Die Auferstehung zur Verdammnis

Predigt über Offenbarung 20,11‑15 zum Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Viele meinen, die Zukunft der Welt liegt in der Menschen Hand. Ob Erde und Menschheit noch lange in der heutigen Form weiter­existieren, das hänge davon ab, wie wir mit der Schöpfung umgehen: ob wir Raubbau mit ihr treiben oder ob wir sie pflegen. Im Licht von Gottes Wort sieht das aber ein bisschen anders aus. Versteht mich nicht falsch: Natürlich möchte Gott, dass wir pfleglich mit seiner Schöpfung umgehen und die Ver­antwortung wahrnehmen, die er uns als einzigen vernunft­begabten Bewohnern dieses Planeten gegeben hat. Aber wann es mit der Welt ein Ende nehmen wird, das bestimmt er allein, da haben wir keinen Einfluss drauf. Er hat es voraus­gesagt: Einmal wird er die Erde und das All abschaffen – so, wie jemand eine Zeitung aus der Hand legt, wenn er sie ausgelesen hat. Das wird Gottes großer Gerichtstag sein, der letzte, der Jüngste Tag. Der Apostel Johannes hat es voraus­gesehen und be­schrieben: „Ich sah einen großen, weißen Thron und den, der darauf saß (das ist Jesus Christus in seiner Herrlich­keit, dem der Vater alle Macht gegeben hat im Himmel und auf Erden); vor seinem Angesicht flohen die Erde und der Himmel, und es wurde keine Stätte für sie gefunden.“ Keine Stätte mehr für Himmel und Erde, das ist Schöpfung rückwärts: Wie Gott einst alles aus dem Nichts erschaffen hat, so wird er es auch wieder abschaffen; Erde und All müssen dann wieder zu nichts werden.

Wenn wir verstehen wollen, was darauf folgt, und wenn wir die ent­sprechenden Bibel­stellen auslegen wollen, dann müssen wir uns grund­sätzlich eines klarmachen: Wir bewegen uns im Bereich des Un­vorstell­baren. Wie es sein wird, wenn Himmel und Erde und Raum und Zeit und alle Natur­gesetze nicht mehr existieren, das geht über unseren Horizont; wir können es nur aus mehr oder weniger dunklen Bildern erahnen, die Gott uns durch seine Apostel und Propheten geschenkt hat. Manches erscheint uns darin unklar und wider­sprüchlich. Das muss auch so sein. Denn wenn es eine natur­wissenschaft­lich exakte Be­schreibung der Ereignisse nach dem Weltende und der ent­sprechenden Örtlich­keiten gäbe, dann wäre das nichts anderes als eine Übertragung mensch­licher Gedanken in Gottes Welt. Nein, Gottes Welt ist in Wirklich­keit ganz anders, als wir uns das vorstellen können. Und so wollen wir uns denn mit den wesent­lichen Grund­wahrheiten begnügen, die uns die Bibel trotz ihrer dunklen Bilder und geheimnis­vollen Andeutungen sehr klar wissen lässt.

Eine dieser Grund­wahrheiten lautet, dass sich an das Ende der Welt Gottes Gericht anschließen wird. Der Abschnitt aus der Johannes-Offen­barung, den wir eben gehört haben, ist einer von vielen Gerichts­texten in der Bibel. Wie die anderen zeigt er uns deutlich, dass es einen Zeitpunkt geben wird, auf den alles ankommt, an dem alles offenbar wird, an dem sich zeigen wird, wer sich in seinem Leben recht darauf vorbereitet hat und wer nicht. Auf alle Fälle wird es ein Tag großen Ernstes sein, bezeugen uns die ent­sprechenden Bibel­stellen.

In unserem Abschnitt fällt auf, dass da nur von Toten die Rede ist: „Ich sah die Toten, groß und klein, stehen vor dem Thron.“ Kennen wir das nicht anders? „… von dannen er kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten“, bekennen wir mit dem Aposto­lischen Glaubens­bekenntnis. Und das können wir auch gut verstehen: Wenn Gott Himmel und Erde abschaffen wird, dann werden ja wohl noch Menschen am Leben sein, die dann zusammen mit den vorher Ver­storbenen und nun wieder Auf­erstandenen vor dem Richter­stuhl Jesu Christi erscheinen. Warum also sieht Johannes im Geiste hier nur die Toten vor dem Thron?

Gemeint sind die geistlich Toten. Das sind die Un­gläubigen, die nicht an Jesus Christus geglaubt haben, die „in ihren Sünden tot sind“, wie die Bibel an anderer Stelle sagt. Das ist ganz logisch: Wer nicht wieder­geboren ist durch Wasser und Geist, also durch Taufe und Glaube, der ist geistlich tot, auch wenn er ansonsten quick­lebendig ist. Um diese geistlich Toten geht es hier. Das wird etwas später noch deutlicher: Da spricht Johannes davon, dass einerseits das Meer die Toten herausgibt, anderer­seits der Tod mit seinem Reich. Die Toten des Meeres sind die Un­gläubigen, die beim Welt­untergang gerade per Schiff unterwegs sein werden, die Toten des Totenreichs dagegen die Un­gläubigen, die auch schon leiblich gestorben sein werden. Wenn wir Jesu Gerichts­gleichnis im Hinterkopf haben mit den Schafen zur Rechten und den Böcken zur Linken, dann können wir sagen: Dem Johannes geraten hier in seiner Vision gerade nur die Böcke ins Gesichts­feld, die Bösen, die zur Linken – und er nennt sie „Tote“.

Wir nehmen zur Kenntnis: Johannes schaut und beschreibt hier das Gericht zur Verdammnis. Es ist in diesem ganzen Abschnitt ja auch nicht vom Himmel und nicht von der ewigen Seligkeit die Rede, sondern nur vom feurigen Pfuhl, der Hölle. Es gibt heutzutage viele Christen, die würden das am liebsten völlig ausblenden. Sie meinen, es sei psychologisch verkehrt, mit der Hölle zu drohen und von der Verdammnis zu reden, man dürfe nur mit dem Himmel locken. Wisst ihr was? An diesem Punkt pfeife ich auf die Psycho­logie. Ich lese in der Bibel, dass da nicht nur vom Himmel und vom Seligwerden die Rede ist, sondern auch von der Hölle und von der Verdammnis. Und ich lese da ebenfalls, dass wir uns hüten sollen, etwas von dieser Botschaft weg­zulassen, auch wenn es uns nicht passt. Darum entziehe ich mich heute nicht diesem Predigttext, und darum bitte ich euch, dass auch ihr diese dunkle Seite zur Kenntnis nehmt: eben, dass es da ein Gericht zur Verdammnis geben wird. Zum Trost möchte ich aber gleich anfügen, dass selbst in diesem dunklen Abschnitt das Evangelium aus dem Hintergrund hervor­leuchtet; sein Licht ist so stark, dass es nicht ganz draußen bleiben kann. Doch davon am Schluss mehr.

Was geschieht denn nun beim Gericht zur Verdammnis? „Bücher wurden aufgetan. Und die Toten wurden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken.“ Neulich habe ich eine merkwürdige Zeitungsanzeige gesehen. Da wird ein Buch an­gepriesen, in dem allerhand belastendes Material über einen Kanzler­kandidaten zusammen­getragen sein soll. Ein Journalist hat es geschrieben, der ein erklärter Feind dieses Politikers ist. In der Werbung heißt es: Wer dieses Buch gelesen hat, wird bestimmt nicht mehr diesen Mann wählen. Lieber Bruder, liebe Schwester, stell dir vor, über dich würde so ein Buch geschrieben werden. Dein erklärter Feind, ein findiger Journalist, würde alles zusammen­tragen, was in deinem Leben schief gelaufen ist, und würde ein Buch daraus machen. Da würden dann alle lieblosen und unwahren Worte drin stehen, die du gesagt hast, alle Ver­sprechen, die du nicht eingelöst hast, alle Versäum­nisse, alle ego­istischen Handlungen, ja selbst deine Gedanken: Wo du nur im Stillen Unreines gedacht hast, wo du im Stillen andere Menschen verflucht hast. Ja, so wird das sein, wenn am Jüngsten Tag die Bücher aufgetan werden. Da werden alle Sünden ans Licht kommen, und Christus wird das Urteil fällen: Schuldig! Und die Toten werden dann mit dem zweiten und endgültigen Tod bestraft werden, mit der ewigen Verdammnis. Sie kommen in den Mülleimer Gottes, in den „feurigen Pfuhl“, wie es in der Offenbarung heißt, zusammen mit dem Satan und den Dämonen, mit Tod und Totenreich. Das Schreck­liche daran sind freilich nicht hohe Tempera­turen oder Teufelchen, die die Menschen mit Zangen und anderen Werkzeugen quälen. Nein, das Schreck­liche daran wird sein, dass die Leute in der Hölle fortan von Gott ab­geschnitten sind, dass sie keine Chance mehr haben, zu ihm zu kommen. Die Hölle ist eine „ewige Qual“, so steht es gerade im Vers vor unserem Abschnitt. Das können wir nun gar nicht verstehen, warum es eine so harte und grausame Strafe geben muss; schon der Gedanke daran quält uns. Aber wenn Gott so straft, ist er doch heilig und gerecht, und wir dürfen es nicht wagen, ihm da hinein­zureden. Wir dürfen das, was sein Wort darüber sagt, auch nicht eigen­mächtig ab­schwächen. Nein, wir müssen mit der ganzen Bibel bezeugen: Der Gerichtstag Gottes ist ein Tag mit großen Ernst, un­ermesslich viel steht da auf dem Spiel.

So, nun wollen wir aber noch betrachten, wie auch in diesem dunklen Abschnitt das Evangelium hervor­leuchtet. Es ist da nämlich nicht nur die Rede von den Büchern, in denen die Werke der Angeklagten stehen. Es ist da noch von einem ganz anderen Buch die Rede: vom „Buch des Lebens“. Da stehen alle drin, die nicht zu den geistlich Toten gehören, sondern die das ewige Leben haben. Es ist die Bürgerliste des Gottes­reiches, sozusagen die Passagier­liste des Himmels. Und von diesem Buch heißt es zum Schluss: „Wenn jemand nicht gefunden wurde geschrieben in dem Buch des Lebens, der wurde geworfen in den feurigen Pfuhl.“ Das bedeutet: Wer in dem Buch des Lebens steht, wer also geistlich lebendig ist, dem bleibt die Hölle erspart, der wird nicht in den Pfuhl geworfen! Es gibt eine Rettung aus dem Gericht zur Verdammnis, es gibt eine Erlösung!

Wenn das so ist, dann sollte uns viel daran liegen, dass wir in diesem Buch stehen. Wie kommt man denn da hinein? Lass dir die frohe Botschaft sagen: Du stehst schon drin! Als du getauft wurdest, ist dein Name in das Lebensbuch im Himmel eingetragen worden. Und wenn du diese Himmels­bürger­schaft nicht durch deinen Unglauben zurück­weist, bleibst du auch darin stehen bis zum Jüngsten Tag. Dann wirst du nicht zu den Toten gehören, die aufgrund ihrer bösen Werke in den Büchern gerichtet werden. Denn wer im Lebensbuch steht, der hat die Vergebung der Sünden, der ist gereinigt durch das Blut des Lammes. Jesus Christus hat mit seinem Opfer am Kreuz all das Böse getilgt, was da in den Büchern gestanden hat bei denen, die zu ihm gehören. Wenn du nur an Jesuss festhälst, dann darfst du damit rechnen: In deinem Tatenbuch im Himmel sind die Untaten gestrichen, geschwärzt, ausradiert – niemand kann sie mehr lesen, und auch der Welten­richter wird dich nicht verurteilen aufgrund deiner Sünde. Der feurige Pfuhl bleibt dir erspart. So ernst und schrecklich das ist, was wir von der Verdammnis eben gehört haben – ist das nicht weitaus herrlicher und wunder­barer, dass Gott dich rettet in seiner großen Liebe durch Jesus Christus?

So wird der große Gerichtstag ein Freudentag sein für alle, die an Jesus glauben. Sie werden dann in die ewige Herrlichkeit gehen. Da wird es keine Sünde mehr geben, keinen Schmerz, kein Leid und kein Geschrei. Da wird Gott alle Tränen abwischen. Da ist dann die goldene Stadt mit den zwölf Perlen­toren. Da werden Gott selbst und das Lamm mitten unter ihrem Volk wohnen… Aber das alles hat Johannes erst danach gesehen, und er hat es dann auch auf­geschrieben im folgenden Kapitel. Da hat er viel aus­führlicher die Herrlich­keit des Himmels be­schrieben, als er hier die Hölle beschreibt. Am Ewigkeits­sonntag wollen wir es hören; da wird es als Epistel vorgelesen: Johannes‘ Vision vom neuen Jerusalem. Gebe Gott, dass wir alle, die wir hier versammelt sind, dorthin kommen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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