Gott erzieht zum Vertrauen

Predigt über 2. Mose 16,2‑31 zum 7. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn wir richtig glauben würden, hätten wir es viel einfacher im Leben. Wir würden uns dann viel weniger Sorgen machen, viel getroster und gelassener sein. Glauben bedeutet vertrauen, und wenn wir Gottes Liebe wirklich vertrauen würden, dann wären wir sicher: Nichts kann uns wirklich schaden. Gott versorgt uns mit allem, was wir brauchen. Gott lässt nichts zu, was uns kaputt macht. Gott führt uns sicher durch diese Zeit in die Ewigkeit. Das hat er durch seinen Sohn Jesus Christus allen Glaubenden ver­sprochen, und das hat er jedem von uns in der heiligen Taufe geschenkt.

Ja, wenn wir richtig glauben würden, hätten wir es viel einfacher im Leben. Aber wir sind eben noch Anfänger im Glauben – wir sind Jünger, wir haben noch viel zu lernen. Wir sind Anfänger wie die Israeliten damals, kurz nachdem sie aus Ägypten ausgezogen waren. Gott musste sie immer wieder zum Vertrauen erziehen. Auch wir haben das nötig. Darum lasst uns heute aus dieser Geschichte mit den Israeliten Vertrauen lernen.

Es war ein Tag in der Wüste wie jeder andere. Unter der glühenden Sonne bewegten sich die Hundert­tausenden mühsam vorwärts. Da schleppte sich einer mit einem schweren Bündel ab. Da trieb jemand eine Herde Ziegen vor sich her. Da trug eine Mutter ihr Neu­geborenes auf dem Arm. Vor ihnen her zog ein mächtiger weißer Turm am strahlend blauen Himmel: die Wolken­säule. Gott ging ihnen voran, so hatten Mose und Aaron es erklärt.

Ein Tag wie jeder andere? Nein. Denn etwa einen Monat nach dem Auszug aus Ägypten war heute den meisten das Brot aus­gegangen. Kurz vor dem Aufbruch hatten sie ja noch in aller Eile Brotfladen ohne Sauerteig gebacken, wie Gott es ihnen aufgetragen hatte. Aber diese Vorräte waren nun erschöpft. Und so machte sich unter ihnen die Sorge breit: Was sollten sie in Zukunft essen? Wovon sollten die vielen Tausend künftig satt werden? War das nicht ganz unmöglich in so einer Wüste?

Ja, und nun machte sich das mangelnde Vertrauen in Gott bemerkbar. Gott hatte sie doch aus Ägypten heraus­geführt, hatte sich mächtig erwiesen durch große Wunder. Trauten sie ihrem Gott nicht zu, dass er sie auch weiterhin am Leben erhalten würde? Offenbar nicht. Sie bedrängten Mose und Aaron und machten dort ihrem Herzen Luft, jammerten und klagten. Ja, sie klagten ihre Obersten sogar an: He, Mose und Aaron, warum habt ihr uns in diese Wüste geführt? Etwa dazu, dass wir hier allesamt verhungern? Dann wäre es wirklich besser gewesen, wir wären in Ägypten geblieben. Da hatten wir wenigstens genug zu essen, Brot und Fleisch satt. Wenn wir jetzt an diese Fleisch­töpfe zurück­denken… Wären wir da unter Gottes Plagen gestorben, dann wäre das immer noch besser gewesen, als hier in der Wüste zu verhungern.

Mose und Aaron waren diesem Ansturm hilflos aus­geliefert. Was sollten sie sagen? Wie sollten sie dem Volk Nahrung ver­schaffen? Aber da griff Gott ein und sagte zu Mose: Mose, auch ich höre das Gejammere der Israeliten. Ich will ihnen eine Lektion erteilen, damit sie sehen, dass sie sich auf mich verlassen können. Noch heute Abend werden sie haufenweise Fleisch zu essen haben. Und morgen früh werde ich es Brot vom Himmel regnen lassen. Das sollen sie aufsammeln – aber nur so viel, wie sie für einen Tag brauchen. Ich will sie auf die Probe stellen, ob sie mir zutrauen, dass ich ihnen jeden Tag aufs Neue genug geben werde. Nur am Tag vor dem Feiertag sollen sie die doppelte Menge sammeln, damit sie die Sabbatruhe einhalten können. Ich will prüfen, ob sie sich an mein Gesetz halten.

