Wie Kinder, wie ein Tempel, wie Priester

Predigt über 1. Petrus 2,2‑10 zum 6. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Dreimal hält uns der Apostel Petrus hier einen Spiegel vors Gesicht. Mit drei Bildern beschreibt er, was wir seit unserer Taufe sind, und ermutigt uns damit, ent­sprechend zu leben. Erstens vergleicht er uns mit hungrigen Säuglingen, zweitens mit einem Tempel und drittens mit Priestern. Lasst uns diese drei Bilder jetzt näher betrachten.

Als erstes schreibt Petrus: „Wie die neu­geborenen Kindlein seid begierig nach der vernünf­tigen lauteren Milch.“ Jeder hat solche Begierde bei Säuglinge wohl schon einmal beobachtet: Da schreit so ein kleines Wesen aus Leibes­kräften, kneift die Augen zu, wird ganz rot dabei, strampelt mit Armen und Beinen. Wenn dann die Mutter kommt uns es stillt, dann saugt es ganz begierig die Milch in sich hinein. Das muss auch so sein, das hat Gott ganz wunderbar geordnet. Er hat diese Begierde in die Säuglinge hinein­gelegt, damit sie am Leben bleiben und wachsen können.

Wir Christen sind durch die Taufe geistlich neu geboren worden, wieder­geboren durch Wasser und den Heiligen Geist, neu geboren als Gottes­kinder. In der Taufe hat uns der Herr aus der Gewalt des Teufels gerissen und alle Sünden vergeben. Er hat alles weg­genommen, was uns vom Himmel trennt, und hat uns zu Erben der ewigen Seligkeit gemacht. Ja, wieder­geborene Gottes­kinder sind wir geworden durch Wasser und durch den Heiligen Geist in der Taufe. Damit dieses geistliche Leben in uns nicht zugrunde geht, brauchen wir regelmäßig geistliche Nahrung; das ist die „vernünf­tige lautere Milch“, nach der wir begierig sein sollen. Was ist damit gemeint? Nichts anderes als die Gnaden­mittel; nichts anderes als Gottes Wort und Sakrament, denn davon lebt ja unser Glaube. „Ver­nünftig“ bedeutet dabei nicht, dass wir das Geheimnis der Gnaden­mittel mit unserem Verstand begreifen könnten. „Ver­nünftig“ bedeutet hier eigentlich „Christus-gemäß“, also: wie es dem Evangelium Jesu Christi entspricht. Wir sollen begierig sein nach dem reinen, Christus-gemäßen Evangelium, nach seinem Wort und Sakrament. Wir sollen es immer wieder so begierig in uns aufsaugen wie ein Säugling die Muttermilch. Seht, darum ist der häufige Abendmahls­gang so wichtig und der sonntäg­liche Gottes­dienst­besuch und die tägliche Andacht mit Gottes Wort. Ja, davon lebt unser Glaube, und dadurch wächst er. Denn was schreibt Petrus von der Milch des Evan­geliums? „… damit ihr durch sie zunehmt zu eurem Heil.“ Ja, im Glauben zunehmen, wachsen, heil werden, selig werden – das ist das Ziel, das wir damit anstreben. Wir nehmen als praktischen Rat aus diesem Bild mit: Wie Säuglinge immer wieder begierig die Milch des Evangeliums aufsaugen!

Als zweites schreibt Petrus: „Als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause.“ Da stellen wir uns ein Tempelgebäude oder eine Kirche vor. Wie viele Steine fügen sich da zu einer Einheit zusammen, zu einem wunderbaren Bauwerk! Die Steine sind ver­schieden; viele sind regelmäßige Quader, andere sind keilförmig für gemauerte Bögen, wieder andere sind für besondere Zwecke zu­geschnit­ten. Der wichtigste Stein ist der Eckstein, der Grundstein an einer Ecke des Fundaments.

Dieser Eckstein ist Jesus Christus. Diesen Eckstein hat Gott „in Zion“ gelegt – und wer ein bisschen die Sprache des Neuen Testaments beherrscht, der weiß: damit ist die Kirche gemeint, die Gemeinde der Heiligen. Christus wird zwar von vielen als un­brauchbarer Stein verworfen, ja, er wird ihnen sogar zum Stein des Anstoßes und zum Fels des Ärger­nisses, wenn sie nicht an ihn glauben. Wer nicht an ihn glaubt, dem müssen seine Worte in der Tat anstößig sein, etwa die Aussage: „Niemand kommt zu Gott dem Vater ohne mich“ (Joh. 14,6). Wir aber, die wir auf Christus getauft sind und an ihn glauben, wissen: Das ist ein kostbarer Stein – der wichtigste, den es gibt. „Wer an den glaubt, der soll nicht zuschanden werden“, schreibt Petrus; also: der braucht im letzten Gericht kein Ver­dammungs­urteil zu fürchten, sondern darf um Christi willen auf Freispruch hoffen. Und durch diesen Eckstein werden wir zu lebendigen Steinen des „geist­lichen Hauses“, des Tempels der Kirche Jesu Christi. Als solche lebendigen Steine sollen wir uns nun auch bauen. Und das heißt doch: Christen gehören zusammen! Was nutzt ein einzelner Stein, und sei er noch so kunstvoll? Nein, Steine gehören zusammen­gefügt zu einem Bauwerk. Hier in der Kirche, hier in der Gemein­schaft mit den anderen Gläubigen ist dein Platz als geistlicher Stein. Hier seid ihr auch gut und sicher aufgehoben, gegründet auf dem Eckstein Jesus Christus. Und hier darf jeder Stein in seiner Eigenart etwas sein zu Gottes Ehre, mit all den Gaben, die Gott ihm gegeben hat. Hier fügt sich Gottes Bau Stein auf Stein zusammen durch unser Singen und Beten, durch unser Reden und Tun, durch unser Lieben und Opfern. Das ist nämlich die Bestimmung von Gottes Haus, der Kirche und Gemeinde: „… zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohl­gefällig sind durch Jesus Christus.“ Ja, ein Haus zu Gottes Ehre ist dieser Tempel auf dem Grundstein Jesus Christus. Und alles, was da im Namen Jesu geschieht, ist Opfer – Dankopfer für die wunderbare Gnade, die wir erfahren dürfen: nämlich dass wir durch Christi eines und einmaliges Sühnopfer zu Tempel­steinen geworden sind. Wir nehmen als praktischen Rat aus diesem Bild mit: Als lebendige Steine wollen wir uns in der Gemeinde zu Gottes Haus erbauen, wo Gott durch unsere Dankopfer des Glaubens gelobt und geehrt wird.

Als drittes schreibt Petrus: „Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priester­schaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums.“ Wir denken da an das Volk Israel und an seine Priester, die im Jerusalemer Tempel Dienst taten. Sie nahmen die Opfertiere in Empfang, schlach­teten sie und brachten sie auf dem Brandopfer­altar nach dem Gesetz des Mose dar. So empfing das Volk Israel damals Vergebung der Sünden: durch Tieropfer und Priester­dienst, im Vorausblick auf das eine vollkommene Opfer des Erlösers Christus.

Was hat es nun zu bedeuten, wenn Petrus uns Christen hier mit den Priestern des Alten Testaments vergleicht? Nun, zunächst will er uns an unsere Berufung erinnern. Wie das Volk Israel damals von Gott erwählt worden war und wie das Geschlecht Aarons zum Priester­dienst berufen wurde, so hat Gott uns durch die heilige Taufe zu Priestern des Neuen Testaments gemacht. „Er hat euch berufen von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“, schreibt Petrus. Unser eigenes Verdienst ist es nicht, dass wir zu Gottes Volk gekommen sind und aus der Finsternis des Unglaubens zum Licht des Evangeliums gefunden haben. Vielmehr: Gottes Berufung hat uns zu dem gemacht, was wir sind. Allein Gottes Gnade ist es, dass wir Christen wurden und glauben können. Und wir dürfen dafür um so dankbarer sein, weil wir ja gar nicht aus Gottes altem Bundesvolk Israel stammen, dem diese Ver­heißungen zuerst galten, sondern weil wir von den Heiden herkommen, die in den Augen Israels „nicht ein Volk“ waren. Nun aber sind wir Gottes Volk geworden. Diese Berufung zu Gottes heiligem Priestertum bedeutet aber auch eine Berufung zum Dienst – auch zum Dienst an denen, die noch nicht dazu­gehören. Es ist eine Berufung zu einem Mittler- beziehungs­weise Ver­mittlungs­dienst des Evan­geliums. Warum hat Gott uns zur königlichen Priester­schaft gemacht, zur Priester­schaft des Königs Jesus Christus? Wir lesen: „… dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat.“ Ja, wir Christen sind zum Ver­kündigungs­dienst gerufen. Wir sollen das Licht, das wir im Glauben empfangen haben, nicht unter einem Eimer verstecken, sondern wir sollen es leuchten lassen vor aller Welt. Wir sollen mit Wort und Tat bezeugen, wie freundlich der Herr ist und wie wohl er an uns tut durch seinen Sohn Jesus Christus. So können wir dabei mithelfen, dass viele andere ebenfalls das Heil durch Vergebung ihrer Sünden empfangen – ebenso, wie die alten Priester im Jerusalemer Tempel auf ihre Weise dabei mitgeholfen haben. Ja, Gott möchte, dass viele hinzukommen zum königlichen Priester­tum. Darum nehmen wir als praktischen Rat aus diesem Bild mit: Von Gott zu Priestern berufen, wollen wir dazu beitragen, dass die Vergebung der Sünden und alle Wohltaten Gottes durch Christus möglichst vielen Menschen bekannt werden.

Liebe Gemeinde, Gott hat uns als seine Kinder wieder­geboren: Lasst uns darum Gottes Wort so begierig aufsaugen wie Säuglinge die Mutter­milch. Gott hat uns durch den Eckstein Jesus Christus zu lebendigen Steinen seines Hauses gemacht: Lasst uns darum als Gemeinde zusammen­bleiben und zusammen­halten in Christus wie die Steine eines stabilen Hauses. Gott hat uns in die Priester­schaft des Königs Jesus Christus berufen: Lasst uns in diesem Dienst seine Wohltaten anderen weiter­sagen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1990.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum