Wir erwarten Gottes neue Welt

Predigt über 2. Petrus 3,13 zum Ewigkeitssonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im grie­chischen Brieftext des Apostels Petrus stehen die Wörter des Verses, den wir eben gehört haben, in anderer Reihen­folge. Es heißt da wörtlich übersetzt: „Einen neuen Himmel aber und eine neue Erde nach seiner Verheißung erwarten wir, in denen Gerechtig­keit wohnt.“ Lasst uns jetzt nach dieser Reihenfolge gehen. Lasst uns erstens reden vom neuen Himmel und der neuen Erde, zweitens von Gottes Verheißung und drittens vom Warten.

Erstens: der neue Himmel und die neue Erde. Wir denken an den allerersten Vers in der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (1. Mose 1,1). Das ist der alte Himmel und die alte Erde, wo wir jetzt noch leben; das ist der Himmel über unserm Kopf mit Sonne, Mond, Sternen und Wolken; und das ist die Erde unter unseren Füßen mit allem, was sie hervor­bringt und was auf ihr lebt. Himmel und Erde, das ist unsere Welt. Sie wird vergehen, und dann wird Gott eine neue Welt für uns bereiten, eben einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Ich möchte euch jetzt ein wenig den Mund wässrig machen auf Gottes neue Welt, denn ich merke immer wieder, dass nur wenige Christen in unserem Land voller Vorfreude der ewigen Seligkeit entgegen­sehen. Die meisten sind so sehr mit der alten Welt be­schäftigt, dass sie kaum Zeit haben, an die neue zu denken. Oder liegt es daran, dass wir bereits von der alten Welt para­diesische Zustände erwarten, dass wir hier alles perfekt in Ordnung haben möchten? Den äußeren Voraus­setzungen nach ist Deutschland vielleicht gar nicht so weit vom Paradies entfernt. Vielleicht würden die Leute vor einigen hundert Jahren über unsere Zeit gesagt haben, wenn sie sie voraus­gesehen hätten: So ähnlich müsste der Himmel sein. Wir haben keinen Krieg und keine Kriegs­gefahr. Die Pest und andere Massen­seuchen, die früher ganze Landstriche ent­völkerten, sind gebannt. Die über­wiegende Mehrheit unseres Volkes hat einen Lebens­standard, wie ihn früher nur der Hochadel kannte. Wir haben es im Winter mollig warm, können ohne Strapazen weite Wege zurück­legen, haben allerhand An­nehmlich­keiten und Arbeits­erleichte­rungen durch die Technik, durften eine kostenlose Schul­ausbildung genießen. Ja, wir haben die allerbesten Voraus­setzungen für ein glückliches und sorgen­freies Leben – und merken doch immer wieder: Glücklich und sorgenfrei können wir uns nicht gerade nennen. So para­diesisch ist das Leben in unserem Land nun auch wieder nicht.

Richtig, und deshalb möchte ich euch, wie gesagt, den Mund wässrig machen auf Gottes neue Welt. Denn da wird das Leben wirklich glücklich und sorgenfrei sein, ganz und gar. Da wird es nämlich einige Dinge nicht geben, die uns hier das Leben schwer machen: Schmerzen wird es da nicht mehr geben; alle haben einen herrlichen neuen Leib ohne Gebrechen. Leid, Klagen und Weinen wird es nicht mehr geben; es gibt einfach keinen Grund mehr dazu. Den Tod wird es nicht mehr geben; wir brauchen dann nicht mehr schmerzlich Abschied zu nehmen von einem lieben Menschen, und wir machen dann auch am eigenen Leib nicht mehr die Erfahrung, dass die Kräfte nachlassen und es ans Sterben geht. Gottes neue Welt wird ewig Bestand haben mit allen, die darin wohnen. Auch Sünde wird es in Gottes neuer Welt nicht mehr geben, denn wir warten ja auf einen neuen Himmel und eine neue Erde, „in denen Gerechtig­keit wohnt“. Das bedeutet nicht nur, dass keiner den andern mehr ungerecht behandeln wird. Gerechtig­keit heißt in der Bibel viel mehr: Alles ist recht, alle tun recht, alle machen es Gott recht, alles ist richtig! Was auch immer geschieht im Himmel, was auch immer einer tut, alle anderen freuen sich darüber und sagen einmütig: Das ist recht so. Und auch Gott freut sich darüber und sagt: Recht so. Ja, das ist die Gerechtig­keit, die im Himmel herrschen wird.

