Das wichtigste Ich-bin-Wort Jesu

Predigt über Johannes 14,6 zu einer ökumenischen Veranstaltung

Liebe Mitchristen!

Dieser Satz gehört zu den wichtigsten Worten, die unser Herr Jesus Christus gesagt hat. Jeder Christ sollte diesen Satz kennen, am besten auswendig. Aber man sollte diese Wörter nicht nur ober­flächlich kennen, sondern man sollte sich auch ihre tiefe geistliche Bedeutung bewusst machen. Dabei möchte ich mit dieser Predigt helfen.

Immer wenn Jesus sagte: „Ich bin“, dann könnte man bereits hinter diesen beiden Wörtern einen Punkt setzen. „Ich bin“, das ist schon für sich genommen eine bedeutungs­volle Aussage. So hatte sich Gott bereits dem Mose am brennenden Busch vor­gestellt: „Ich bin der Ich-Bin“ – „Mein Name ist Ich-Bin“. Damit ist der Gottesname „Jahwe“ erklärt, der im Alten Testament 6828-mal vorkommt (in der Lutherbibel ist er stets mit dem Wort „HERR“ in Groß­buchstaben wieder­gegeben). Wenn Jesus also sagt „Ich bin“, dann zeigt er damit, dass er Gott ist, dass er Jahwe ist, dass er der Herr ist. Als Jesus einmal auf sein Alter an­gesprochen wurde, sagte er: „Ehe Abraham wurde, bin ich“ (Joh. 8,58). Wohl bemerkt: nicht „war ich“, sondern „bin ich“ – Jesus ist der wahre Gott von Ewigkeit. Auch sonst ließ er keinen Zweifel daran. Er sagte: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh. 14,9); „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10,30). Der Apostel Paulus bezeugt von ihm, dass die ganze Fülle der Gottheit in ihm wohnt (Kol. 2,9). Der Anfang des Johannes­evangeliums nennt Jesus das Fleisch gewordene Gotteswort – das heißt, alles, was Gott uns zu sagen hat, das sagt und zeigt er uns durch seinen Sohn Jesus Christus. Und darum kann keiner Gott wirklich erkennen, der Jesus nicht kennt. Deshalb sagte Jesus ja auch unmittelbar im Anschluss an unser wichtiges Ich-bin-Wort: „Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Niemand findet Frieden und Gemein­schaft mit Gott ohne Jesus. Niemand kann in den Himmel kommen ohne den Gottessohn. Und wenn du noch auf der Suche nach Gott bist, wenn dein Glaube mehr ein unsicheres Tasten und fragendes Suchen ist, dann lass dir diesen Rat geben: Versuche nicht, Gott darin zu verstehen, was er in der Welt heute alles tut und zulässt, da ist unser mensch­licher Verstand nämlich total über­fordert. Lerne vielmehr Jesus richtig kennen; beschäftige dich mit dem, was Jesus gesagt und getan hat; da findest du Gott in all seiner Liebe und Barm­herzigkeit; da findest du Gott, wie er sich selbst dir zeigen und offenbaren möchte. Jesus ist der Ich-Bin, Jesus ist Gott der Herr, der All­mächtige.

Nun steht aber nach „Ich bin“ kein Punkt, sondern es geht weiter: „Ich bin der Weg“, sagt Jesus. Wie sollen wir uns das vorstellen? Mir hat sich da im Lauf der Zeit ein ganz starkes Bild eingeprägt. Da ist eine Gebirgs­landschaft mit einer tiefen Schlucht. Die Felswände sind so steil, dass niemand von der einen Seite der Schlucht auf die andere Seite gelangen kann. Auf der einen Seite steht Gott in all seiner Herrlich­keit und Heiligkeit. Auf der anderen Seite stehen wir Menschen. Die Schlucht ist unsere Sünde. Das Wort „Sünde“ hat mit „absondern“ zu tun, und das ist ja eigentlich das Ent­setzliche an der Sünde: nicht, dass wir ein paar Fehler gemacht haben, sondern dass wir uns immer, wenn wir sündigen, von Gott lossagen, von Gott absondern. Wer sündigt, der zeigt damit letztlich: „Ich weiß besser als Gott, was gut ist, ich lasse mir von ihm nichts vor­schreiben.“ Und damit ist das Verhältnis zu Gott zerbrochen, und Gott müsste nun seinerseits einen dicken Trennungs­strich zwischen sich und uns ziehen, denn unheilige und aufmüpfige Menschen haben beim heiligen Gott nichts verloren. Ja, die Sünde ist die un­überwind­liche Schlucht zwischen Gott uns uns sündhaften Menschen. Wirklich un­überwind­lich? Gibt es da keinen Weg hinüber? Doch, einen Weg gibt es, und der heißt Jesus Christus. Ich sehe in diesem Bild nun eine hölzerne Brücke, die über der Schlucht der Sünde die beiden Seiten verbindet. Diese Brücke ist eigentlich ein Kreuz, das quer über den Graben gelegt wurde. Es ist das Kreuz, an dem Jesus für unsere Sünden starb. Durch Jesus erlöst und heilig gemacht, können Menschen nun zum heiligen Gott gelangen. „Ich bin der Weg“, sagt Jesus, „niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Der Glaube an ihn und die Vergebung der Sünden, das ist der einzige Weg, auf dem Menschen zu Gott finden können. Freilich ist das kein bequemer Weg; es handelt sich nicht um eine sechs­spurige Autobahn. Jesus selbst hat seine Jünger gelehrt: „Der Weg ist schmal, der zum Leben führt“, nicht viele wollen ihn gehen (Matth. 7,14). Der Weg ist, wie gesagt, das Kreuz. Und wer von Jesus erlöst wurde und ihm nun nachfolgen will, der darf auch für sich selbst den Weg des Kreuzes nicht scheuen. Christsein ist oft ganz schön unbequem, manchmal auch schmerz­haft. Niemand sollte meinen, der Glaube an Jesus sei eine einfache Möglichkeit für ein lustvolles und bequemes Leben unter Gottes Segen. Wer ein lustvolles und bequemes Leben haben will, der muss sich mit dem Teufel einlassen; aber der Preis, den er am Ende zahlen muss, ist hoch, sehr hoch. Nein, nur Jesus ist der eine Weg zum himmlischen Vater und zu seiner ewigen Herrlich­keit, und dieser Weg ist das Kreuz.

Jesus ist nun aber nicht nur der Weg, sondern auch die Wahrheit. Wir könnten auch sagen: der Wegweiser. Denn er hat sich nicht nur selbst zum Weg über die Schlucht der Sünde gemacht, sondern er lädt zugleich durch sein Wort ein, diesen Weg zu betreten. Erlösen und zur Erlösung einladen, dass sind die beiden Aufgaben, die zu erfüllen der Gottessohn Mensch geworden ist. Martin Luther hat einmal gesagt: „Die Heilige Schrift ist der Berg, auf dem der Christus den Christus predigt.“ Richtig: Jesus ist Inhalt des Evangeliums und Verkündiger des Evangeliums zugleich! Und indem er beides ist, ist er die Wahrheit Gottes. Denn seine Einladung führt nicht in die Irre, dafür hat er ja selbst gesorgt. Freilich, ein Wegweiser will beachtet und gelesen sein, sonst bräuchte er gar nicht dazustehen. Jesu Ver­kündigung und Lehre in der Bibel will beachtet und gelesen sein, sonst laufen wir Gefahr, den einen Weg zum himmlischen Vater zu verfehlen. Erinnert ihr euch an eines der letzten Worte des auf­erstandenen Herrn an seine Jünger? Es war der Satz: „Lehrt die Menschen, alles das zu beachten, was ich euch gesagt habe“ (Matth. 28,19). Alles, was er den Aposteln sagte, alles, was die Apostel­worte des Neuen Testaments uns von ihm über­liefern, das sollen wir lernen und halten. Da haben wir die Wahrheit, die uns zum himmlischen Vater und zum ewigen Leben führt. Es gibt Leute, die denken, Christen dürfen nicht dogmatisch sein, sondern sie müssen tolerant sein. Falsch! Denn ein Dogma ist nichts anderes als eine Lehre, die der Herr Jesus Christus uns über seine Apostel anvertraut hat. Wir sollen uns daran halten, sie lobpreisend nach­sprechen und an andere weiter­geben. Wer kein Dogma will, der haut den Wegweiser der Lehre Christi um und überlässt die Menschen ihren eigenen frommen Gefühlen. Und wer mit kirchlichen Lehren tolerant umgehen will, dem ist offenbar nicht wichtig, was Jesus eigentlich wollte: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ – alles, ohne Abstriche, ohne Ver­änderung, ohne Zusätze. Liebe Mit­christen, wir kommen aus ver­schiedene Kirchen und Bekenntnis­traditionen und wir wollen im Sinne der Ökumene unseren Glauben gemeinsam leben und bezeugen. Das ist gut so – aber nicht um den Preis, dass wir sagen: „Die Lehre ist nicht so wichtig; lasst uns tolerant sein, es macht doch nichts, wenn die einen die Worte Jesu so auslegen und die anderen anders.“ Ich wünschte, wir würden die öku­menischen Kontakte noch viel intensiver dafür nutzen, dass wir gemeinsam in der Heiligen Schrift forschen und gemeinsam fragen: Was hat denn unser Herr wirklich gesagt und gelehrt? Was bedeutet das und was hat das heute für Folgen?“ Wenn wir so fragen, dann fragen wir nach nichts anderem als nach der Wahrheit, denn Jesus sagte: „Ich bin die Wahrheit.“

