Schlechter Rat, rechter Rat und rechter Pfad

Predigt über Psalm 1,1‑3 zum Sonntag Sexagesimä

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

„Wohl dem“, beginnt der 1. Psalm. Wohl dem Menschen, der ein Jünger Jesu ist, können wir ergänzen. Wohl dem Menschen – er hat es gut, er hat Grund zur Freude. Gesegnet und selig ist er. Er steht unter Gottes Schutz. Er erfährt Gottes Liebe und Barmherzig­keit. Er braucht in schweren Zeiten nicht zu ver­zweifeln. Er weiß, dass dieser Zeit Leiden leicht sind im Vergleich zur zukünftigen Herrlich­keit. Er darf einst Gott schauen und in ewiger Seligkeit leben. Wohl dem Menschen, der ein Jünger Jesu ist.

Die ersten drei Verse des Psalms beschreiben in drei Ab­schnitten, was diesen Menschen kenn­zeichnet, der es so wohl hat, und was für seinen Lebens­wandel typisch ist. Lasst uns diese drei Abschnitte jetzt nach­einander bedenken. Was also kenn­zeichnet den Lebensweg eines Jüngers Jesu? Erstens: Er meidet schlechten Rat; zweitens: Er sucht rechten Rat; drittens: Er findet den rechten Pfad.

Erstens meidet der Jünger Jesu schlechten Rat. „Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen noch tritt auf den Weg der Sünder noch sitzt, wo die Spötter sitzen“, so beginnt der Psalm. Nicht gemeint ist damit ein Leben in klösterlicher Ab­geschieden­heit. Berührungs­ängste brauchen wir nicht zu haben; auch Jesus hatte sie nicht, sondern er suchte geradezu die Gemein­schaft der Sünder. Er tat es jedoch nicht, um ihrem Rat und ihren Wegen zu folgen, sondern er tat es, um sie zur Buße zu rufen. Wenn wir als seine Jünger das Licht des Evangeliums nicht unter den Scheffel stellen wollen, dann sollten wir uns nicht von der Welt zurück­ziehen. Aber den Rat der Gottlosen, den Weg der Sünder und den Standpunkt der Spötter, den meidet ein Jünger Jesu.

Was ist denn der Rat der Gottlosen? Es sind all diejenigen Ratschläge und Lebens­weisheiten, die nicht den göttlichen Geboten, der Liebe und der Gemein­schaft mit dem dreieinigen Gott ent­sprechen. Wo es sich ganz offen­sichtlich um die Auf­forderung zur Sünde handelt, ist das ganz klar. Wenn man uns etwa rät, das Finanzamt zu belügen, Drogen zu probieren oder dem Horoskop zu vertrauen, dann wollen wir damit nichts zu haben. Aber der Rat der Gottlosen kann auch raffiniert verpackt sein in vernünftige Über­legungen; oder er kann als Mehrheits­meinung über­wältigen. Besonders gefährlich ist ein Rat, der zwar nicht neu ist, den man aber gerade in der heutigen Zeit überall hört: „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“, heißt es in einem Sprichwort. Die modernen Variationen lauten: Du musst schon an dich selber denken, sonst denkt keiner an dich. Du musst deine Interessen durchsetzen und dich behaupten, sonst wirst du unter­gebuttert. Du darfst nicht einfach darauf warten, dass Gott dir hilft, du musst schon selbst dein Schicksal in die Hand nehmen. Leicht wie Öl gehen uns solche Ratschläge ein, und sie sind ja auch mit einem Körnchen Wahrheit geschmückt: Faul sollen wir nicht sein, das stimmt. Trotzdem ist es ein gefähr­licher und gottloser Rat, denn unser Vertrauen zu Gott wird dadurch unter­graben. Von ihm muss doch alles kommen, ohne ihn ist unsere Mühe vergeblich, ohne seinen Segen können wir nichts tun, und seinen Gaben haben wir von uns aus nichts hinzu­zufügen. Wir brauchen und dürfen nicht sorgen um die Dinge des täglichen Lebens, denn er sorgt für uns, das hat er ver­sprochen.

Und was ist der Weg der Sünder? Es ist der Weg, der immer weiter von Gott weg führt. Es ist ein Weg, der bergab führt, der Schwerkraft des Alten Adams folgend, bergab ins Verderben. Es ist der Weg der schlechten Angewohnheiten, die die Sünde immer mehr einreißen lassen und verstärken. Vielleicht sieht er zu Beginn noch ganz harmlos aus: Da macht sich jemand Sorgen, ob er denn genug Geld hat. Schon da beginnt die Sünde; „Sorget nicht!“, sagt Gott. Nun beginnt jemand aus dieser Sorge heraus mit Schwarz­arbeit, bestiehlt also die Allgemein­heit. Zuerst tut ers noch mit schlechtem Gewissen, aber schließlich bildet er sich ein, er hätte ein Recht dazu. Aus dem Diebstahl folgt dann die Lüge bei der Steuer­erklärung. Es geht immer mehr bergab, und die Umkehr wird immer schwerer. Darum hüten wir uns vor dem Weg der Sünder! Wir werden uns immer wieder im Licht von Gottes Wort als Sünder ertappen; aber dann lasst uns immer sogleich umkehren auf den Weg der Nachfolge Jesu. Der ist zwar mühsamer, aber er führt bergauf! Lasst uns in täglicher Buße leben, damit wir nur ja nicht auf dem Weg der Sünder weiter von Gott wegkommen.

Und was ist der Standpunkt der Spötter? Eigentlich heißt es im Psalm: der „Sitz­platz“, der „Wohnort“ der Spötter. Es ist der Ort, wo die zu Hause sind, die Gott nicht ernst nehmen, für die alles Heilige nur zu dummen Witzen gut ist. Wohl dem, der da nicht sitzt, der sich da nicht nieder­lässt, der da nicht seine engsten Ver­bindungen hat. Gemein­schaft prägt; die Gruppe Gleich­gesinnter ist eine unheimliche Macht. Wenn du in der christ­lichen Gemeinde zu Hause bist und dort deinen Sitzplatz hast, dann wird dich das zum Guten prägen. Wenn du dich in der Clique der Spötter am wohlsten fühlst oder am Stammtisch mit den schlechten Witzen, dann wird dich das mit der Zeit auch prägen, ob du willst oder nicht. Ebenso ist es mit den Medien, mit Zeit­schriften oder mit dem Fernsehen. Natürlich gehört es zur Freiheit eines Christen­menschen, dass man sich jede Fernseh­sendung anschauen kann und sich dann ein Urteil bilden. Wenn man aber tagtäglich für Stunden vor dem Bildschirm sitzt und wenn dort die Spötter agieren, dann hat das einen schlimmen Einfluss. Gewöhnen wir uns also nicht an bestimmte Sendungen oder Zeit­schriften, die nach Gottes Maßstab schlecht sind. Ja, ein Jünger Jesu meidet den schlechten Rat, und das aus gutem Grund.

Zweitens sucht ein Jünger Jesu rechten Rat. Und er findet ihn auch, und zwar in der Bibel. Ein Jünger Jesu „hat Lust am Gesetz des Herrn und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht.“ Mit dem „Gesetz des Herrn“ sind hier nicht nur die Gebote gemeint, sondern alle Worte der göttlichen Offen­barung, sowohl das Gesetz als auch das Evangelium.

Ja, wohl dem, der Lust an Gottes Wort hat! Denn eine Lust und Freude beinhaltet dieses Wort ja wirklich, zudem eine Freude, die nicht den Schwan­kungen dieser Welt unterworfen ist; es ist eine un­auslösch­liche, ewige Freude. Zunächst kann man sich freuen über die Weisheit von Gottes Wort, etwa über die wunderbare Ordnung der göttlichen Gebote, die wie Balsam sind für das Zusammen­leben der Menschen unter der gütigen Hand Gottes. Freilich kommt dann aus den Geboten auch das Erschrecken über die Sünde – das Erschrecken darüber, dass wir diese großartige göttliche Weisheit immer wieder verfehlen und Gottes Zorn auf uns laden. Darauf folgt aber die noch größere Freude des Evan­geliums. Es ist die frohe Botschaft: Christus starb für deine Schuld und ist auf­erstanden; er lebt nun für dich. In der Taufe ist Christus in dein Leben gekommen. Ist aber Christus mit dir, dann ist Gott der Vater mit dir. Ist aber Gott mit uns, wer kann dann noch wider uns sein? Was für eine große, un­aussprech­liche Freude! Immer wieder können wir es hören und lesen in Gottes Wort. Wohl dem, der Lust dazu hat, und Lust daran!

Und wohl dem, der Tag und Nacht darüber sinnt. Natürlich ist damit kein Marathon im Bibellesen gemeint; Zeit zum Schlafen, Essen und Arbeiten brauchen wir ja auch. Gemeint ist aber: Wohl dem, bei dem die Bibel einen festen Platz im Tageslauf hat, in Morgen- und Abend­andachten zum Beispiel. Wohl dem, der auch sonst immer wieder zu Gottes Wort greift, der sich Zeit dafür nimmt, der notfalls auch mal ein paar Nacht­stunden dafür opfert, wenn er am Tag nicht dazu gekommen ist. Und wohl dem, der darüber nachsinnt. Wörtlich steht da: Der über dem Gesetz des Herrn „murmelt“. Wohl dem also, der es halblaut liest, der es mithin nicht nur flüchtig überfliegt wie die Tages­zeitung. Wohl dem, der sich so hinein­vertieft, dass er sich das Wort Gottes selbst vorspricht und einprägt. Wohl dem, der es auf diese Weise auch auswendig lernt, nämlich indem er die Kernstellen immer wieder vor sich hinmurmelt. Auswendig lernen ist nicht nur etwas für Kinder und Kon­firmanden. Ich muss gestehen: Als Kind empfand ich es immer als lästige Pflicht­übung. Erst als ich erwachsen war, hatte ich richtig Lust dazu, und das ist bis heute so geblieben. Wohl dem – ja, auch dem Erwachsenen – , der Psalmen und andere Gottesworte auswendig lernt und stets wiederholt.

Wohl dem, der Gottes Wort auch gemeinsam mit anderen Christen hört und betrachtet, nämlich in der christ­lichen Gemeinde, im Gottes­dienst und im Bibelkreis. Wer über längere Zeit regelmäßig an Bibel­stunden teilnimmt, der merkt, wie schön und gewinn­bringend das ist. Da kann man Schätze heben aus Gottes Wort und versteht vieles immer besser. Die Bibel ist ja kein Roman, den man einmal am Stück durchliest und dann in den Schrank stellt. Die Bibel ist auch kein Nach­schlage­werk, wo man auf Anhieb die gewünschten Antworten auf Lebens­fragen findet. Die Bibel ist vielmehr ein Lebensbuch – ein Buch, das einen Menschen Tag für Tag prägen und umgestalten will. Da, bei Gottes Wort, soll unser Standpunkt und Sitzplatz sein; wohl dem, bei dem es so ist, der dort den rechten Rat sucht!

Der findet nämlich drittens den rechten Pfad. Im Psalm heißt es: „Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl.“ Gottes Wort ist das Wasser, der Jünger Jesu aber ist der Baum. Der Jünger braucht das Wort so nötig wie der Baum das Wasser. Und wir sehen an dem Gleichnis: Gottes Wort ist nicht nur ein Text oder eine In­formation, sondern Gottes Wort ist eine lebens­spendende Quelle! Gottes Wort kann etwas und wirkt etwas; Gottes Wort ist Gandenmittel, Vermittler der göttlichen Gnade. Darum ist es ja so wichtig, dass wir uns immer wieder dasselbe Gesetz und dasselbe Evangelium vor Augen halten: Dadurch arbeitet Gott an uns, lässt uns wachsen, lässt uns im Glauben grünen wie einen Baum am Wasser, bringt dann auch durch uns die Früchte des Glaubens hervor, nämlich das Bekenntnis des Mundes und die guten Taten.

Wer so lebt, der findet den rechten Pfad. Was er macht, das gelingt, das kommt zum guten Ende. Das ist freilich eine Glaubens­aussage. Denn wir erfahren oft genug Misserfolg, Leid und Ent­täuschung. Aber wenn wir dem Wort vertrauen, dann wissen wir, dass es uns letztlich wohl gehen wird. Jetzt müssen wir das Kreuz aufnehmen als Zeichen der Jünger­schaft und geduldig tragen. Einst aber wird uns das Kreuz abgenommen und gegen die Krone ein­getauscht werden. „Was er macht, gerät wohl“ – beser: Was Gott an ihm und durch ihn tut, das kommt zum guten Ende. Ja, wohl dem, der als Jünger Jesu lebt, der schlechten Rat meidet und rechten Rat sucht, denn er findet den rechten Pfad. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1991.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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