Wir übersetzen einen Bibeltext

Predigt über 1. Korinther 1,26‑29 zum Epiphaniasfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn ich eine Predigt vorbereite, dann gehört normaler­weise dazu, dass ich den Bibeltext für mich selbst übersetze. Heute möchte ich euch daran beteiligen und damit einen kleinen Blick in eine Predigt­werkstatt werfen lassen. Nun würde es euch allerdings wenig nützen, wenn wir dabei direkt von der griechi­schen Sprache ausgingen, mit der der Apostel Paulus den Christen in Korinth geschrieben hat. Lasst uns vielmehr von dem vetrauten und doch oft so schweren Text der Lutherbibel ausgehen und versuchen, die Worte in ganz schlichtes heutiges Deutsch zu übertragen.

Der erste Satz heißt in der Luther­bibel: „Seht doch, liebe Brüder, auf eure Berufung.“ Mit den „Brüdern“ sind die Gemeinde­glieder in Korinth gemeint, die „Schwes­tern“ natürlich ein­geschlos­sen. Und mit „Berufung“ ist gemeint, was für Leute Gott durch die Predigt des Evangeliums und durch die Taufe zusammen­gerufen hat. Wir können diesen Satz daher so übersetzen: „Liebe Mit­christen, macht euch doch mal klar, was für Leute Gott in der Gemeinde zum Glauben berufen hat.“ Diese Auf­forderung tut nicht nur den Korinthern gut, sondern jeder Gemeinde, auch uns in Fürsten­walde: Was sind das eigentlich alles so für Menschen, die hier in der Gemeinde unsere Mitchristen sind? Es ist gut, das einmal bewusst wahr­zunehmen.

Weiter geht es bei Luther: „Nicht viele Weise nach dem Fleisch, nicht viele Mächtige, nicht viele Angesehene sind berufen.“ „Nach dem Fleisch“ bedeutet nach den Maßstäben dieser Welt, nach äußerlichen Gesichts­punkten, im Gegensatz zum „Geist“, nämlich zum Heiligen Geist, nach Gottes Maßstäben also. Zur Gemeinde in Korinth gehörten demnach kaum Leute, die ein hohes Ansehen hatten, es waren vielmehr ganz einfache Typen. Leute wie die sogenannten Könige aus dem Morgenland gab es da nicht – die waren nämlich weise, die waren Weltspitze in Mathematik und Sternkunde. Sie hatten als königliche Berater in Babylonien viel Einfluss, viel Macht; und ihr Auftreten war so vornehm, dass der König Herodes in Jerusalem sich zu einer Privat­audienz mit ihnen bereit erklärte. Nein, diese gesell­schaftliche Klasse war in Korinth praktisch nicht vertreten, ebensowenig wie sie in unserer Gemeinde vertreten ist. Wir würden also für heute sagen und übersetzen (und können das direkt auf uns über­tragen): „In unserer Gemeinde gibt es nicht viele Hoch­intelligen­te; da gibt es auch praktisch keine Führungs­personen aus Wirtschaft oder Politik; und Prominente, die in Illustrier­ten abgebildet werden, sucht man bei uns ver­geblich.“

Ja, aber was für Leute gehören denn dann zu Gottes Gemeinde? Hören wir die nächsten beiden Verse im Luthertext: „Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er zuschanden mache, was stark ist; und das Geringe vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, damit er zunichte mache, was etwas ist.“ Keine Hoch­intelligen­ten, sondern schlichte Gemüter, vielleicht sogar ein bisschen beschränkt. Keine Führungs­personen, sondern eher Leute, die nicht viel auf die Beine stellen. Keine Promi­nenten, sondern Jedermanns, Nobodys, Nichtse. Ja, das gilt auch in unserer Gemeinde; wir bestehen haupt­sächlich aus ganz normalen Durch­schnitts­menschen, und das ist gut so. Denn dann kann Gott voll zum Zuge kommen und zeigen, was er mit ganz einfachen Menschen alles tut und macht: Er macht in der Taufe aus einfachen Menschen Heilige, viel heiliger als die sogenannten heiligen drei Könige es ur­sprünglich waren. Das können die Hoch­intelligen­ten nicht: sich selbst heilig machen. Und Gott gibt uns durch unser Beten die Macht, viele Dinge in der ganzen Welt in Bewegung zu setzen, ja, praktisch mit Gott die Welt zu regieren. Beten ist stärker als jeder politische Schachzug. Das können Führungs­personen nicht: mit ihren Gesetzen und Anweisungen auf der ganzen Welt Einfluss nehmen, bis in den hintersten Winkel. Und schließlich hat Gott uns in seinen himmlischen Thronsaal eingeladen, wo wir einst mit den wichtigsten Promis aller Zeiten beim Bankett sitzen werden, mit Abraham, mit Mose, mit David, mit Petrus und vor allem mit unserem König Jesus Christus. Da können sich die Stars unserer Zeit und aller Zeiten noch so sehr in den Vordergrund drängen, in den Himmel kommen sie auf diese Weise nicht, Gott lässt sich nicht durch weltlichen Ruhm blenden. Und darum übersetzen wir diesen Satz des Apostels Paulus so: „Gott hat sich solche Leute ausgesucht, die man allgemein für etwas beschränkt hält, und beschämt damit die Intelli­genten. Gott hat sich solche Leute ausgesucht, die im Leben nicht besonders viel in Bewegung setzen, und beschämt damit die großen Macher. Gott hat sich solche Leute ausgesucht, die aus ganz einfachen Verhält­nissen kommen und mit denen viele nichts zu tun haben wollen – sozusagen die Nichtse: Habe­nichtse, Tauge­nichtse und so weiter – , und beschämt damit diejenigen, die immer ganz groß 'rauskommen wollen.“