Und er ist auch das Leben. Weg, Wahrheit und Leben. Wenn wir uns von der Wahrheit der Bibel auf den Weg des Kreuzes leiten lassen, dann finden wir das Leben. Denn Leben ist eigentlich nur da, wo Gott ist. Die Bibel nennt ungläubige Menschen manchmal ganz hart „Tote“. Auch wenn sie äußerlich betrachtet noch am Leben sind, fehlt ihnen doch etwas ganz Ent­scheidendes zum Leben: die Gemein­schaft mit Gott. Wer durch Glaube und Taufe zu Jesus Christus findet, der findet damit nicht einfach besseres oder erfüllteres Leben, sondern er fängt damit überhaupt erst richtig zu leben an. Darum nennt die Bibel die Taufe ja auch ein „Bad der Wieder­geburt“ (Titus 3, 5). Und dieses richtige Leben ist ein ewiges Leben; wer es hat, wird „bleiben im Hause des Herrn immerdar“ (Ps. 23,6). Dass dieses Leben im Himmel einmal sein Ziel und seine Vollendung erfährt, heißt aber nicht, dass es nicht jetzt schon richtig losgegangen ist. Christus ist heute schon das Leben, in dieser Welt, in unserem Alltag. Und er gestaltet es wunderbar. Er lehrt uns, wie wir mit den Mitmenschen am besten klarkommen, wie wir liebevoll und zugleich wahrhaftig leben können. Er erinnert uns an Gottes Schöpfungs­ordnung für die Welt, führt uns sozusagen die Gebrauchs­anweisung für gutes Leben mit Gottes Geboten vor Augen. Er hat uns ein Mit­sprache­recht beim himmlischen Vater eingeräumt, das ist ein gewaltiges Vorrecht: Wir dürfen beten und wir können auf diese Weise Einfluss nehmen auf die Politik des mächtigsten Präsi­denten! Der heilige Geist leitet uns, wenn wir uns in die Gesell­schaft einmischen und in ihr Gottes Maßstäbe geltend machen: In der Schule, am Arbeits­platz, in der Nachbar­schaft, in der kleinen und großen Politik oder wo auch immer. Jesus ist das Leben, und durch Jesus können wir auch mit beiden beiden Beinen im Leben dieser Welt stehen. Das sollen wir auch; „Licht der Welt“ sollen wir sein (Matth. 5,14). Und dabei braucht uns nicht an­zufechten, dass die Christen­schar oft scheinbar so schwach und klein ist. Man braucht nicht viel Salz, um eine Suppe schmackhaft zu machen. „Ihr seid das Salz der Erde“, das hat Jesus auch gesagt (Matth. 5,13).

Und so wollen wir uns durch dieses wichtige Ich-bin-Wort des Herrn vor allem Dingen ermutigen lassen. Jesus ist Gott und hat uns erlöst, damit wir zu Gott finden bei ihm leben können, jetzt und für immer. Jesus spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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