Weihnachten der Tatsachen

Predigt über Micha 5,1 zum 1. Weihnachtsfeiertag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Der berühmte Nürnberger Christkindl­markt wird jedes Jahr vom Christkind eröffnet. Jedenfalls nennt man diese Person so. In Wirklich­keit ist es eine hübsche junge Dame mit wertvollem Gewand und prächtigem Kopf­schmuck. Was für eine Illusion! Aus dem Gottessohn, der in einer Not­unterkunft als Kind armer Eltern geboren wurde, um die Welt zu erlösen, wurde ein engelhaft ver­kleidetes Mädchen, das etwas Weihnachts­stimmung bringen möchte – und das nicht zuletzt auch den Nürnberger Geschäfts­leuten die Kassen füllen hilft.

Dieses zur Un­kenntlich­keit entstellte Christkind ist aber nur eine von vielen Illusionen, die zur Weihnachtszeit in unserer Umgebung auftauchen. Da ist auch der klassische Weihnachts­mann mit Knecht Ruprecht. Da stehen Grimms Märchen hoch im Kurs. Da erzählt man sich allerhand ernste und heitere Legenden. Auch unsere Weihnachts­lieder sind voller Illusionen. Ob da wirklich ein holder Knabe im lockigen Haar gelacht hat, weiß niemand, es steht nicht in der Weihnachts­geschichte. Auch von Ochs und Esel steht nichts da. Und von den heiligen drei Königen lässt sich nicht sagen, ob es Könige und ob es derer drei waren.

Liebe Gemeinde, ich möchte euch die Weihnachts­illusionen keineswegs madig machen. