Hinter den Kulissen der Welt

Predigt über Lukas 10,17‑20 zum Michaelisfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn sich die dicken Türen der Konferenz­säle und Besprechungs­zimmer hinter den Mächtigen der Welt schließen, wer würde da nicht gern einmal Mäuschen spielen wollen? Wer würde nicht gern einmal miterleben, wie hinter den Kulissen der Welt­geschichte Welt­geschichte gemacht wird? Wir würden uns sicher ganz schön wundern, was da so im Geheimen besprochen und beschlossen wird. Oft wird es sich ganz anders anhören als das, was die Mächtigen vor Presse und Welt­öffentlich­keit sagen. Manchmal kommt ja tatsächlich heraus, was nicht für die Öffentlich­keit bestimmt war.

Aber die Größen aus Politik und Wirtschaft sind nur scheinbar die Mächtigen der Welt, wenn sie hinter ver­schlossenen Türen ihre Fäden spinnen und ihre Drähte ziehen. Gottes Wort gestattet uns einen weiter­gehenden Blick hinter die Kulissen der Welt, zum Beispiel hier mit diesem Abschnitt. Da ist die Rede von den Fürsten, Mächten und Gewalten, die nicht aus Fleisch und Blut sind, die sich noch mehr verborgen halten als die mensch­lichen Machthaber, deren Einfluss jedoch schier un­ermesslich ist. Es ist Satan mit seinem Heer, der „Fürst dieser Welt“ mit seinen Anhängern, der Drache und seine Dämonen, die alte Schlange, der Teufel und die bösen Geister. Es sind die Engel, die gegen Gott rebel­lieren, die ihm den Gehorsam auf­kündigten und nun Menschen mit sich in das Verderben ziehen wollen, das ihnen bestimmt ist.

Der Teufel steckt dahinter, wenn Menschen Toten­geister zu treffen meinen, wenn man wahrsagt, wenn man Tische rückt, wenn man sich besprechen lässt, wenn Esoterik und heidnische Kulte Menschen in ihren Bann ziehen, wenn Rockmusiker mit satanischen Texten Jugendliche in Ekstase bringen. Der Teufel steckt ebenfalls dahinter, wenn in der Kirche Irrlehren die Gemüter verwirren, wenn Wahrheit und Lüge raffiniert vermischt werden, wenn dem Ja zum rechten Bekenntnis nicht mehr das Nein gegenüber der falschen Lehre zur Seite gestellt wird. Der Teufel steckt dahinter, wenn Menschen sündigen. Der Teufel steckt dahinter, wenn unser Glaube durch Zweifel untergraben wird und wir an Gottes Liebe zu verzweifeln drohen. Der Teufel ergreift noch heute von Menschen Besitz, es gibt sie noch heute, die Besessenen.

Der Teufel und sein Heer, das ist die böse Macht hinter den Kulissen unserer Welt. Damals, zu Jesu Zeiten, trieb er sein Unwesen ebenso wie heute, auch wenn er es versteht, sich unter raffi­nierten Masken dem jeweiligen Zeitgeist anzupassen. Wir können es nach­empfinden, wie froh die Jünger waren, dass sie im Namen Jesu Dämonen austreiben durften und sich ihr Herr als der Stärkere erwies. Jesus hatte 72 Jünger paarweise ausgesandt, um das Reich Gottes zu predigen und um Kranke zu heilen. Es gab ja nicht nur den engen Zwölfer­kreis der Jünger, sondern es waren viele, die mit Jesus zogen. Diese 72 Abgesandten waren sozusagen Apostel auf Zeit. Sie kehrten nach einer Weile zurück und berichteten begeistert von dem, was sie am meisten beeindruckt hatte: Im Namen Jesu war es ihnen gelungen, etliche Besessene zu heilen. Mit Jesus konnten sie also tatsächlich die grausame Macht der Finsternis überwinden. Jesus selbst freute sich mit ihnen und vertiefte diese Erfahrung mit den Worten: „Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden.“

Damit können wir noch weiter hinter die Kulissen der Welt schauen und den erkennen, der noch mächtiger ist als der altböse Feind: den lebendigen Gott, der hier, Fleisch geworden als Gottessohn, redet. Er proklamiert seine Herrschaft, der der Teufel mit seinem ganzen Heer unterworfen ist. Durch Jesu Namen werden die Besessenen gesund, und vor ihm fällt der Satan nieder wie ein Blitz.

Nun ist aber Jesus kein einsamer Sieger. Auch er hat sein Heer, mächtiger und prächtiger als das des Teufels. Das sind die lieben Engel, die himmlischen Heer­scharen. Meine Konfir­manden lernen immer, was „Heer­scharen“ auf Hebräisch heißt: Sie heißen „Zebaoth“. Unser Gott aber ist der Herr Zebaoth, der Herr der himmlischen Heer­scharen. Er hat einen seiner Engel zum Hauptmann gemacht, zum General der Engels-Armee: Das ist der Erzengel Michael, der oberste Engel, der Engelfürst. Er führt die himmlischen Heerscharen an im siegreichen Kampf gegen den Satan; wir haben es in der Epistel­lesung gehört aus der Offenbarung des Johannes: „Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinaus­geworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt“ (Offb. 12,7-9). Ja, so fällt Satan wie ein Blitz, so siegt Christus durch sein Engelheer und dessen Anführer.

Zu diesem siegreichen Heer dürfen nun auch Menschen gehören. Jesus ließ die Jünger damals teilhaben an der Macht über den Satan. Sie durften in seinem Namen Dämonen austreiben, sie durften die alte Schlange unter ihre Füße treten, sie durften mit ihm mit­herrschen über die Macht des Bösen. Und wir dürfen das auch – wir armen, schwachen, sündlichen Menschen, die dem Teufel immer wieder auf den Leim gehen. Das kann keiner verstehen, warum Gott uns auf seiner Seite haben will, das ist nur lauter un­begreifliche Liebe. Verdient haben wir es nicht; verdient hätten wir es vielmehr, mit dem Satan und seinem Heer bekämpft und geschlagen zu werden. Aber Jesus hat am Kreuz der Schlange den Kopf zertreten, er hat sich von ihr an unserer Statt tödlich in die Ferse stechen lassen. Das ist sein Sieg über den Satan – ein wunder­licher Sieg, weil er auf der tiefsten Stufe der Er­niedrigung erkämpft wurde. Es ist ein Sieg unter dem Zeichen der Niederlage, während der scheinbar trium­phierende Teufel gerade hier seinen ver­nichtenden Schlag erhielt. Denn wer an das Kreuz glaubt, den kann der Satan nicht mehr mit sich ins Verderben reißen. Wer an das Kreuz glaubt, dem sieht Gott seine Schuld nicht mehr an, der ist in Gottes Augen heilig und rein wie ein Engel, der gehört zu seinen siegreichen Heer­scharen. Das war bei den Jüngern damals so, und das ist bei uns Christen heute nicht anders.

Ja, mit Jesus sind wir die Sieger über den Teufel, mit ihm sind wir mächtiger als er. In seinem Heerlager finden wir Asyl vor dem Morden des Feindes. In seinem Heerlager sind wir geschützt vor allem, was uns schaden und verderben könnte. „Ihr werdet treten auf Schlangen und Skorpione“, sagte Jesus, und: „Nichts wird euch schaden“. Wunderbar bekennt es der 91. Psalm, der den Schutz und Schirm des All­mächtigen mit einer Trutzburg vergleicht. Da heißt es: „Er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest. Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen nieder­treten.“ Wie wunderbar haben wir es, dass wir zu seinem Heer gehören! Hörst du, liebe Gemeinde: Nichts, aber auch gar nichts wird dir schaden, wenn du dich zu Jesus hältst. Der Feind mag draußen ein schauriges Kriegs­geschrei anstimmen und grimmig zetern, er mag umhergehen wie ein hungriger brüllender Löwe, aber er kann dir doch nichts anhaben. Du bist sicher und geborgen, geschützt in Gottes Heer, geschützt durch seine heiligen Wächter, die Engel. Mag auch Not, Krankheit, Traurigkeit und Anfechtung über dich kommen – „Nichts wird euch schaden“, das hat Jesus versprochen – Jesus, der Sieger.

