf welcher Seite stehst du? Auf welcher Seite standen die Menschen damals, die die Kreuzigung Jesu persönlich miterlebt haben? Lasst uns diese Menschen jetzt in Gedanken einmal begleiten auf dem letzten Stück von Jesu Heilsweg vor dem Ziel. Und lasst uns an diesen Menschen prüfen, wie wir selber zu dem stehen, was Jesus da am Kreuz vollbracht hat.

Drei Kreuze werden aufgerichtet auf dem Hügel Golgatha. Rechts und links von Jesus werden zwei Schwerverbrecher gekreuzigt. Der eine verspottet Jesus; es ist ein letzter, verzweifelter Spott: „Kannst uns ja jetzt noch alle drei retten, Jesus, du bist doch angeblich so ein großer Wunderheld!“ Der andere aber sieht im sterbenden Jesus die letzte und größte Chance seines gänzlich verpfuschten Lebens und bittet ihn: „Herr, wenn du dann in die andere Welt kommst, in dein herrliches Reich, dann denke an mich!“ Glaubend ergreift er Gottes wunderbare Chance, und Jesus verspricht ihm, dass sein hoffnungslos gescheitertes Leben nun doch noch an ein gutes Ziel kommt: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ Und wo stehst du? Bist du eher der Spöttter, der Jesus im Grunde nicht viel zutraut, oder der Vertrauensvolle, der seine Schuld fühlt und Jesus bittet, doch noch alles zum Guten zu wenden?

Eine Tafel wird über dem Kreuz Jesu angebracht. Üblicherweise stand auf solchen Tafeln die Urteilsbegründung für die Hinrichtung. Was hatte Pontius Pilatus auf Jesu Tafel schreiben lassen? „INRI“ lesen wir auf vielen Kreuzesdarstellungen, das ist die Abkürzung für „Iesus Nazarenus Rex Iudaorum“ – „Jesus von Naraeth, König der Juden“. So hatten ihn ja die Abgeordneten des jüdischen Hohen Rats bei ihm verklagt: „Er erhebt sich als König gegen den römischen Kaiser!“ Pilatus konnte diese religiösen Fanatiker eigentlich nicht leiden, aber aufgrund politischer Rücksichten musste er ihren Willen erfüllen und Jesus zum Tode verurteilen. Nun nutzt er die Tafel mit der Urteilsbegründung als Seitenhieb gegen die führenden Juden: „Seht, das ist euer König, der König der Juden! Ein total Gescheiterter, eine Jammergestalt am Kreuz, die nicht mehr lange zu leben hat!“ Als die führenden Juden empört eine Änderung der Tafel verlangen mit einer genaueren Urteilsbegründung, da weist er sie kalt zurück: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ Und wem ähnelst du? Geht es dir vor allem um deine eigene Macht und dein eigenes Wohlergehen wie dem Pilatus? Schwimmst du mit dem Strom ohne große Überzeugungen um deines Vorteils willen und wirst dabei zynisch wie er? Oder bist du ein religiöser Fanatiker wie die führenden Juden damals? Allerdings glaubten sie ebensowenig wie Pilatus, dass Jesus ein König ist, weder der König der Juden noch der höchste, der ewige König. Glaubst du das denn? Ist Jesus der Größte und Wichtigste in deinem Leben? Oder sagst du im Glaubensbekenntnis einfach nur so dahin: „Ich glaube an Jesus Christus, meinen Herrn“?

Während Jesus nackt am Kreuz hängt und unsägliche Qualen erleidet, wird unmittelbar daneben gefeilscht und gezockt. Die wachhabenden römischen Soldaten verteilen und verlosen seine Kleidungstücke, die ihnen wie eine Kriegsbeute zustehen. Damit erfüllt sich etwas, was im Alten Testament vorausgesagt worden war. Die Soldaten sind roh und abgestumpft gegen menschliches Leid. An einem Erlöser haben sie kein Interesse, denn der füllt ihnen jetzt nicht den Magen und wärmt ihnen nicht den Leib. Es ist ihnen egal, was aus ihnen wird, wenn sie morgen selbst sterben. Sie denken auch nicht daran, dass sie sich für all ihre Gräueltaten einst vor ihrem Schöpfer verantworten müssen. Denkst du an so etwas? Bist du darauf vorbereitet, dass Gott dir einmal alle deine Sünden vorhalten wird? Weißt du, was dich dann allein retten kann? Wer dich dann allein retten kann? Niemand anderes als der Mann, der da am Kreuz für dich stirbt! Achtest du auf ihn, ist er dir wichtiger als das Geldverdienen und das tägliche Brot?

Von den Jüngerinnen und Jüngern Jesu haben es nur ganze vier Personen über sich gebracht, Jesus bis unters Kreuz zu begleiten: einer der zwölf Apostel, nämlich Johannes, sowie drei Frauen, darunter Jesu Mutter. Wie merkwürdig, dass schon damals die Frauen die treueren Anhänger Jesu waren! Bis heute kann man es auf der ganzen Welt erleben, dass viel mehr Frauen sich von Jesus rufen lassen und ihm treu bleiben als Männer. Jesus erweist sich noch in Todesqualen als liebevoller Sohn. Er denkt an seine Verantwortung als Ältester, dass er eigentlich seine Mutter zu versorgen hat. Und diese Verantwortung überträgt er, sterbend am Kreuz, an seinen Jünger Johannes. Der soll für Maria sorgen wie für seine eigene Mutter, und Maria soll ihn an Sohnesstatt annehmen. Jesus sagt zu ihr: „Das ist dein Sohn!“; und zu Johannes sagt er: „Das ist deine Mutter!“ Da nimmt Johannes Maria in sein Haus auf und versorgt sie fortan. Dieser Haushalt in Jerusalem wird bald darauf zu einer der Keimzellen der christlichen Kirche. Im Haus von Johannes und Maria treffen sich die ersten Christen zum Beten und zum Gottesdienst-Feiern. Damit sehen wir an diesen Menschen unter dem Kreuz nicht nur Vorbilder in der Treue zu Jesus, sondern auch Vorbilder für die christliche Gemeinschaft. Christus möchte, dass wir uns gegenseitig annehmen als Brüder und Schwestern, so wie Johannes und Maria sich als Sohn und Mutter angenommen haben. Folgst du diesem Beispiel? Ist dir die Gemeinschaft mit den anderen Christen wichtig? Ist dir das Heilige Abendmahl so wichtig, dass du dich häufig von Christus an seinen Tisch laden lässt in der Gemeinschaft mit deinen Mit-Gemeindegliedern? Stärkst du ihre Gemeinschaft, indem du dich am Tag des Herrn in der Kirche sehen und hören lässt? Oder geht es dir nur um deine persönliche Erbauung, von der du meinst, dass du sie auch allein zu Hause haben kannst?

Kurz vor seinem Tod meldet sich Jesus vom Kreuz noch einmal zu Wort. Er klagt über Durst. Auch mit diesem Durst und mit seiner dieser Klage erfüllt er eine Prophezeiung aus dem Alten Testament. Ein mitleidiger Mensch tränkt einen Schwamm mit Weinessig, dem damaligen Erfrischungsgetränk der einfachen Leute. Er steckt diesen Schwamm auf einen Ast und reicht ihn Jesus zum Mund, sodass er seinen Durst löschen kann. Es war ein Ast vom Ysop-Strauch, das vermerkt der Evangelist Johannes ganz ausdrücklich und genau. Und wer die Bibel kennt, der weiß: Ysop-Büschel waren es auch, mit denen die Israeliten vor dem Auszug aus Ägypten ihre Türrahmen mit Schafsblut bestrichen hatten. Sie taten es, weil Gott es ihnen so befohlen hatte und weil er ihnen auch versprochen hatte, dass die Bewohner dieser Häuser vor der todbringenden Plage verschont bleiben. Wir wissen nichts Näheres über den Menschen, der Jesus am Kreuz mit Essig tränkte. Aber seine Hand, die den Ysop hält, wird uns auf dem Hintergrund der alttestamentlichen Geschichte zum Vorbild. Es ist eine Hand, die tut, was Gott will, im Vertrauen darauf, dass Gott seine Zusage hält. Hast du solches Vertrauen? Ergreifst du das Blut Christi im Glauben? Vertraust du darauf, dass die todbringende Plage der Sünde dir nichts anhaben wird um dieses Blutes willen? Auch wenn das menschlich völlig unbegreiflich ist? Auch wenn das so gar nicht in unsere moderne Welt und Zeit zu passen scheint? Ich sage dir: Wenn du an Jesus glaubst und darauf vertraust, dass mit seinem Blut am Kreuz all deine Sündenschuld ausgelöscht ist, dann bist du gerettet, dann kann dir der Tod nichts anhaben, dann wirst du ewig leben.

Ja, und dann sagt Jesus sein berühmtes Wort: „Es ist vollbracht“, und dann stirbt er. Der lange, schwere Heilsweg ist ans Ziel gekommen. Es ist so, wie wenn ein Schriftsteller den Punkt hinter den letzten Satz im letzen Kapitel eines großen Werkes setzt. Aber eigentlich ist dieser Punkt bei Jesus ein Doppelpunkt, denn sein Tod führt zu neuem Leben. Nach drei Tagen ist er auferstanden von den Toten. Und wenn du zu ihm gehörst, wirst auch du auferstehen; dann bist du unterwegs zur großen Herrlichkeit des Himmels. Lehnst du ihn aber ab und folgst ihm nicht nach, dann bist du verloren. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2009.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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