Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Mit dem Fastnachts-Dienstag und dem Aschermittwoch stoßen zwei sehr verschiedene Tage hart aneinander: ein Tag der ausgelassenen Fröhlichkeit und ein ernster Tag – ein Tag der Besinnung, ein Tag der Traurigkeit gewissermaßen. Beide Tag haben mit der Passionszeit zu tun. Schon seit langem gibt es in der Christenheit die Sitte, sich mit einer siebenwöchigen Bußzeit auf das höchste Fest des Jahres vorzubereiten: das Fest der Auferstehung des Herrn, das Osterfest. Und schon seit langem verbinden manche Christen die innere Haltung der Sammlung und Buße mit einem bestimmten äußeren Verhalten, das diese innere Haltung zum Ausdruck bringt und zugleich bei der Sammlung hilft. Zu diesem äußeren Verhalten gehört das Fasten, etwa der Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel wie Fleisch und Fett, oder auch das völlige Fasten an bestimmten Wochentagen. Darum hieß die siebenwöchige Vorbereitungszeit auf Ostern usprünglich nicht Passionszeit, sondern nur Fastenzeit. Auch das Bestreuen des Kopfes mit Asche ist ein uraltes äußeres Zeichen der Buße. Darum beginnen viele Christen die Fastenzeit mit einem Bußgottesdienst, bei dem man sich ein Aschekreuz an die Stirn zeichnet. Von daher kommt der Name „Aschermittwoch“ für den ersten Tag der Fastenzeit.
Im Mittelalter wurde in der Fastenzeit den Menschen das Fasten per Kirchengesetz aufgezwungen. Das passte vielen natürlich nicht, aber sie ordneten sich dem Fastengebot unter. Nur unmittelbar vorher, da wollten sie noch einmal ordentlich Spaß haben, da wollten sie auf die Pauke hauen – essen, trinken und feiern bis zum Abwinken. So entstand die „Fastnacht“, die Nacht vor dem Fasten, der Vortag beziehungsweise Vorabend der Fastenzeit. Und weil Feiern ja solchen Spaß macht, hat sich die Fastnacht mit allerlei heidnischem Festspektakel vermischt und immer weiter nach vorn ausgedehnt zur Karnevalssaison. „Karneval“ kommt vom lateinischen Ausruf „Carne vale!“ – „Lebe wohl, Fleisch!“. Also: Im Karneval erst noch mal richtig futtern, bevor man dann die ganze Fastenzeit über auf Fleisch verzichten muss.
Der Mensch ist lieber fröhlich als traurig. Und darum wird allerorten immer noch kräftig Karneval gefeiert, während die Fastenzeit einschließlich Aschermittwoch kaum noch als ernste, besinnliche Bußzeit begangen wird. Wer will schon traurig sein in unserer Spaßgesellschaft? Vergnügen und Unterhaltung sind Trumpf!
Dabei ist die Traurigkeit nicht grundsätzlich etwas Schlechtes. Traurigkeit kann sogar etwas Nützliches und Hilfreiches sein – vorausgesetzt, es ist die richtige Art Traurigkeit. Unser Gotteswort unterscheidet zwei völlig verschiedene Arten von Traurigkeit: die Traurigkeit nach Gottes Willen und die Traurigkeit der Welt. Während die erste nützlich ist, ist die zweite tödlich. Noch einmal der Text: „Die Traurigkeit nach Gottes Willen wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemanden reut; die Traurigkeit der Welt aber wirkt den Tod.“
Was ist damit gemeint – „Traurigkeit nach Gottes Willen“ und „Traurigkeit der Welt“?
Die Traurigkeit der Welt ist die normale menschliche Traurigkeit, die überall um uns herum greifbar ist, bei Christen und Nichtchristen gleichermaßen. Es ist die Traurigkeit darüber, Opfer zu sein: ein Opfer der Krankheit, ein Opfer der Feindschaft, ein Opfer von Unglücksfällen, ein Opfer der Arbeitslosigkeit, ein Opfer der Einsamkeit und so weiter. Diese Traurigkeit ist eine Art Selbstmitleid, und sie geht oft mit Klagen einher, zum Beispiel Klagen über andere Menschen oder über widrige Umstände, deren Opfer man wird. Äußere Umstände wie Krankheit, Unglücksfälle oder gewalttätige Menschen werden dann letztlich auch für den Tod verantwortlich gemacht; letztlich werden alle Menschen Todesopfer. Der Apostel Paulus schrieb: „Die Traurigkeit der Welt wirkt den Tod.“
Die Traurigkeit nach Gottes Willen ist ganz anders. Worum es sich dabei handelt, das erfahren wir, wenn wir mit Ernst die Passionszeit begehen. Da denken wir besonders an das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus. Und wenn dieses Gedenken nicht oberflächlich oder gewohnheitsmäßig geschieht, dann wird uns das Leiden und Sterben unseres Herrn erschüttern und richtig traurig machen. Und warum? Aus Mitleid mit Jesus? Mitleid brauchen wir mit ihm nicht zu haben, denn das ist ja alles längst vorbei, er ist ja längst wieder in der Herrlichkeit seines himmlischen Vaters. Aber warum sollte uns dann das Denken an sein Leiden und Sterben traurig machen? Nur deshalb, weil wir daran Schuld haben! Weil wir die Täter sind! Weil unsere Sünden ihn ans Kreuz gebracht haben! Die Traurigkeit über das Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus ist in Wahrheit eine Traurigkeit über uns selbst. Wir sind die Täter, die Missetäter, und wir erschrecken zutiefst, wenn wir merken, was unsere Sünde angerichtet hat.
Diese Traurigkeit, dieses Erschrecken ist heilsam. Denn es führt uns zur Umkehr. Es weckt in uns die Sehnsucht nach Erlösung. Gott stillt diese Sehnsucht, dazu ist Jesus ja in die Welt gekommen. Er vergibt unsere Schuld, er büßt sie stellvertretend für uns am Kreuz. So finden wir Frieden mit Gott und ewiges Leben. Darum ist diese „Traurigkeit nach Gottes Willen“ etwas sehr Schönes und Heilsames – die Traurigkeit, bei der wir uns nicht als Opfer, sondern als Täter betrauern, aber zugleich auch von der schlimmsten Folge unserer Taten erlöst werden, vom Tod nämlich. Während die Opfer-Traurigkeit der Welt den Tod bringt, bringt die Täter-Traurigkeit der Reue nach Gottes Willen das ewige Leben.
Der Aschermittwoch, der erste Tag der Passionszeit, ist ein Bußtag. Wir werden traurig darüber, dass wir als Missetäter dazu beigetragen haben, dass Jesus den bitteren Weg des Leidens und Sterbens gehen musste. Hart schließt dieser Aschermittwoch an die Fastnacht an. Aber in sieben Wochen, wenn die Passionszeit zu Ende ist, dann wird es umgekehrt sein: Auf den Schmerz des Karfreitags und die Stille des Karsamstags wird der Jubel des Auferstehungsmorgens folgen. Und daran wird deutlich, dass die Traurigkeit der Buße, die Traurigkeit der Passions- oder Fastenzeit, nicht zum Tod führt wie die Traurigkeit der Welt, sondern zum Leben, zur Auferstehung, zur ewigen Seligkeit. „Die Traurigkeit nach Gottes Willen wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemanden reut.“ Amen.
PREDIGTKASTEN |