Wie du Asyl und Schutz findest im Heerlager des Siegers, so bist du auch aufgerufen mit­zukämpfen. Die 72 Jünger haben auch wacker mit­gekämpft, als sie das Gottesreich ver­kündigten und die Macht Christi unter Beweis stellten. Sie waren fröhlich von diesem Kampf heim­gekehrt, war es doch ein Kampf, bei dem der Sieg schon entschieden ist. So dürfen auch wir fröhlich unsern Kampt des Glaubens kämpfen. Die Waffe ist Gottes heiliges Wort. Im Wort steckt Gottes ganze Macht. Darum halte dich nur an das Wort, das dich frei spricht von Sünden, das dir ewiges Leben zuspricht. Halte es fest, gehe täglich damit um, übe dich täglich mit dieser Waffe! Und wenn dir der Satan bedrohlich nahe kommt, dann hau ihm eins über den Schädel. Dann sprich, wie du bei deiner Taufe oder bei deiner Kon­firmation gesprochen hast: „Ich entsage dem Teufel und all seinem Werk und Wesen.“ Dann sprich mit dem Vers aus dem Gesangbuch­lied: „Weicht, ihr Feinde, weicht von mir, / Gott erhört mein Beten; / nunmehr darf ich mit Begier / vor sein Antlitz treten. / Teufel, weich! / Hölle, fleuch! / Was mich je gekränket, / hat mir Gott ge­schenket.“ Oder dann sprich die Worte aus Matthäus 4 Vers 10 nach. Ich will sie dir jetzt nicht vor­sprechen; schlag es zu Hause selbst einmal nach: Matthäus 4, Vers 10. Ja, lasst uns mit Gottes Wort gegen den Satan kämpfen, und lasst uns christlich leben. Der Satan wird brüllen und toben, er wird versuchen, uns zu er­schrecken, uns mürbe zu machen, uns aus der Bahn zu werfen. Aber wenn wir uns an den Sieger halten und an sein Wort, dann muss er weichen, dann sind wir sicher inmitten des göttlichen Heeres.

Lasst uns nun aber zum Schluss auch die freundliche Mahnung unseres Herrn Jesus Christus hören, die er den 72 Jüngern bei ihrer Rückkehr sagte: „Darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Es ist nötig, dass wir vom Teufel und seinem Heer reden und dass wir den Feind im Auge haben, sonst fällt er uns womöglich hinterrücks an. Aber das ist nicht die Freude des Evan­geliums, dass wir unsere Macht­gelüste an Satan auslassen. Die Freude des Evangeliums liegt nicht im Kampf mit dem Fürsten der Welt, sondern sie liegt im Frieden des Himmel­reichs. Die größte Freude ist die, dass wir in Gottes Heerlager Asyl gefunden haben und ewig dort bleiben dürfen, in ewiger Gemein­schaft mit unserem Herrn und König, mit unserem lieben Heiland und Bräutigam. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass wir abgeschoben werden. In Gottes Stadt werden die Asyl­bewerber, die vor dem Teufel fliehen, nicht zurück­gewiesen, sondern sie werden ein­gebürgert, sie erhalten ewiges Wohnrecht dort. Ihre Namen sind un­auslöschlich eingetragen in das himmlische Melde­register. Ja, seit unserer Taufe stehen unsere Namen in diesem himmlischen Buch auf­geschrieben. Vergessen wir nicht: Es ist eine unverdiente Gnade, weil auch wir Rebellen waren gegen den himmlischen König und ihm oft genug nicht gehorcht haben. Aber er vergibt uns um Christi willen und lässt unsere Namen in der Himmels­bürgerliste stehen. Ja, darüber wollen wir uns am aller­meisten freuen. Und wir wollen uns freuen auf den Tag, wo wir ausgekämpft haben und nur noch trium­phieren werden. An dem Tag werden wir den Engeln gleich werden – den Engeln, deren Fest wir heute feiern. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1991.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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