Zweitens: Gottes Verheißung. Gott hat voraus­gesagt und ver­sprochen, dass er einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird. Schon durch den Propheten Jesaja kündigte er an: „Siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen“ (Jes. 65,17), und im letzten Buch der Bibel, in der Offenbarung des Johannes, bestätigt Gott diese Verheißung, wie wir heute in der Epistel­lesung gehört haben. Aber auch in vielen anderen Worten und Bildern bezeugt Gottes Geist in der Bibel, dass unsere jetzige Welt ein Ende nehmen wird und dass Gott dann eine neue Welt bereitet für die Seinen: Er bereitet das Friedens­reich, wo Schwerter zu Pflug­scharen und Spieße zu Sicheln werden, wo Löwe und Ziege friedlich neben­einander liegen und das Kind am Loch der Natter spielt. Er bereitet die vielen Wohnungen, die in seinem Haus sind. Er bereitet die Festtafel zum himmlischen Hochzeits­fest. Er bereitet die goldene Stadt, das himmlische Jerusalem. Das alles hat Gott in der Bibel ver­sprochen. Und er hat aus­drücklich dazugesagt, dass diese Worte gewiss und wahrhaftig sind; wir haben keinen Grund, an ihnen zu zweifeln.

Dass Gottes Wort treu und zuverlässig ist, das hat er den Menschen schon mehr als einmal bewiesen. Er hat den Noah-Bund bis heute gehalten und keine weltweite Sintflut mehr geschickt. Er hat dem Abraham den ver­sprochenen Sohn geschenkt. Er hat aus ihm und seinen Nachkommen das große Volk Israel gemacht, wie er versprach. Er hat ihnen das gelobte, das verheißene Land zum Erbe gegeben. Er hat aus der Mitte dieses Volkes den Erlöser hervorgehen lassen, seinen Sohn Jesus Christus, den alle Propheten zuvor an­kündigten. Jesus hat die Weis­sagungen der Propheten bis in die Einzel­heiten hinein erfüllt. Und wie Jesus selbst angekündigt und verheißen hat, ist er für die Sünde aller gestorben und nach drei Tagen wieder auf­erstanden. Dann ist er in den Himmel auf­gefahren; auch das war durch Gottes Wort voraus­gesagt worden. Er hat zu Pfingsten den Geist geschickt, den er versprochen hatte zu senden, hat die Kirche gegründet und wahr gemacht, was seinen Jüngern zunächst als ganz utopische Voraussage geklungen haben muss: dass das Evangelium sich in der ganzen Welt ausbreiten werde. Alles, was Gott bisher verheißen hat, ist ein­getroffen, nur das Letzte steht noch aus: dass Jesus Christus in Herrlich­keit wiederkommt zum Gericht und dass dann die Seinen mit ihm für immer in Gottes neuer Welt leben werden. Wenn wir uns das mal vor Augen führen, diese Treue Gottes, wie sollten wir dann an dieser seiner letzten Verheißung zweifeln? Nein, wir erwarten den neuen Himmel und die neue Erde mit gewisser Hoffnung nach seiner Verheißung.

Ich möchte an dieser Stelle aber Gottes Verheißung noch weiter fassen. Gott hat nicht nur verheißen, dass er den neuen Himmel und die neue Erde schaffen wird, sondern auch, wer daran teilhaben darf. Das sind sogar die hellsten, klarsten und wichtigsten Ver­heißungen der Bibel: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden“, der erbt die ewige Seligkeit (Markus 16,16). Und: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen ein­geborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh. 3,16). Wir dürfen nicht nur gewiss sein, dass es Gottes herrliche neue Welt geben wird, sondern wir dürfen auch gewiss sein, dass wir mit dabei sind – wenn wir nur an Jesus Christus festhalten im Glauben. Und so erwarten wir, du und ich und alle Gläubigen, nach Gottes Verheißung den neuen Himmel und die neue Erde.

Drittens: das Warten. Besser: das Erwarten. „Warten“ klingt so nach Warte­zimmer, nach Nichtstun, nach Däumchen-Drehen. So warten wir aber nicht auf das Kommen unsers Herrn und die ewige Seligkeit. Wir erwarten es vielmehr etwa so, wie die Kinder bald wieder das Weihnachts­fest erwarten: Sie tun es mit Vorfreude, und sie sind dabei nicht untätig. Jeden Tag wird ein Türchen am Advents­kalender geöffnet. Da werden Plätzchen gebacken, Geschenke gebastelt, Über­raschungen vor­bereitet. Freudige Erwartung ist eine geschäftige Sache. Ebenso erwarten wir Christen den neuen Himmel und die neue Erde, sind dabei zugleich aber auch geschäftig tätig unter dem alten Himmel auf der alten Erde. Der Vorwurf stimmt nicht, dass Christen, die aufs Jenseits warten, nichts mehr für diese Welt übrig hätten. Nein, wir freuen uns ja auch an dieser alten Erde und an allen Segnungen, die Gott uns auf ihr schenkt; auch sehen wir hier ein großes Aufgaben­feld. Aber das Paradies, das erwarten wir von dieser Erde nicht, wir wissen vielmehr etwas von der anderen Verheißung: dass das Christen­leben auf der alten Erde mit dem Kreuz verbunden ist. Ich behaupte sogar: Wenn wir in Erwartung der neuen Welt in der alten tätig werden, dann schätzen wir die Lage hier realisti­scher ein, haben eine größere Gelassen­heit und können ihr deshalb um so besser dienen. Wir haben dann nicht den Ehrgeiz, aus der alten Welt ein Paradies zu machen und alle Missstände zu beseitigen. Wir wollen lediglich, dass die Erde gastlich bleibt bis zum Tag der Abreise, an dem es nach Hause geht – nach Hause, wo es doch letztlich viel schöner ist.

Eines allerdings hat die Christen immer wieder unsicher gemacht: dass wir gar keinen Anhalts­punkt haben, wann denn Jesus wieder­kommen und uns zu sich nehmen wird. Es hat auch schon in den ersten Jahrzehnten der Christen­heit Spötter gegeben, die meinten: Wo bleibt denn euer Herr, von dem ihr sagt, dass er wieder­kommt? Es bleibt doch alles weiter beim Alten! Mit solchen Spöttern setzte sich der Apostel Petrus in diesem Kapitel seines Briefes auseinander und zeigte ihnen wunderbar aus Gottes Wort, wie schief sie liegen. Ja, und diese Abhandlung schließt er mit eben dem Satz, den wir gerade so ausführlich betrachtet haben: „Einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung erwarten wir, in denen Gerechtig­keit wohnt.“

Die Zeit des Wartens und Erwartens mag uns lang werden. Zur Zeit des Petrus hätte wohl kein Christ es für möglich gehalten, dass noch mindestens zwei Jahr­tausende vergehen. Aber bei Gott gelten andere Zeit­maßstäbe als bei uns. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass jeder Christ, der schon gestorben ist, bereits unmittelbar vor dem Jüngsten Tag steht; wenn er erwacht, ist Christus da mit dem Gericht. So ist es gut, wenn wir jeden Tag bereit sind, von der alten Welt Abschied zu nehmen und in die neue zu gehen. Wenn aber Christus weiter lange ausbleibt, so soll uns das nicht bekümmern. Denken wir an das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, das wir heute als Evangelium gehört haben: Der Bräutigam blieb lange aus. Worauf kommt es denn an, was taten die klugen Jungfrauen? Sie hatten Vorratsöl. Ohne Bild: Sie haben dafür gesorgt, dass sie auch in Zeiten der Müdigkeit Gottes Wort und Sakrament hatten. Sie sind beharrlich im Glauben geblieben, bis ans Ende. So wie sie lasst uns warten. Lasst uns so den neuen Himmel und die neue Erde erwarten, in denen Gerechtig­keit wohnt. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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