Macht sich Gott da einfach nur einen Spaß, dass er in seiner Kirche die Gesell­schafts­ordnung auf den Kopf stellt? Oder hat er was gegen Weise, Mächtige und Berühmte? Weder das Eine noch das Andere. Vielmehr will Gott damit etwas deutlich machen. Und was er damit deutlich machen will, das können wir an der Epiphanias-Geschichte erkennen, an der Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Wenn Gott nicht zur rechten Zeit den Weihnachts­stern an den Himmel gesetzt hätte, hätten sie trotz all ihrer Intelligenz nichts vom neu geborenen König erfahren. Wenn Gott nicht durch den Propheten Micha Bethlehem als Geburtsort des Erlösers voran­gekündigt hätte, dann hätte ihnen alle Macht und aller Einfluss am Königshof in Jerusalem nichts genützt, sie hätte nie heraus­gefunden, welchen Ort sie ansteuern mussten. Und wenn Gott ihnen schließlich nicht das Licht des Glaubens im Herzen angezündet hätte, dann hätten sie niemals vor einem ärmlichen Säugling in einer schäbigen Not­unterkunft nieder­gekniet und ihn angebetet; nie hätten sie für so einfache Menschen ihre Schatz­kisten geöffnet und die wert­vollsten Dinge hergegeben. Alles, alles musste Gott tun. Und das ist gut so. Und das ist noch heute so, wo es um unser Verhältnis zu Jesus und zum Reich Gottes geht.

Der letzte Satz des Predigt­textes sagt es klar und schlicht: „Damit sich kein Mensch vor Gott rühmt.“ Damit sich keiner vor Gott mit seiner Intelligenz brüsten kann oder mit seiner Macht oder mit seiner Beliebt­heit. Damit keiner auf die Idee kommt, bei Gott würden Ellenbogen etwas nützen, und seien es auch fromme Ellenbogen. Damit sich niemand einbildet, er kommt mit seinem Leben im großen und ganzen schon selbst klar und brauche Gott nur als Pannen­helfer oder als Segens-Schmier­mittel für gutes Gelingen der eigenen Pläne. Nein, so läuft das bei Gott nicht. Zu Gott findet nur, wer bei ihm erstmal Konkurs anmeldet, wer vor dem kleinen Kind in der Krippe selber ganz klein wird und sich von Gott zeigen lässt, wie groß dieses Kind in Wahrheit ist: Gottes Sohn, Herr und König über alles, Schöpfer Himmels und der Erden. Auf diese Weise – und nur auf diese Weise! – kommen dann auch ein paar Hoch­intelligen­te, ein paar Mächtige und ein paar Prominente in Gottes Gemeinde – aber nur, wenn sie vorher ihre Klugheit, ihr Macher­gehabe und ihre Ehrsucht an der Garderobe abgeben und den Gottessohn demütig anbeten. Und der beschenkt sie dann mit so großen Schätzen, wie die Welt sie nicht kennt und niemals erkennen wird: Vergebung der Sünden, Gottes­kindschaft und ewiges Leben.

Hören wir uns nun zum Abschluss noch einmal im Zusammen­hang an, wie der Predigttext in unserer zeitgemäßen Übersetzung klingt: „Liebe Mit­christen, macht euch doch mal klar, was für Leute Gott in der Gemeinde zum Glauben berufen hat. In unserer Gemeinde gibt es nicht viele Hoch­intelligen­te; da gibt es auch praktisch keine Führungs­personen aus Wirtschaft oder Politik; und Prominente, die in Illustrier­ten abgebildet werden, sucht man bei uns vergeblich. Gott hat sich solche Leute ausgesucht, die man allgemein für etwas beschränkt hält, und beschämt damit die Intelli­genten. Gott hat sich solche Leute ausgesucht, die im Leben nicht besonders viel in Bewegung setzen, und beschämt damit die großen Macher. Gott hat sich solche Leute ausgesucht, die aus ganz einfachen Verhält­nissen kommen und mit denen viele nichts zu tun haben wollen – sozusagen die Nichtse: Habe­nichtse, Tauge­nichtse und so weiter – , und beschämt damit diejenigen, die immer ganz groß rauskommen wollen. Das tut Gott, damit sich vor ihm niemand etwas auf sich selbst einbilden kann.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2006.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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