Die Uniform der Christen

Predigt über Jesaja 61,10a

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

In England tragen Schüler Schul-Uniformen. In Afrika tragen christliche Frauen Frauenkreis-Uniformen. In Amerika tragen Kirchen­chöre Chor-Uniformen. In Deutschland sind solche Uniformen un­gebräuch­lich; Uniformen erinnern uns eher an Soldaten, Polizei, Feuerwehr oder Schützen­vereine.

Was haben Uniformen zu bedeuten? Man könnte denken: dass alle, die sie tragen, gleich aussehen. Aber das stimmt nicht; trotz Uniformen gibt es viele Unter­schiede zwischen den Menschen: Sie bleiben Große und Kleine, Dicke und Dünne, Alte und Junge, Kurzhaarige und Lang­haarige, Bebrillte oder Un­bebrillte, Bärtige oder Rasierte. Uniformen machen nicht gleich, aber sie zeigen: Ich gehöre dazu. Zu einer bestimmten Schule zum Beispiel, zum Frauen­kreis, zum Chor, zum Militär, zur Polizei, zur Feuerwehr oder zum Schützen­verein. Ich gehöre dazu – zu einer Organi­sation, die mehr ist als ein zufällig zusammen­gewürfelter Haufen Menschen. Ich gehöre dazu; meine Uniform zeigt es allen Leuten.

Auch wir Christen tragen gewisser­maßen eine Uniform. Es ist freilich nicht eine Uniform, die man auf den ersten Blick sehen kann. Vielmehr handelt es sich um eine unsichtbare Uniform, getragen vom geistlichen Menschen, vom inneren Menschen. Es sind die „Kleider des Heils“ und es ist der „Mantel der Gerechtig­keit“, von denen der Prophet Jesaja geweissagt hat. Auch diese Christen-Uniform bedeutet: Ich gehöre dazu; ich gehöre zu Gottes Volk; ich bin ein Kind Gottes, ein Bürger seines Reiches. Alle, die zu Gottes Reich gehören, tragen diese Uniform.

Was ist das nun aber für eine Uniform, diese „Kleider des Heils“ und dieser „Mantel der Gerechtig­keit“? Der Prophet Jesaja hat in der hebräischen Sprache für „Heil“ das Wort Jescha verwendet. Jescha bedeutet „Heil“ oder „Rettung“. Zu diesem hebräischen Wort gibt es einen passenden Namen; er lautet Jeschua. Es ist die aramäische Fassung des Namens Jesus. Jeschua beziehungs­weise Jesus heißt „Heiland“ und „Retter“, weil Jescha „Heil“ und „Rettung“ bedeutet. Wenn Jesaja nun sagt: „Gott hat uns die Kleider des Heils angezogen“, dann bedeutet das: Gott hat uns die Kleider Jesu angezogen – die Kleider, die unser Heiland und Retter Jesus Christus uns teuer erworben hat mit seinem Leiden und Sterben. Der Stoff, aus dem diese Kleider gemacht sind, ist Christi Unschuld, Christi Reinheit, Christi Heiligkeit, Christi Gehorsam, Christi Liebe, Christi Erniedri­gung bis hin zum Tode am Kreuz, schließlich Christi Opfertod. Was für kostbare Kleider, was für eine wunderbare Uniform! Sie zu tragen heißt glauben. Und wer glaubend diese Kleider trägt, der darf ewig leben, denn er wird im Jüngsten Gericht vor Gott bestehen und in den Himmel kommen.

Dasselbe bedeutet der „Mantel der Gerechtig­keit“. Wir dürfen uns da keinen Winter­mantel oder Regenmantel aus heutiger Zeit vorstellen. Es handelt sich vielmehr um einen ärmellosen Überwurf, der dem Träger besondere Würde verleiht; ein sehr vornehmens Kleidungs­stück also. Könige und Priester haben damals solche Gewänder getragen. Der unsichtbare „Mantel der Gerechtig­keit“, den wir Christen tragen, bedeutet, dass wir nun zum königlichen Priestertum des Gottes­volkes dazu­gehören. Jesus Christus, unser König und Hoher­priester, hat uns durch die Taufe selbst zu Königen und Priestern gemacht. Und wieder ist es ein ganz besonderer Stoff, aus dem dieser Mantel besteht: Es ist eben die Gerechtig­keit – Christi Gerechtig­keit. Jesus Christus macht alles richtig, es ist kein bißchen Sünde an ihm. Er hat alles gehorsam ausgeführt, was der himmlische Vater ihm aufgetragen hatte, bis hin zum bitteren Tod. Ja, das ist seine Gerechtig­keit. Und mit dieser Gerechtig­keit Christi werden wir Menschen über­kleidet, die wir von Natur ungerecht, sündig und unrein sind. Der Mantel der Gerechtig­keit macht uns gerecht. Wenn wir ihn tragen, also wenn wir glauben, dann spricht Gott uns Sünder gerecht, weil all unsere Un­gerechtig­keit von Christus getragen wurde und nun vergeben ist.

Ja, das ist unsere Christen-Uniform: die „Kleider des Heils“, der „Mantel der Gerechtig­keit“. Diese Uniform macht, dass wir dazugehören zum Volk Gottes – ebenso wie die Uniformen der Welt zeigen, dass jemand dazugehört: zu dieser Schule zum Beispiel, zu jenem Chor, zum Frauen­kreis, zur Polizei, zur Feuerwehr oder zum Schützen­verein. Darum wollen wir unsere Christen-Uniform jetzt einmal mit solchen anderen Uniformen vergleichen und dabei heraus­finden, was sie gemeinsam haben beziehungs­weise was sie unter­scheidet.

Die Uniformen der Welt müssen gekauft werden. Oft muss derjenige, der sie trägt, selbst dafür bezahlen. So ist das zum Beispiel bei den Schul­uniformen. Manche Uniformen müssen auch durch Leistung oder Wissen bezahlt werden. Bei manchen höheren Schulen muss man erst eine Aufnahme­prüfung bestehen, um dazu­zugehören und die Uniform tragen zu dürfen. Wenn man eine Polizei‑ oder Feuerwehr-Uniform tragen will, muss man erst die ent­sprechende Ausbildung absol­vieren. Anders ist das bei der Christen-Uniform, bei den Heils­kleidern: Gott schenkt sie uns frei und umsonst, ohne Vor­bedingungen oder Aufnahme­prüfungen. Er hat uns die Kleider des Heils einfach angezogen. Das einzige, was ich tun muss ist: Mir das gefallen lassen, also sie nicht wieder ausziehen und wegwerfen. Das ist der Glaube an Jesus Christus – nichts anderes, nicht mehr.

Die Uniformen der Welt sind immer nur für bestimmte Menschen geeignet. Nur Schüler tragen Schul-Uniformen, nur Sänger Chor-Uniformen, nur ver­heiratete Frauen Frauenkreis-Uniformen. Andere sind von vornherein aus­geschlos­sen, sie gehören nicht dazu. Ein Mann kann eben nicht eine Frauenkreis-Uniform tragen und dazu­gehören, selbst wenn er das gern wollte. Anders ist das bei der Christen-Uniform, bei den Kleidern des Heils: Sie sind für alle da. Ganz deutlich wird das im Missions­befehl, wo Christus sagt: „Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker“ (Matth. 28,19). Nicht nur das Volk Israel ist zum Heil gerufen, sondern auch alle anderen Völker, aus Sicht Israels die sogenannten Heiden­völker. Es gibt auch kein Mindest­alter und kein Intelligenz-Limit. Jesus hat aus­drücklich auch die kleinen Kinder ins Reich Gottes eingeladen, ja sogar die Säuglinge: „Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn ihnen gehört das Reich Gottes“ (Matth. 19,14). Darum ist es recht, Säuglinge zu taufen. Da zieht Gott auch ihnen die Kleider des Heils an, da tragen auch sie schon die Christen-Uniform und gehören dazu.

Die Uniformen der Welt können das Verhalten der Träger in gewisser Hinsicht verändern. Uniformen haben eine gewisse Würde; man benimmt sich in ihnen anders als zum Beispiel in der Badehose. Natürlich hat das seine Grenzen. Wenn man Kinder in Schul-Uniformen steckt, werden sie deswegen ganz bestimmt nicht immer würdig einher­schreiten, sondern sie werden sich weiter kindlich benehmen. Die Christen-Uniformen, die Heils­kleider, bewirken mehr: Wer sie trägt, wird eine neuer Mensch, wird vom Heiligen Geist neu geboren, neu geschaffen. Von Grund auf wird er neu, er bekommt ein neues Herz. Das alles ist zwar in dieser Welt noch unvollendet und im Werden, aber es zeigt sich doch immer wieder. Im Himmel wird diese Neu­schöpfung dann vollendet sein. Mit den Kleidern des Heils und dem Mantel der Gerechtig­keit bleiben wir nicht die Alten, denn wir gehören ja nun zu dem, der sagt: „Siehe, ich mache alles neu“ (Offen­barung 21,5). Wirklich alles!

Den Uniformen dieser Welt stehen viele kritisch gegenüber, besonders in Deutsch­land. Wahrschein­lich sind deshalb Schul-Uniformen in Deutschland auch verpönt. Man hat Angst vor Gleich­macherei; man hat Angst, dass die per­sönlichen Unter­schiede verwischt werden, die sich nicht zuletzt auch in der Kleidung ausdrücken. Ich weiß nicht, wie berechtigt solche Vorbehalte sind. Ich weiß nur, dass eine Uniform die Menschen nicht völlig gleich­macht. Ich habe es ja schon am Anfang gesagt: Trotz Uniform bleiben die Menschen weiter Dicke und Dünne, Große und Kleine, Junge und Alte und so weiter. Auch bei den Kleidern des Heils braucht niemand Gleich­macherei zu fürchten, bei der Christen-Uniform. Denn das ist ja gerade das Schöne: Christen bleiben einzig­artige Persönlich­keiten mit ihren besonderen Anlagen und Schöpfungs­gaben. Ja, diese persön­lichen Eigenarten und Gaben werden durch die Kleider des Heils mit-geheiligt, sodass sie zur Ehre Gottes dienen. Wer gern singt, singt nun zur Ehre Gottes; wer viel weiß, kann andere lehren; wer eine fröhliche Aus­strahlung hat, kann andere einladen; wer mit Geld umgehen kann, führt vielleicht die Gemeinde­kasse; wer stark ist, kann helfen; wer schwach, krank oder alt ist, hat viel Zeit zum Beten. Wer eine afri­kanische Frau ist, zieht die Frauenkreis-Uniform an und besucht bedürftige Gemeinde­glieder. Wer ein Mann ist und Gottes Ruf erhält, zieht den Talar an und wird Pastor oder Missionar. Nein, die Christen-Uniform macht uns nicht alle gleich. Aber sie macht uns alle eins, eins in dem Herren Jesus Christus. Das ist ein Unter­schied.

Lasst uns zum Schluss auf den Anfang unseres Bibelwortes blicken: „Ich freue mich in dem Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott.“ Gleich in den ersten Worten steckt in der hebräischen Sprache eine Ausdrucks­weise drin, die wir im Deutschen gar nicht nachmachen können: „Ich freue mich, um mich zu freuen“, so ungefähr müsste es heißen, oder „Ich freue, freue mich“, oder „Ich freue mich unbändig.“ Diese unbändige Freude begleitet uns, wenn wir daran denken, was für eine wunderbare Uniform wir geschenkt bekommen haben. „Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn er hat mir die Kleider des Heils angezogen und mich mit dem Mantel der Gerechtig­keit gekleidet.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1993.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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