Liebe Gemeinde, dies ist Gottes erste Lektion, mit der die Israeliten Vertrauen lernen sollten. Sie sollten lernen, dass Gott sie nicht im Stich lässt, sondern das er sie ernährt und versorgt mit allem, was sie brauchen. Sie sollten lernen, auf ihren himmlischen Vater zu schauen, nicht auf Menschen. Die Israeliten dachten zurück an die scheinbar so guten alten Zeiten, auf die sprich­wörtlich gewordenen Fleisch­töpfe Ägyptens – die werden in Wirklich­keit karg genug gewesen sein bei dem harten Sklaven­leben und nur im Rückblick so groß erscheinen. Stattdessen sollten sie sich lieber daran erinnern, wie Gott sie unter großen Zeichen und Wundern aus der Tyrannei des Pharao erlöst hatte. Und die Israeliten jammerten und schrieen zu Mose und Aaron, die doch gewiss nicht den vielen genug essen verschaffen konnten. Wenn sie schon jammerten, sollten sie zu Gott im Gebet schreien, der sie versorgen kann und auch will – das hat er doch ver­sprochen.

Also, liebe Gemeinde, merken wir uns das: Sind wir Gottes Kinder, so brauchen wir keine Angst zu haben, dass wir zu kurz kommen. Wenn sich aber doch die Sorge ein­schleicht, dann wollen wir die Hilfe nicht von anderen Menschen erwarten oder von uns selbst, sondern dann lasst uns diese Sorge im Gebet auf Gott werfen. Der selbst den Spatzen zu essen gibt, sollte der nicht auch für uns sorgen?

Sehen wir nun aber, wie es mit den Israeliten weiterging. Mose beauftragte seinen Bruder Aaron damit, das Volk zu versammeln und eine Erklärung abzugeben. Aaron war ja gewisser­maßen der Regierungs­sprecher des Mose. Aaron sagte dem ver­sammelten Volk: Keine Angst, ihr werdet schnell merken, dass der mächtige Herr euch führt, der euch aus Ägyptenland heraus­gebracht hat, und nicht wir beiden schwachen Menschen. Heute Abend wird es Fleisch zu essen geben und morgen früh Brot die Fülle.

Mose bekräftigte die Worte Aarons. Da ging plötzlich ein Raunen durch die Menge: Seht mal, da vorn am Himmel! Alle Blicke folgen den aus­gestreckten Zeige­fingern. Da stand die Wolkensäule vor ihnen am Himmel, wie immer. Aber sie sah jetzt ganz anders aus. Sie strahlte einen un­wirklichen Glanz aus, wie die Israeliten es noch nie gesehen hatten. Die Menge staunte: Das ist die Herrlich­keit des Herrn! Kein Zweifel, Gott ist bei uns. Er lässt uns nicht im Stich.

Die Versammlung löste sich auf, und man lagerte sich. Am Abend erspähten einige scharfe Augen dunkle Punkte am südlichen Horizont. Sie kamen rasch näher, füllten bald den ganzen Himmel – und gingen rings um das Lager zu Boden. Es waren Wachteln, mittelgroße Vögel, die sich auf ihrer Frühjahrs­reise von Afrika nach Palästina befanden. Gott ließ sie genau am Lagerplatz der Israeliten vom Himmel fallen. Nun hatte das Volk reichlich Fleisch zu essen – wie Gott es versprochen hatte. Und es war gar nicht mal das schlech­teste Fleisch. Ich selbst habe schon mal gebratene Wachteln gegessen, und ich muss sagen: Es ist eine richtige Delika­tesse. So sorgte Gott für sein Volk.

Aber damit nicht genug. Als sich am nächsten Morgen der Bodennebel auflöste, war der Boden mit einer merkwürdigen Schicht von Körnern bedeckt. Nanu, sagten die Israeliten, oder eigentlich: Man hu? – denn sie sprachen hebräisch. Man hu? heißt auf deutsch: Was ist denn das? Von all dem Man-hu?-Gerufe ringsum erhielt die merkwürdige Substanz den Namen Manna. Mose erklärte den Israeliten: Das ist Brot vom Himmel, das Gott euch zu essen gibt. Sammelt euch einen Tages­vorrat, pro Person ein Krug voll, nicht mehr.

Alle sammelten eifrig. Einige rafften begierig ganz viel zusammen, andere waren nicht so schnell und sammelten nur wenig. Aber am Ende zeigte sich Gottes Wunder: Alle hatten gleichviel in ihren Krügen – nämlich eine Tages­ration! Nun waren manche aber immer noch miss­trauisch und sparten sich etwas vom Munde ab. Sie zerstießen nicht alles zu Mehl, kochten und backten nicht alles zu wohl­schmecken­dem Manna-Kuchen – der schmeckt übrigens so gut wie Honig­semmel. Vielmehr hoben sie sich etwas davon auf für den kommenden Tag. Aber am nächsten Tag war es verdorben, stinkend, voller Würmer.

Liebe Gemeinde, dies ist Gottes zweite Lektion, mit der die Israeliten Vertrauen lernen sollten. Sie sollten bitten lernen: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Sie sollten nicht meinen, Gott sei launisch, gebe heute viel und verschlösse morgen seinen Segen wieder. Wir können daraus auch etwas im über­tragenen Sinn lernen: Im Neuen Testament wird Gottes Wort mit dem Manna verglichen, mit dem Brot vom Himmel. Jesus selbst sagte: „Ich bin das Brot des Lebens“, wie wir im heutigen Evangelium gehört haben. Ja, auch Gottes Wort ist eine Speise, die Gott uns immer wieder neu schenken will und die wir immer wieder neu sammeln sollen, als Tagesration gewisser­maßen. Niemand soll meinen, er könne sich damit bevorraten. Niemand soll meinen, das Kon­firmanden­wissen werde für die restlichen Lebens­jahrzehnte reichen. Nein, wie das tägliche Brot brauchen wir das tägliche Wort; wie die Arbeits­pause am Wochenende brauchen wir den Sonntags­gottes­dienst.

Der Feiertag nach sechs Arbeits­tagen kommt nun auch bei unserer Manna-Geschichte ins Blickfeld. Am sechsten Tag der Woche stellten die Israeliten nämlich überrascht fest: Heute hat ja jeder doppelt soviel gesammelt wie an den vorigen Tagen! Mose sagte: Genau, das ist für morgen, für den Feiertag, für den Sabbat. Da ist nämlich Ruhetag, da wollen wir nicht arbeiten, sondern Gottes­dienst feiern und für unsere Seelen sorgen.

Gesagt, getan. Und wieder wurde Gottes wunder­tätige Hand erkennbar: Diesmal wurde nichts schlecht von dem Manna, das man für den siebenten Tag aufgehoben hatte. Aber einige Israeliten hatten immer noch nicht begriffen, was Vertrauen wirklich bedeutet. Sie hatten noch nicht gelernt, dass der am besten fährt, der sich an Gottes Regeln hält. Sie standen auch am siebenten Tag früh auf, den leeren Krug in der Hand, und suchten Manna – vergeblich. Hatte Mose denn nicht alles genau erklärt?

Liebe Gemeinde, dies ist Gottes dritte Lektion, mit der die Israeliten Vertrauen lernen sollten: Wenn Gott den siebenten Tag als Feiertag eingesetzt hat, dann dürfen wir auch wirklich Pause machen und brauchen uns nicht um das tägliche Brot zu kümmern. Die Geschichte von den klein­gläubigen Israeliten würde ich gern all den fleißigen Deutschen unter die Nase halten, die meinen, sie müssen unbedingt auch am Sonntag arbeiten; wenn sie nur sechs Tage die Woche arbeiteten, würden sie un­weigerlich arm werden. Ja, solche Menschen gibt es tat­sächlich. Ihr aber wisst, wo ihr am Sonntag hingehört, sonst wärt ihr nicht hier. Und hier lernt ihr Vetrauen aus Gottes Wort, und habt es hoffentlich heute aufs Neue erfahren: Als Gottes Volk, als Gottes geliebte Kinder, brauchen wir uns tatsächlich um nichts zu sorgen, denn unser Vater sorgt für uns. Er hat sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern hat ihn als Lebensbrot vom Himmel gesandt, damit wir ewig leben können. Was sollten wir da noch an seiner Macht und Liebe zweifeln? Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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