Gemeinschaft mit Gott

Predigt über 1. Johannes 1,1‑4 zum 2. Sonntag nach Weihnachten

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Immer mehr Christbäume haben elektrische Lichter statt echter Kerzen. Mancher ist vielleicht ein wenig traurig darüber, sind doch echte Kerzen ein schönes Symbol für Christus: das Licht, das sich aus aus Liebe verzehrt. Aber auch die elek­trischen Kerzen haben eine symbolische Bedeutung für die frohe Botschaft von Jesus Christus. Besonders für den ersten Abschnitt des ersten Johannes­briefes können sie eine Verständnis­hilfe sein. Die Kernaussage dieses Abschnitts finden wir im dritten Vers. Da schreibt der Apostel Johannes: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemein­schaft habt; und unsere Gemein­schaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“ Es geht dabei um die grund­legende christliche Botschaft, mit der die Kirche und unser Glaube steht und fällt: Dass wir durch Jesus Christus die Gemein­schaft mit Gott neu geschenkt bekamen, die wir um unserer Sünde willen verloren hatten. Der ganze Abschnitt führt uns vor Augen, wie diese unsere Gemein­schaft mit Gott zustande kommt. Und da kann uns die elektrische Weihnachts­baum­beleuchtung als Anschauungs­mittel helfen.

Stell dir vor, du bist eine elektrische Christ­baumkerze. Wenn du leuchtest, dann bedeutet das: Du hast Gemein­schaft mit Gott und ewiges Leben. Ob du leuchtest, hängt davon ab, ob eine direkte Verbindung vom Kraftwerk zu dir besteht. Das Kraftwerk ist der ewige Gott, der himmlische Vater, von dem alles Leben kommt. Und dieses Leben gelangt nun auf einem bestimmten Weg zu dir. Da sind Hoch­spannungs­leitungen und Trans­formatoren, in denen der Strom umgeformt wird. Da sind Kabel, da ist eine Steckdose und eine Zuleitung. Wenn dieser Weg des elek­trischen Stroms irgendwo unter­brochen ist, bleibst du dunkel. Um diesen Weg geht es in dem Abschnitt aus dem Johannes­brief, um den Weg, wie Gottes Leben zu dir kommt. Es geht um deine Verbindung, deine Gemein­schaft mit dem all­mächtigen Vater. Die Leitungen und Trans­formatoren auf diesem Wege sind der Mensch gewordene Jesus Christus, die Apostel als Augenzeugen und die Verkündiger der Evan­geliums. Liebe Gemeinde, es ist ganz wunderbar, wie diese Verbindung zustande kommt, und wir wollen das jetzt mit diesen Versen genau betrachten. Wir wollen darüber staunen, was für große Dinge Gott unternimmt, damit wir Gemein­schaft mit ihm und ewiges Leben haben können. Gott ist es, der zu uns kommt und in uns leuchtet, es ist seine Kraft, seine Energie, sein Tun. Wir aber sollen darauf achthaben, dass diese Verbindung nur ja nicht unter­brochen wird, denn dann geht das Licht des ewigen Lebens bei uns aus, und wir sind verloren. Lasst uns auch darum diese Verse genau betrachten. Lasst uns diese Verbindung verstehen lernen und aufpassen, dass sie nicht abbricht.

Der erste Punkt in dieser Verbindungs­linie ist Gottes Erscheinen in unserer Welt. Das ist sozusagen jener Trans­formator, der den Kraftwerks­strom für die große Überland­leitung umspannt. „Das Leben ist er­schienen“, schreibt der Apostel Johannes. Mit „Leben“ meint er hier den, der das Leben in diese Welt bringt und der auch „Wort des Lebens“ heißt: Jesus Christus. Mit ihm ist Gottes Herrlich­keit in unsere Welt gekommen, wenn auch trans­formiert – umgeformt in Niedrig­keit, Schwach­heit, Armut. Dennoch ist die Krippe die Anschluss­stelle für Gottes Strom in unserer Welt. „Anfang“ nennt Johannes diese Anschluss­stelle, wie sie auch schon im ersten Buch Mose „Anfang“ hieß. Gott selbst ist unendlich und ewig, Gott selbst hat keinen Anfang, aber wo Gott mit unserer Welt in Berührung tritt, da geschieht immer ein „Anfang“. Das war bei der Schöpfung so: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (1. Mose 1,1). Da war sein Sohn Jesus Christus bereits beteiligt: „Am Anfang war das Wort“ (Joh. 1,1). Und als der Sohn dann Fleisch wurde, war da ein Neuanfang, eine Neu­schöpfung, eine neue Tat Gottes, um die gefallene Schöpfung zurück­zugewinnen. Das drückt der Apostel Johannes aus, wenn er hier in seinem Brief schreibt: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben…“ Die Krippe, Gottes Trans­formator in diese Welt, ist der Anfang zur neuen Gemein­schaft mit Gott, die uns geschenkt wird.

Bei diesem Vergleich erkennen wir, dass es ohne den Gottessohn Jesus Christus keine Gemein­schaft mit Gott gibt. Den ent­scheidenden Vers 3 kann man auch so übersetzen: „Unsere Gemein­schaft ist mit dem Vater, nämlich in der Weise, dass wir mit seinem Sohn Jesus Christus Gemein­schaft haben.“ Das klingt ganz selbst­verständ­lich, muss aber doch mit Nachdruck betont werden. Es gab und gibt nämlich eine große Zahl von Leuten, die in Jesus einen heraus­ragenden und vorbild­lichen Menschen sehen, aber nicht glauben wollen, dass er Gott in Person ist. Johannes sagt es in diesem Brief wiederholt ganz deutlich: „Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater“ (1. Joh. 2,23). Wenn wir das ernst nehmen, dann kann es keine Ver­brüderung zwischen uns Christen und anderen Religionen geben. Nur der Gottessohn verbindet uns mit dem all­mächtigen Vater. Wenn an dieser Stelle die Verbindung unter­brochen ist, bleibt unsere Christbaum­kerze dunkel.

Wir kommen nun an einen weiteren Punkt in der Verbindungs­linie zwischen Gott und uns: die be­vollmächtig­ten Augenzeugen des Gottes­sohnes Jesus Christus. Ihr Dienst ist für uns un­verzicht­bar, denn ohne sie wüssten wir nichts von unserem Herrn. Unsere Augen sehen ja Christus nicht, unsere Ohren hören nicht direkt seine Stimme, unsere Hände können ihn nicht betasten; das war den Menschen einer anderen Zeit an bestimmten Orten vor­behalten. Der Apostel Johannes gehörte zu ihnen, und in der Gemein­schaft der anderen be­vollmächtig­ten Augenzeugen schreibt er einfach „wir“: „Was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unseren Augen, was wir betrachtet haben und unsere Hände betastet haben …“ Hier haben wir zu­verlässige Kunde über alles Wichtige, was mit Jesus Christus geschehen ist, was er gesagt, getan und erlitten hat. Wenn wir die Worte dieses Zeugnisses ernst nehmen, dann erkennen wir, dass man da unmöglich von Mythen und Legenden reden kann, wie es uns viele Theologen unserer Zeit weismachen wollen. Es geht nicht um fromme Gedanken, um Träume oder um Phantaste­reien des Apostels Johannes und der anderen Apostel, sondern um das, was sie wirklich gehört, gesehen und betastet haben. Und selbst wenn sie bei der einen oder anderen Begebenheit persönlich nicht dabei waren, so haben sie sich dann doch bei zu­verlässigen Augenzeugen fleißig erkundigt. So war der Apostel Johannes natürlich nicht bei Jesu Geburt anwesend; aber er hat später Jesu Mutter Maria bei sich aufgenommen wie seine eigene Mutter und hat von ihr alles erfahren über Jesu Geburt, aus erster Hand. Gewiss schließt er ihre Berichte in das „Wir“ der Augenzeugen ein, wenn er schreibt: „Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben…“

Apostel und Evange­listen wie Johannes sind also un­verzicht­bare Trans­formator-Stationen für unsere Verbindung zu Gott. Wie wir ohne den Sohn nicht den Vater haben, so haben wir ohne die Apostel nicht den Sohn. Deshalb bekennen wir im Glaubens­bekenntnis, dass wir eine aposto­lische Kirche sind, gegründet auf das Wort der Apostel. Und deshalb wurden mit den Apostel- und Evange­listentagen diesen aus­erwählten Zeugen zu Recht kalen­darische Denkmäler gesetzt, wie zum Beispiel der Tag des Apostels und Evan­gelisten Johannes am 27. Dezember. Ohne das Zeungis ihrer per­sönlichen Begegnungen mit dem fleisch­gewordenen Wort müsste alles Reden von Jesus un­verbindlich bleiben, reines Rätselraten und Spe­kulation. Wir können das Apostelwort deshalb nicht hoch genug einschätzen und Gott nicht genug dafür danken. Wo dieses Wort kritisiert oder gar verachtet wird, da gibt es kein ewiges Leben, da muss die Christ­baumkerze dunkel bleiben.

Die dritte Trans­formator­stelle für die Gemein­schaft mit Gott, die wir den Versen aus dem ersten Johannes­brief entnehmen können, ist die Verkündi­gung. „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch“, schreibt Johannes. Die Augenzeugen-Erfahrungen des Apostels und Evange­listen wurden weiter­gesagt, auf­geschrie­ben, über­liefert, immer wieder neu gepredigt und verbreitet. Die Apostel waren nicht nur als Jünger eingeladen und auf­gefordert, zu sehen und zu erleben, sondern sie wurden auch aus­geschickt mit dem Auftrag, es aller Welt weiter­zusagen, was sie erlebten. Denn so will Jesus, das Wort des Lebens, zu denen kommen, denen er nicht in seinen Erdentagen leibhaftig begegnete. Und an diesem Punkt der Verbindung zu Gott, an diesem Trans­formator­häuschen sozusagen, habe auch ich meine Aufgabe, der ich euch das aposto­lische Wort weiter verkündigen soll. Das geschieht nicht nur in der Predigt, sondern auch in den Sakramenten Taufe und Abendmahl, die ja aus dem Wort leben, auch im Zuspruch der Sündenvergebung bei der Beichte, auch in der per­sönlichen Seelsorge. Hier, in den Gnaden­mitteln der Kirche, ist eure Steckdose für Gottes Kraft, die euch zum Leuchten bringt; hier habt ihr die Verbindung zum Kraftwerk, zum All­mächtigen. Und auch diese Verbindungs­stelle ist lebens­wichtig für den Glauben: Taufe, Abendmahl, christliche Lehre und Gemein­schaft sind von Christus verbindlich vorgesehen und daher letztlich un­verzicht­bar.

Liebe Gemeinde, auch diese Verbindungs­stelle ist leicht gefährdet, gerade in der heutigen Zeit. Nicht nur, dass viele meinen, allein ohne Gottes­dienst genug für ihren Glauben tun zu können (Wenn man sie dann nach diesem Glauben befragt, kommen meistens sehr ver­schwommene und zum Teil unbiblische Meinungen an den Tag). Nein, nicht nur das, auch das Hirtenamt wird heute von vielen nicht mehr akzeptiert, der Dienst der Pastoren gering geschätzt. Versteht mich nicht falsch, mir geht es nicht darum, in der Gemeinde etwas Großes darstellen zu wollen. Meinetwegen braucht ihr von mir persönlich keine hohe Meinung zu haben; ich bin nur ein elender sündiger Mensch. Aber wenn ich zu euch predige, dann predige ich das Wort der Propheten und Apostel, dann predige ich Jesus Christus, und dann bringe ich euch das Wort des ewigen Lebens, durch das ihr Ge­meinschaft mit Gott habt. Es geht hier auf der Kanzel nicht um meine Meinung, sondern um Gottes Wort. Ich will nicht sagen, dass das immer unfehlbar ist, was ich sage. Aber falls du mal denken solltest: „Was hat der heute für einen Quatsch erzählt!“, dann prüfe genau anhand der Bibel, ob dieses Urteil richtig ist. Stimmt meine Predigt nicht mit Gottes Wort überein, dann hast du die heilige Pflicht, zu mir zu kommen und mir das vor­zuhalten. Stimmt sie aber überein, dann nimm sie auch als Gottes Wort an und kritisiere nicht daran herum! Denn in der Wort­verkündi­gung und Sakraments­verwaltung deiner Gemeinde geschieht Ent­scheiden­des: Hier hast du die Verbindung zum lebendigen Gott. Ist die unter­brochen, bleibt dein Licht dunkel.

Es bleibt mir zum Schluss nur der inständige Wunsch, dass ihr alle zusammen mit vielen anderen diese Gemein­schaft mit Gott habt und hell strahlende Weihnachts­kerzen seid und bleibt. Denn das gereicht mir und euch zu großer Freude, wie auch der Apostel und Evangelist Johannes am Ende unseres Abschnitts sagt: „Das schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei.“ Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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