Gottes schöner neuer Tempel

Predigt über Epheser 2,19‑22 zum 2. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Zur Zeit des Neuen Testaments war der Tempel das größte Gebäude in der Stadt. Er war auf einem festen Fundament gegründet, nämlich auf den Felsen des Berges Zion. Seine Mauern bestanden aus weißen Steinen, die mit Gold verziert waren. Jeder einzelne Stein war handwerk­lich sauber zurecht­gehauen worden. Mit großem Geschick hatte man die Steine zu dem be­eindrucken­den Bauwerk zusammen­gefügt. Die Bewohner Jerusalems hatten Gottes Haus stets vor Augen über den Dächern ihrer Stadt. Das ganze Volk der Juden kannte den Tempel, und die meisten fremden Völkern hatten von diesem herrlichen Gebäude doch wenigstens schon einmal gehört.

Zu Jesu Zeiten strömten täglich viele Menschen zum Tempel. Die Nicht-Juden unter ihnen mussten freilich im äußersten Vorhof bleiben; sie waren gewisser­maßen nur als Zaungäste geduldet; sie sahen das Heiligtum nur von ferne. Die jüdischen Frauen und Kinder mussten im Vorhof der Frauen bleiben, die Männer durften näher an das eigentliche Heiligtum heran­treten. Mit einer Schranke war dann noch einmal ein Bereich abgeteilt, den nur die Priester betreten durften. Innen drin im Heiligtum trennte ein Vorhang das sogenannte Aller­heiligste ab, wo ur­sprünglich die Bundeslade stand. Dieser Raum galt als Sitz der gnädigen Gegenwart Gottes. Allein dem Hohen­priester war es gestattet, dort einmal im Jahr hinein­zugehen, so hatte Gott es im Gesetz des Mose verordnet.

Als dann Jesus am Kreuz Gott mit der Welt versöhnte, da zerriss dieser Vorhang im Tempel. Gottes alter Bund mit Israel ging damit zuende, die alten Gesetze waren nun erfüllt, und der verheißene neue Bund brach an. Der Vorhang der Sünde trennt nun nicht mehr Gott von den Menschen, denn Jesus hat ihn zerrissen. Nun können alle, die an Jesus glauben, ungehindert vor Gott treten, weil sie mit ihm versöhnt sind: Priester und Männer und Frauen und Kinder aus allen Völkern! Darum schrieb der Apostel Paulus den heidnischen Gemeinde­gliedern in Ephesus (also den Christen, die keine Juden waren): „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Haus­genossen.“

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, weil wir keine Juden sind, können wir dieses Wort direkt auf uns beziehen: Ja, auch wird sind „Mitbürger der Heiligen“, auch wir sind „Gottes Haus­genossen“! Weil das so ist, finden wir in diesem Bibel­abschnitt sieben Gründe, uns zu freuen.

Das ist der erste Grund zur Freude: Wir haben einen neuen Tempel! Es ist das Gotteshaus, von dem Paulus hier redet. Damit meint er den Tempel der ganzen Christen­heit. Zwar kann man ihn nicht sehen, aber er ist noch herrlicher als der alte Tempel; ja, er ist herrlicher als alle Gebäude der Welt. Wir aber sind „Haus­genossen“ in diesem Gotteshaus mit allen Heiligen, also zusammen mit allen anderen Christen. Wir sind ja ganz nahe bei Gott: Wir dürfen mit ihm reden, wenn wir beten. Wir dürfen in der Bibel seine Stimme hören. Wir dürfen uns an seinem Tisch sättigen, wenn wir das Heilige Abendmahl feiern. Ja wirklich, wir alle! Da gibt es keinen Christen, der in diesem neuen Tempel das Heiligtum nur von fern anschauen darf. Angehörige fremder Völker müssen nicht weiter entfernt bleiben als Juden, Schwarze nicht weiter als Weiße, An­alphabeten nicht weiter als Gebildete, Frauen nicht weiter als Männer, Kinder nicht weiter als Erwachsene, Gemeinde­glieder nicht weiter als Pastoren. In Gottes neuem Tempel ist keiner ein Zaungast oder ein Fremdling, sondern wir alle sind ganz nahe dran beim Herrn dieses Tempels.

Das ist der zweite Grund zur Freude: Wir sind die Steine des neuen Tempels! Der Apostel Paulus schrieb: „Ihr seid erbaut.“ Der Apostel Petrus hat es ähnlich formuliert: „Erbaut euch als lebendige Steine zum geistlichen Hause“ (1. Petrus 2,5). Gott baut den neuen Tempel als ein lebendiges Haus mit lebendigen Steinen, nämlich mit uns Christen. Dabei sind wir ja eigentlich nicht würdig, zu so einem heiligen Gebäude auferbaut zu werden, denn wir sind Sünder. Aber Jesus hat uns durch sein Blut gereinigt. Man könnte sagen: Er hat uns lebendige Steine zurecht gehauen, er hat uns glatt gemacht. Durch Jesus sind wir jetzt wunderbar passende weiße Stein­quader. Wie herrlich! Gott erhöht uns mit großen Ehren, wenn er uns als Stein für sein Haus gebraucht.

