Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Jesus sagte von ihm, er sei der größte Mensch auf Erden gewesen: Johannes der Täufer. Grund genug, dass wir uns heute am Johannestag das Leben dieses Gottesmannes einmal vor Augen führen. Grund genug, über seinem Leben Gott zu preisen und zu lernen, was es heißt, von sich selbst weg auf Jesus zu schauen.
Die Geschichte Johannes des Täufers begann eigentlich schon viele Jahrhunderte vor seiner Geburt. Sie begann mit der Weissagung des Propheten Jesaja, die wir eben gehört haben. Jesaja redete von einer Stimme in der Wüste, die das Kommen von Gottes Herrlichkeit ankündigt und zur Vorbereitung auf dieses Ereignis aufruft. Über die Person, der diese Stimme gehört, sagte Jesaja nichts. Das ist bezeichnend: Das Große an Johannes ist seine Stimme – seine Predigt, mit der er das Kommen des Erlösers ankündigte und zur Vorbereitung mahnte. Der Prophet Jesaja sagte hier also nur das Wesentliche: „Es ruft eine Stimme in der Wüste.“ Von daher könnte man Johannes den Täufer auch treffend „Johannes die Stimme“ nennen.
Nun wissen wir heute aber mehr, als Jesaja damals prophezeite. Wir wissen, wie Gott unter großen Wundern diese Weissagung erfüllt hat. Da war ein altes, kinderloses Ehepaar, Zacharias und Elisabeth. Sie hatten sich sehnlich Kinder gewünscht, aber sie hatten die Hoffnung inzwischen aufgegeben. Da hörte der Priester Zacharias beim Tempeldienst von einem Engel das Unglaubliche: Sie werden doch noch einen Sohn bekommen, der soll Johannes heißen. Der werde vor Gott hergehen und viele vom Volk zu ihm bekehren. Zacharias konnte es nicht glauben; da ließ Gott ihn bis zur Geburt des Kindes verstummen.
Elisabeth wird schwanger, und bereits im sechsten Monat zeigt sich, dass es ein besonderes Kind wird. Da nämlich bekommt sie Besuch von ihrer Verwandten Maria, die mit Jesus schwanger ist. Als Maria Elisabeth begrüßt, hüpft das Kind in Elisabeths Leib vor Freude darüber, dass die Mutter des Gottessohnes in seine Nähe gekommen ist. Wie kann ein Kind, das noch nicht einmal geboren ist, das erkennen? Nun, der Engel hatte auch dies dem Zacharias angekündigt: Das Kind wird schon im Mutterleib mit dem Heiligen Geist erfüllt sein. Der Heilige Geist schenkt dem kleinen Johannes im Bauch seiner Mutter die Erkenntnis, die Freude und das Hüpfen! Wirklich, ein großer Mensch, der kleine Johannes. Drei Monate später erblickt er dann das Licht der Welt. Sein Vater kann wieder sprechen und stimmt einen wunderbaren Lobgesang an, den Christen noch heute singen. In diesem Lied bekräftigt Zacharias durch die Kraft des Heiligen Geistes, was Jesaja von diesem Menschenkind, von der „Stimme in der Wüste“, geweissagt hat: „Du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden“ (Lukas 1,76‑77).
Liebe Gemeinde, lasst uns an diesem Punkt innehalten und staunen über Gottes Treue. Wie er es sagt, so geschieht es! Er kündigt die Stimme in der Wüste durch Jesaja an, und sie wird dann tatsächlich geboren. Er verspricht dem alten Ehepaar gegen alle menschliche Vernunft einen Sohn, und siehe da: Das Kind wird geboren. „… denn des Herrn Mund hat's geredet“, heißt es am Ende der Jesaja-Weissagung, und das ist die stärkste Bekräftigung der Wahrheit, die es gibt. „Wenn er spricht, so geschieht's, wenn er gebietet, so steht's da“, bekennen wir mit dem Psalm (Ps. 33,9). Darum: Verlassen wir uns doch auf das, was Gott versprochen hat! Was hat er denn uns versprochen? Vergebung der Sünden und ewiges Leben in Christus allen, die getauft sind und an ihn glauben – so ist es, so wird es sein, wir werden es erleben. Und er hat auch alle Dinge versprochen, die wir zu unserm täglichen Leben nötig haben, solange wir sie nötig haben. Worum müssen wir uns eigentlich Sorgen machen? Und auch: „Gott wird euch nicht versuchen über euer Vermögen“ – was auch immer für schwere und unangenehme Dinge in deinem Leben geschehen mögen, Gott wird dir Kraft geben und dafür sorgen, dass du es ertragen kannst (1. Kor. 10,13). „Denn des Herrn Mund hat's geredet.“
Zurück zu Johannes. Über seine Kindheit und Jugend wissen wir nichts. Aber als er knapp dreißig war, kam seine Stunde, Gottes Stimme in der Wüste zu werden. Warum in der Wüste? Nun, einfach weil Gott es so haben wollte und durch Jesaja angekündigt hat. Vielleicht wollte Gott damit zeigen: Sein Wort und Kommen bringt Leben da, wo wir es nicht erwarten; es macht Wüsten fruchtbar. Christi Kommen macht die Wüste unseres elenden Sünderseins zum blühenden Paradiesgarten der Gotteskindschaft! Jedenfalls lebte Johannes in der Wüste, ernährte sich kärglich von Heuschrecken und wildem Honig, trug Mantel und Gürtel nach Art des Propheten Elia. „Er wird einhergehen im Geist und in der Kraft des Propheten Elia“, hatte der Engel dem Zacharias angekündigt, und auch hierin hat sich Gottes Wort erfüllt (Lukas 1,17). Jesus sagte später von Johannes: „Wenn ihr's annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll“ (Matth. 11,14). Elia galt als einer der größten Propheten, und man erwartete seine Wiederkehr. Nun trat Johannes auf im Geist und in der Kraft des Elia, erwies sich als größter Prophet aller Zeiten und erfüllte damit diese Erwartung.
Was aber war nun die Botschaft des Johannes? Jesaja hatte es so vorausgesagt: „Bereitet dem Herrn den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; denn die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des Herrn Mund hat's geredet.“ Zwei Dinge sind es also, die „Johannes die Stimme“ sagt: eine Aufforderung und eine Verheißung. „Bereitet den Weg“, lautet die Aufforderung; die Verheißung aber lautet: „Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden.“
Sehen wir zunächst auf die Hauptsache, auf das Beste, also auf die Verheißung: „Die Herrlichkeit des Herrn kommt.“ Wenn die Verheißung nicht wäre, gäbe die Aufforderung keinen Sinn, denn wem sollte man den Weg dann bereiten? „Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen“, steht bei Jesaja; aber beim Evangelisten Lukas wird die Stelle so zitiert: „Alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen.“ Nanu? Hat Lukas nicht richtig hingeschaut? Da steht doch nicht „Heiland Gottes“ im Alten Testament, sondern „Herrlichkeit des Herrn“! Lukas hat sich keineswegs geirrt, sondern er hat durch die Kraft des Heiligen Geistes klar ausgedrückt, was der Sinn dieses Prophetenwortes ist. Die Herrlichkeit des Herrn ist nichts anderes als der Messias, der Heiland, der Erlöser Jesus Christus! „Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater“, so hat es auch der Apostel Johannes bezeugt (Joh. 1,14). Genau das ist die Predigt des Täufers: Der Heiland, der Retter, der Messias kommt – Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt: Jesus Christus. Deshalb trat Johannes mit seiner Person bescheiden in den Hintergrund. Deshalb stritt er entschieden ab, selbst etwas Großes zu sein. „Nein, ich bin nur eine Stimme“, antwortete er auf alle diesbezüglichen Fragen. Und dann wies er auf den hin, der schon unter ihnen lebte, aber noch nicht öffentlich aufgetreten war. Als dieser ihm dann am Jordanfluss gegenüberstand und getauft werden wollte, da zögerte Johannes. Wie sollte er, der bloß Stimme war, den Messias taufen? Er fühlte sich nicht einmal würdig, ihm einen Sklavendienst zu tun und die Schuhe auszuziehen. Nur weil Jesus darauf bestand, taufte er ihn – und wurde damit doch nichts anderes als Stimme! Er wurde einfach ein Werkzeug des himmlischen Vaters und bezeugte dabei Jesus als denjenigen, mit dem Gottes Herrlichkeit in die Welt kommt.
Ja, liebe Gemeinde, Jesus ist der Wichtigste. Auch der große und bedeutende Johannes, nach Jesu Worten der größte Mensch der Welt, konnte und wollte vor ihm nichts gelten, wollte nichts anderes sein als eine Stimme, die Christi Kommen ankündigte. Wenn doch auch wir als Christen uns so sehen würden! Jesus ist die Hauptperson; unser ganzes Leben soll nichts anderes sein als ein Lob und Preis seines Namens. Ja, wir Christen, die wir durch Jesus leben, wollen doch nichts anderes sein als Stimmen, die ihn loben und die den anderen Menschen bezeugen: „Seht her, hier kommt Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! Hier kommt die Herrlichkeit des Herrn!“
Um so zu leben, müssen wir uns freilich immer wieder auf das Kommen Jesu vorbereiten, so, wie Johannes aufgefordert hat. Denn bis Jesus einmal sichtbar wiederkommt und uns zu sich holt, haben wir ihn nicht als einen festen Besitz in unserem Herzen, mit dem wir uns zur Ruhe setzen könnten. Nein, wir müssen vielmehr täglich neu unsere Herzen bereiten mit rechtem Glauben, dass er bei uns einziehe. Und bei solcher Vorbereitung kommt viel in Bewegung. Wenn ich das Jesaja-Wort höre, dann denke ich an eine große Eisenbahn-Baustelle: Da werden Berge durchbohrt, Täler überbrückt, Bahndämme aufgeschüttet, ungeheure Erdmassen bewegt, nur damit eine möglichst grade und ebene Bahn für die Gleise geschaffen wird. So soll auch in unserem Herzen alles Wankelmütige und Unebene ausgeglichen werden. Das geschieht durch Buße. Das geschieht, wenn wir unsere Sünden bereuen, Gottes Vergebung empfangen und uns in Kraft dieser Vergebung um Besserung mühen. So hat es Johannes der Täufer auch gepredigt, und er hat als Zeichen für Buße und Vergebung im Jordan getauft. Daher nennt man ihn bis heute den Täufer.
Viele kamen zu ihm hinaus in die Wüste und an den Jordan: Arme und Reiche, Priester und Soldaten. Johannes nahm kein Blatt vor den Mund, wenn er sie zur Buße rief: „Ihr Schlangenbrut!“, redete er sie an. „Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße!“ Und er wurde dabei ganz konkret: „Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keins hat!“, sagte er (Lukas 3,7.11). Die Angestellten sollten mit ihrer Bezahlung zufrieden sein, die Beamten unbestechlich. Ja, Johannes predigte Gottes Gesetz, um die Menschen zur Umkehr zu bewegen, aber er predigte auch die Gnade, er verkündigte das Gotteslamm und taufte zur Vergebung der Sünden.
Dass er ganz treu Gottes Stimme war, hat ihn schließlich sein Leben gekostet. Er hielt einem hohen jüdischen Fürsten dessen Ehebruch vor. Dafür wurde er eingesperrt. Die Ehebrecherin aber stiftete den Fürsten an, Johannes enthaupten zu lassen. Diese Geschichte von Herodias und Salome ist sehr bekannt. Die Jünger des Johannes bestatteten seinen Leichnam, ohne Kopf. Wir wissen aber, dass Christus, wenn er einst wiederkommt, auch diesen Mann auferwecken und zu sich in die himmlische Herrlichkeit nehmen wird. Dasselbe erhoffen und erbitten wir für uns. Und wie Johannes kennen auch wir den einen, der uns das schenken kann. Darum wollen auch wir nichts anderes sein als Stimmen zu seinem Lob, und wollen dabei auf die Stimmen seiner Boten hören. Amen.
PREDIGTKASTEN |