Es kommt nicht darauf an, wo du stehst, sondern wohin du gehst

Predigt über Matthäus 2,1‑12 zum Epiphaniasfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn man ein neues Gerät kauft, wirft man das alte nicht unbedingt gleich weg, sondern man hebt es mitunter auf, weil man es in seiner besonderen Bauart doch noch hin und wieder gebrauchen kann. So ähnlich ist das mit Epiphanias, dem alten Weihnachts­fest. Der 6. Januar ist als Feiertag beibehalten worden, als man die Geburt Christi am 25. Dezember zu feiern begann – und er hat seine besondere Note erhalten. Während wir in der Heiligen Nacht besonders an die Er­niedrigung des Gottes­sohnes denken mit Stall, Krippe und Windeln, so erinnert uns das Epiphanias­fest daran, dass mit diesem Kind Gottes Glanz auf Erden erschienen ist. Epiphanias heißt „Er­scheinung“. Das Tages­evangelium berichtet von hohem Besuch beim Jesuskind und von königlichen Geschenken. Der hell leuchtende Stern spiegelt etwas von dem göttlichen Licht wider, das bei dem Kind selbst verborgen ist. Und wir erfahren die frohe Botschaft, dass mit diesem Kind Gott selbst auf die Erde gekommen ist und alles Heil bringt: Frieden, Freude, Licht, Leben, ewige Seligkeit.

Nun stehen ja die Menschen unter­schiedlich zu dieser Epiphanie, zu dieser Erscheinung von Gottes Herrlich­keit. Die einen sind davon erfüllt; sie versinken in der Betrachtung des göttlichen Kindes und seiner wunderbaren Gaben. Das ist für sie die ganze Weihnachts­freude; auf alles Drumherum könnten sie verzichten. Andere freuen sich zwar auch über die Christ­geburt, sind aber von den Freuden und Sorgen des Lebens so abgelenkt, dass das Jesuskind für sie nicht unbedingt im Mittelpunkt steht. Wieder andere sind ganz weit weg vom eigent­lichen Weihnachts­geschehen; Weihnachten ist für sie eine Reihe von Feiertagen mit gutem Essen und saison­bedingtem Wohnungs­schmuck. Sie wissen nichts vom Fleisch gewordenen Wort und vom Glauben, sie vertrauen eher den vielen umfang­reichen Horoskopen, die man zur Jahreswende in fast allen Zeitungen findet.

Hüten wir uns jedoch, auf diese Menschen herab­zusehen. Und meinen wir nicht, wir hätten mit unserem Christen­leben den besten Platz an der Krippe bereits erobert, wären schon am Ziel. Selbst ein Apostel Paulus wusste zu Lebzeiten sehr wohl, dass er noch nicht am Ziel war. Darum kommt es eigentlich nicht darauf an, wo du stehst, also wie weit du noch vom Jesus entfernt bist. Es kommt vielmehr darauf an, wohin du gehst, ob du nämlich zu ihm hin unterwegs bist, ob du stehen geblieben bist oder ob du dich gar von ihm wegbewegst. Es kommt also letztlich darauf an, wohin du gehst… Das lernen wir, wenn wir auf die Männer aus dem Morgenland schauen, die man Könige nennt, und wenn wir anderer­seits auf den anderen König schauen, den Herodes. Wir lernen es, wenn wir bedenken, ob sie unterwegs sind hin zu dem König aller Könige oder nicht.

Der Ausgangs­punkt der Männer aus dem mittleren Osten ist die Stern­deuterei, das Horoskop. „Weise“ nennt sie der Evangelist Matthäus, wörtlich: „Magier“. Es sind heidnische Gelehrte, verstrickt in Zauberei und Wahr­sagerei. Wir wissen aus der Bibel, dass dies alles Gott ein Gräuel ist. Wer mit Horoskopen und Wahrsagerei umgeht, der beschäftigt sich nicht nur mit sinnlosem Narrenwerk, sondern der begibt sich in den Macht­bereich der Dämonen. Aber Gott will, dass allen Menschen geholfen werde, auch diesen Magiern, die in Teufelswerk vestrickt sind. Gott hat mit den Heiden Mitleid in ihrem Aberglauben und Götzen­dienst. (Übrigens: Da sollten wir es unserem Gott nachtun und eine brennende Liebe zur Mission entwickeln. Gerade heute, am Epiphanias­tag, rückt die Mission in unser Blickfeld, und mit der Kollekte auch in unser Aufgaben­feld!) Gott hat Mitleid mit den Weisen und erdenkt sich eine ganz merkwürdige Strategie, um sie aus der Dunkelheit des Heidentums auf den Weg zu bringen hin zum Licht des Heilands. Es ist eine göttliche Strategie; wir Menschen dürften es niemals wagen, uns so kühn über die vom Wort gewiesenen Pfade hinweg­zusetzen.

Gott lässt einen Stern am Himmel leuchten, an dem die Weisen mit ihrer Stern­deuterei erkennen können: In Israel muss ein bedeutender König geboren sein! Und weil die Heiden damals in jedem König zugleich einen Gott zu erkennen meinten, wollten sie hinreisen und diesen Herrscher anbeten. Was für wunderbare Wege werden sie doch geführt! Durch die teuflische Stern­deuterei und durch einen heidnischen Irrglauben finden sie dennoch den richtigen Weg, den Weg hin zum Heiland. Das macht Gott in seiner un­begreif­lichen Güte!

Im Land der Bibel angekommen, steuern die Weisen zunächst die Hauptstadt Jerusalem an. Sie meinen, jeder müsste dort über den neuen König Bescheid wissen, und im königlichen Palast würden sie ihn bestimmt finden. Aber dort finden sie nur einen ahnungs­losen König Herodes, der vor Schreck zusammen­zuckt, als er von einem neuen König hört; und aus lauter Unterwürfig­keit zucken die Großen am Hof mit ihm zusammen. Doch Herodes beherrscht sich und weist den drei Ausländern mithilfe seiner Schrift­gelehrten und der Bibel den richtigen Weg, den Weg nach Bethlehem. Dort sollte der Erlöser-König geboren werden, hatte der Prophet Micha geweissagt. Der göttliche Stern führt die Weisen direkt zu dem Haus, wo Maria, Josef und Jesus waren. Und dann zwang der Heilige Geist diese Heiden in die Knie vor dem Gottessohn, erfüllte ihr Herz mit Glauben, machte sie anbeten und ihre Schätze auftun. Drei königliche Gaben brachten die Männer dar, die vielleicht zu dritt gewesen waren: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Sie hatten ihren Stand im finstersten Heidentum gehabt, aber darauf kam es nicht an. Sie hatten den Weg zur Krippe gefunden, waren Gottes Weisungen gefolgt – darauf kommt es an!

Sehen wir nun anderer­seits auf den König Herodes. Wo hatte der seinen Ausgangs­punkt? Er stand mitten im jüdischen Volk. Er ist in der jüdischen Tradition auf­gewachsen, hat die Heiligen Schriften des Alten Testaments kennen­gelernt und machte bei den jüdischen Zeremonien mit. Er hatte ein Heer von bibel­kundigen Beratern. Kurz: Herodes kannte Gottes Wort und hatte alle Gelegen­heit, diese Erkenntnis noch zu vertiefen. So muss er auch gewusst haben, dass Gott versprochen hatte, den Erlöser zu schicken, den König auf dem Thron Davids, der ewigen Frieden bringen würde. Gott hat durch sein Wort auch den Herodes zu seinem Evangelium gerufen, und Herodes hätte den Weg zum Heiland finden können, wenn er nur gewollt hätte. Er hätte ihn finden können, wie ihn die Weisen gefunden haben, ja sogar noch leichter als sie, hatte er doch Gottes Wort. Aber Herodes wollte nicht, und es kam anders.

Herodes erschrak, als die Weisen bei ihm auftauchten und von einem neu­geborenen König be­richteten. Er witterte Konkurrenz. Man war damals nicht zimperlich: Schon oft hatte ein Gegenkönig seinen Vorgänger abgesetzt und sicherheits­halber einen Kopf kürzer gemacht. So einen Rivalen fürchtete Herodes. Er wollte doch selbst König bleiben; er allein wollte herrschen; er wollte niemanden über sich dulden. So kam es, dass er erschrak über die große Freude, die Gott allem Volk verkündigen ließ. Schnell ließ er seine Berater in den heiligen Schriften forschen nach dem neuen König, und man fand die besagte Stelle bei Micha. Spätestens jetzt hätte Herodes doch erkennen müssen, dass sich hier Gottes wunderbarer Plan erfüllt, dass hier der Erlöser geboren wird: „Bethlehem, aus dir wird mir der Fürst kommen, der mein Volk Israel weiden soll“, hatte Micha geweissagt.

Aber Herodes wollte sich Gottes Willen nicht beugen. Und so kam es, dass er sich immer weiter weg bewegte von Gott. Hatte er eben noch nach der Bibel gefragt, so traf er sich nun in einer Geheim­sitzung mt den Weisen, um etwas von ihrer Astrologie zu erfahren. „Er erkundete genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre.“ Dabei hätte Herodes doch wissen müssen, dass Astrologie Teufelswerk ist, er kannte doch Gottes Wort! Er wäre auch den Weisen dieses Zeugnis schuldig gewesen. Nein, nun lernt er selber noch Astrologie! Und so kommt es schließlich in seinem Herzen zu einem mörde­rischen Hass auf Gottes Heiland. Heuch­lerisch spannt er die ahnungs­losen Heiden in einen Mordplan ein: Sie sollten ihm den neuen König ans Messer liefern. Nur Gottes Eingreifen konnte das Ärgste verhindern. Ja, so erleben wir den König Herodes als einen, der auf dem Weg war weg vom Heiland. Er hätte hingehen und ihn anbeten und seine Schätze auftun sollen; aber nun endet er bei Mordplänen.

Liebe Gemeinde, es kommt nicht darauf an, wo wir stehen, sondern es komt darauf an, wohin wir gehen. Was lernen wir daraus? Erstens, dass wir nicht herabsehen auf die, die noch weit vom Heiland entfernt sind. Wir wollen sie vielmehr einladen, wollen uns freuen über jeden, der auch nur ein wenig sucht und fragt nach Jesus Christus, auch wenn er noch weit vom Glauben entfernt ist. Zweitens wollen wir selbst nicht stehen bleiben und uns nichts einbilden auf unseren Stand. Wir wollen uns vielmehr mit Freuden aufmachen, dass wir noch dichter an unseren Heiland Jesus Christus heran kommen, noch mehr staunen über sein Evangelium, ihn noch in­brünstiger anbeten, ihm noch freigebiger unsere Schätze auftun, unsere irdischen Schätze und die Schätze unserer Herzen mit Lob, Dank und Anbetung. Lasst uns nicht müde werden, immer mehr von ihm zu erfahren durch fleißiges Studieren in der Bibel. Lasst uns immer tiefer in seine göttliche Herrlich­keit versenken – mit jedem Gottes­dienst, jeder Haus­andacht. Lasst uns immer freudiger und williger unsere Gaben in seinen Dienst stellen, dass wir mit unserem ganzen Leben nur noch tun, was ihm gefällt. Ja, das ist das Ziel. Und du denkst vielleicht: Davon bin ich noch weit entfernt. Macht nichts. Es kommt ja nicht darauf an, wo du stehst, sondern es kommt darauf an, wohin du gehst. Und er lädt dich dazu ein, er will dich dabei führen und ziehen. Du brauchst ihm nur zu vertrauen, dann bist du auf dem richtigen Weg. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1991.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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