Das ist der dritte Grund zur Freude: Der neue Tempel ruht auf einem festen Fundament! Der Apostel Paulus schrieb: „Ihr seid erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten.“ Die Apostel und die Propheten sind die Felsblöcke dieses Fundaments, denn der Heilige Geist hat ihnen Gottes Wort offenbart. Im Alten Testament finden wir Gottes Wort im Zeugnis von Propheten wie Mose, Samuel, Jesaja oder Hesekiel. Im Neuen Testament finden wir Gottes Wort im Zeugnis von Aposteln wie Matthäus, Johannes, Paulus oder Petrus. Das Wort Gottes, das wir mit dem Zeugnis der Apostel und Propheten haben, ist das feste Fundament der christ­lichen Kirche. Es ist ganz wichtig, ein gutes Fundament zu haben. Bei alten Gebäuden mit schlechtem Fundament kann man Risse sehen, oder sie verfallen sogar gänzlich. Die christliche Kirche aber fällt nicht zusammen, denn sie ist gegründet auf dem Grund der Apostel und Propheten. Darum ist es sehr wichtig, dass wir an Gottes Wort so festhalten, wie die Bibel es uns lehrt!

Das ist der vierte Grund zur Freude: Der neue Tempel hat einen besonders wertvollen Eckstein! Der Apostel Paulus schrieb: „Ihr seid erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist.“ Der Eckstein ist der wichtigste Stein des ganzen Gebäudes. Ohne diesen Stein könnte der neue Tempel gar nicht gebaut werden. Von diesem Stein heißt es im 118. Psalm: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.“ Jesus wurde einst von den führenden Juden verworfen, er musste leiden und sterben. Nun aber ist er zum Herrn aller Herren geworden, zum König der Herrlich­keit, zum Eckstein seiner Kirche. Die ganze Christen­heit ist auf seiner Liebe aufgebaut, auf seiner Barmherzig­keit und auf seiner Herrschaft.

Das ist der fünfte Grund zur Freude: Die Steine des neuen Tempels sind kunstvoll zusammen­gefügt! Der Apostel Paulus schrieb: „Der ganze Bau ist ineinander gefügt.“ Nur zusammen­gefügt, nur gemeinsam können wir Steine von Gottes Haus sein. Ein einzelner Stein ergibt keine Mauer, geschweige denn ein ganzes Gebäude. Aber Gott hat uns kunstvoll zusammen­gefügt zu seinem Haus. Ich stelle mir dabei vor, dass wir so verschieden sind wie die Feldsteine einer alten Dorfkirche. Wenn man sich die Mauern von alten Dorfkirchen einmal genauer anschaut, dann staunt man darüber, wie kunstvoll die unter­schiedlich großen und unter­schiedlich geformten Feldsteine da zusammen­gefügt sind. In gleicher Weise sind wir Christen unter­schiedliche Menschen, die Gott in seiner Weisheit zu seinem Tempel erbaut.

Das ist der sechste Grund zur Freude: Der neue Tempel ist noch nicht fertig, er wächst noch! Und das bedeutet: Er wird immer schöner! Der Apostel Paulus schrieb: „Der ganze Bau wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.“ Aus diesem Grund braucht Gott noch viel mehr Steine. Lasst uns also mit anderen Menschen über Christus reden! Lasst sie uns einladen, zusammen mit uns lebendige Steine der christ­lichen Kirche zu werden! Vielleicht aber sind wir selbst auch noch gar nicht richtig in die Tempelmauer eingefügt. Vielleicht bin ich als Stein noch zu groß, mir fehlt es an Demut, und Gott muss mich noch behauen und kleiner machen. Vielleicht bin ich als Stein noch zu rauh, mir fehlt es an Liebe, und Gott muss mich noch glätten. Vielleicht habe ich noch nicht den richtigen Platz in der Mauer gefunden, vielleicht diene ich in der christ­lichen Gemeinde noch nicht so, wie es meinen Gaben entspricht, und Gott muss mir erst noch den Platz zeigen, an dem er mich haben will. Erst wenn es mit dieser Welt zuende geht, wird der neue Tempel vollendet sein.

Was ist nun der siebte Grund zur Freude? Der Apostel Paulus schrieb am Schluss dieses Abschnitts: „Ihr werdet mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“ Wir können sagen: Der Heilige Geist ist gewisser­maßen der Mörtel des neuen Tempels. Ja, das ist die siebte Freude! Der Heilige Geist macht, dass aus vielen Einzel­steinen eine solide Mauer wird; er fügt alle Christen zu der einen heiligen christ­lichen Kirche zusammen. Über dieses heilige Haus wollen wir uns von Herzen freuen! Gott Vater ist der Baumeister, wir sind die Steine, die Apostel und Propheten sind das Fudament, Jesus Christus ist der Eckstein und der Heilige Geist ist der Mörtel, der das Gebäude perfekt zusammen­hält – ein Tempel zu Gottes Ehre und zu unserer Freude, jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1994.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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