Dank für Brot und Wort

Predigt über 1. Könige 17,1‑6 zum Erntedankfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Auch wenn keine Raben kommen, die uns mit Fleisch und Brot speisen, werden wir doch Tag für Tag satt. Mehr noch: Wir dürfen uns an genügend wohl­schmecken­der, ab­wechslungs­reicher und gesunder Nahrung erfreuen. Und auch wenn uns Gott nicht mit Wasser aus dem Bach Krit tränkt, brauchen wir keinen Durst zu leiden, sondern können ihn stets stillen – nicht nur mit Wasser, sondern auch mit Sprudel und Cola, mit Fruchtsaft und Kaffee, mit Bier und Wein und Milch und vielem mehr. Und auch wenn wir Gottes Stimme nicht so unmittelbar hören wie der Prophet Elia, redet Gott auch an – hier in der Kirche, zu Hause und wann immer wir Andacht halten, wann immer wir in der Bibel lesen. Für all dies lasst uns dem himmlischen Vater von Herzen loben und danken: für das Brot, für das Wort und für den, der selbst Brot und Wort ist.

Erstens: Danke für das Brot! Danke, Gott, dass du uns reichlich versorgst mit allem, was unser Leib nötig hat! Ja, bei Gott müssen wir uns zuallererst bedanken und auch zualler­letzt, weil wir letztlich alles ihm zu verdanken haben. Wenn wir das fest­stellen, dann soll damit keineswegs das Verdienst der Landwirte geschmälert werden, auch nicht das der Bäcker und Schlachter und Kaufleute und all derer, die sich um das tägliche Brot mühen und die mit Fleiß, Sorgfalt und Sach­verstand zu unserer hohen Lebens­qualität beitragen. Aber wer gab ihnen Gesundheit und Gelegenheit dazu? Wer gab den Früchten des Feldes das Gedeihen? Wer bewahrte uns vor Kriegen und Kata­strophen, die die Früchte der Arbeit im Nu zunichte machen können? „Ach Herr, mein Gott, das kommt von dir, / du, du musst alles tun, / du hältst die Wach an unsrer Tür / und lässt uns sicher ruhn.“ Ja, es hat sich in den knapp dreitausend Jahren seit den Tagen des Elia nichts Wesent­liches geändert: Der Gott, der Elia durch Raben speiste und vom Bach Krit tränkte, der hat uns durch unsere hoch­techni­sierte Wirtschaft und durch den Fleiß vieler Menschen gespeist und getränkt; dafür gebührt ihm aller Dank. Ein biblisches Sprichwort sagt es ganz deutlich: „Der Segen des Herrn allein macht reich, und nichts tut eigene Mühe hinzu“ (Sprüche 10,22). Die Mühe des Menschen kann niemals mehr er­wirtschaf­ten, als was der segnende Gott uns geben will. An Gottes Segen ist alles gelegen.

Wir übersehen das leicht, weil wir vergesslich sind und weil wir uns gern etwas auf unser eigenes Tun einbilden. Deshalb muss Gott uns von Zeit zu Zeit daran erinnern. Er tut es, indem er mal eine Weile seine segnende Hand ein bisschen zurück­zieht, damit wir merken, von wem alles kommt. Der Landwirt versteht die Botschaft einer Dürre­periode gut: „Der Segen des Herrn allein macht reich…“ Die Trockenheit zu Elias Zeit vermittelte dieselbe Botschaft. Der Prophet musste sie ankündigen mit den Worten: „So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“ Der Schluss ist ganz wichtig, liebe Gemeinde, nämlich die Worte: „Ich sage es denn.“ Erst wenn Gott sein Schöpfer-Machtwort spricht, wird es wieder regnen und die Erde fruchtbar werden. Wenn Gott aber sein Wort zurückhält, bleibt es trocken, und die Not stellt sich ein. Elia hatte dies dem gottlosen König Ahab aus­zurichten. Seine Frau Isebel, die bei den heidnischen Phöniziern auf­gewachsen war, hatte ihren Mann zum Baalskult und anderen Sünden an­gestachelt. Der Götze Baal, so meinte man, sei der rechte Fruchtbar­keits­gott für das Land; wenn man ihn durch Opfer und Anbetung bei Laune halte, dann würden die Früchte des Feldes wachsen und gedeihen. Irrtum, sagte Gott durch Elia, mit der Fruchtbar­keit des Feldes läuft gar nichts, es sei denn, ich sage es – ich, der eine wahre und lebendige Gott, nicht Baal. Und um zu beweisen, dass Baal nichts kann, und um Israels Abfall zu strafen, verordnete Gott eine jahrelange Dürre, insgesamt dreieinhalb Jahre. Machen wir nun nicht denselben Fehler, dienen wir nicht den modernen Götzen Fortschritt oder Fleiß oder wie sie auch heißen! Erwarten wir nicht von ihnen den Erntesegen, sondern bitten wir den lebendigen Gott darum und danken ihm dafür. Ja, danke, Gott, für das Brot!

Und zweitens auch: Danke für das Wort! Danke, Gott, dass du mit uns Menschen redest – mit unheiligen Sündern! Und danke für deine großen Ver­heißungen! Was eine Verheißung ist, das lehrt uns diese Geschichte ebenfalls. Der arme Elia musste also eine eine Trockenheit mit Hungersnot ankündigen. Dabei geriet er in doppelte Gefahr: Erstens hatte er selbst unter der Hungersnot zu leiden, und zweitens musste er den Zorn des Königs Ahab fürchten und seiner Frau Isebel, die absolut nicht begeistert waren über Elias Gerichts­wort. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass ein Bote für die schlechte Botschaft gestraft wird, die er überbringt. Elia tat also gut daran, sich schleunigst aus dem Gesichts­kreis des Königs zu entfernen. Und dann kommt es – dann kommt Gottes Verheißung für Elia: „Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt. Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Rabe geboten, dass sie dich dort versorgen sollen.“ Genauso geschieht es dann: Gott hält sein Vesprechen und versorgt Elia an der be­zeichneten Stelle mit Wasser, Brot und Fleisch. Gott steht zu seinem Wort, Gott erfüllt seine Verheißung. Gott zeigt damit zugleich, wie unter­schiedlich seine Hilfe aussehen kann: Das Wasser des Baches kommt durch den natürlichen Kreislauf zu Elia; Gott hilft durch die von ihm er­schaffenen Natur­gesetze. Fleisch und Brot aber werden von Raben gebracht; das ist ein Wunder, hier hilft Gott auf über­natürlich Weise. Wir sehen an dieser Geschichte, was Gott so alles kann.

Nun fragt sich vielleicht einer: Wenn Gott so etwas kann, warum schickt er denn nicht mal ganz viele Raben mit Brot und Fleisch zu allen Hungernden der Welt? Das ist eine schwierige Frage. Viele Menschen zweifeln wegen dieser Frage an Gottes Allmacht. Und ich muss zugeben, dass ich für diese Frage keine letzte und be­friedigende Antwort habe. Natürlich können wir Gott zugute halten, dass er ja genug Nahrung wachsen lässt, um auch in Dürrejahren die gesamte Welt­bevölkerung zu ernähren. Noch dazu hat der Mensch heute ungeahnte technische Möglich­keiten, um Nahrung zu lagern und zu trans­portieren. Wenn die Hungernden der Welt nicht genug haben, muss man das also eigentlich auf den Egoismus und die Streitsucht der anderen Menschen zurück­führen, die die gerechte Verteilung verhindern. Man kann auch erwidern: Frag nicht so viel, sondern tu was! Ich bin der Meinung: Wenn sich einer täglich sattessen kann und ein eigenes Einkommen hat, dann ist es nur recht und billig, den Armen davon abzugeben; das ist eine ganz elementare Form der Nächsten­liebe. Es wäre un­barmherzig, wenn wir von unserem Überfluss nur kärglich abgeben würden, vielleicht nur zu Weih­nachten. Aber wie gesagt: Mit solchen Über­legungen können wir die Frage nicht vollständig klären, warum Gott zulässt, dass so viele Menschen hungern und verhungern. Warum tut er nicht ein Wunder wie bei Elia mit den Raben? Warum hilft er nicht wenigstens auf natürliche Weise, wie bei Elia mit dem Bach? Wir können nur sagen: Gott hat das nicht verheißen. Was er dem Elia versprochen hat, hat er nicht allen Menschen ver­sprochen. Gott muss nicht alles tun, was er kann. Wo er sich nicht durch Ver­heißungen selbst gebunden hat, ist er frei, zu tun und zu lassen, was er will. Wenn er uns durch Hungersnöte und andere Kata­strophen zeigen will, dass wir in einer gefallenen und sünden­verseuchten Welt leben, so müssen wir vor diesem Ratschluss verstummen und können ihm nur als Schöpfer und Herrn die Ehre geben, wie Hiob es in seinem großen Leid tat. Wir müssen nüchtern zur Kenntnis nehmen: Gott lässt auch heute noch Hungersnöte zu, so wie damals in Israel. Seine Verheißung an Elia war zudem zeitlich befristet; irgendwann trocknete der Bach aus, und Elia musste weiter­ziehen. Gott hat uns nicht verheißen, dass wir auf Erden in stetem Wohlstand leben werden. Auch in unserem Land können durchaus wieder Hungersnöte kommen, und auch in unser Leben können Krankheit und Not einbrechen. Schließ­lich: Vor der Todesnot bewahrt Gott keinen von uns, egal ob wir hungern oder satt sind. Nein, Gott garantiert uns nichts vom irdischen Segen. Um so dankbarer dürfen wir für das sein, was er uns verheißen hat und was viel wertvoller ist als das tägliche Brot, für sein Wort nämlich: Danke für das Wort!

Die wert­volleren Güter, die Gott uns für Zeit und Ewigkeit versprochen hat, empfangen wir durch den Glauben an Jesus Christus. Für ihn wollen wir – drittens – Gott am aller­meisten danken. Er ist das Fleisch gewordene Wort Gottes. Er hat gesagt: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh. 6,48). Ja, Herr, danke für den, der das Brot und das Wort ist!

Schon das Alte Testament weist hin auf ihn, verborgen in den Geschichten des Volkes Israel. Auch in unserer Geschichte können wir Jesus Christus finden. Erinnern wir uns: Was brachten die Raben dem Elia? Fleisch und Brot brachten sie. Das erinnert daran, wie Gott das Volk Israel in der Wüste gespeist hatte: nämlich auch mit Fleisch vom Himmel und mit Brot vom Himmel, mit Wachteln und Manna. Daran erinnerte Jesus, als er sagte: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Und er sprach dann die Verheißung Gottes offen aus, die an dieses Brot geknüpft ist: „Wer davon isst, wird leben in Ewigkeit“ (Joh. 6,51). Dazu ist Jesus in die Welt gekommen: Um Vergebung der Sünden und ewiges Leben zu bringen. Gott hat uns nicht ver­sprochen, dass wir niemals leiblichen Hunger leiden müssen, aber dies hat er ver­sprochen: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“ (Markus 16,16). Das besiegelt er den Gläubigen immer wieder aufs neue durch seinen Sohn Jesus Christus, der durch Wort, Taufe und Abendmahl zu uns kommt. Danke, Herr, für den, der Brot und Wort ist!

Ja, besonders an das Heilige Abendmahl wollen wir an dieser Stelle denken. Da speist Gott uns wie die Israeliten in der Wüste und wie den Elia am Bach Krit: Er speist uns mit Brot und Fleisch vom Himmel. Er verbindet die natürliche Speise mit dem Wunder aller Wunder. Das natürliche Brot wird durch Gottes Schöpfer­wort zum Fleisch dessen, der das Brot des Lebens ist. Gottes hoch­heiliger Leib verbindet sich mit Menschen­speise, die der Bauer geerntet und der Bäcker gebacken hat, die aber letztlich von ihm selber kommt, dem himmlischen Vater. Und Gott knüpft an diese Speise seine große Verheißung: „Für euch gegeben zur Vergebung der Sünden.“ Jesus sagte: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben“ (Joh. 6,54). Darum lasst uns Gott danken für Brot und Wort und am aller­meisten für den, der das Brot und das Wort ist. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1992.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum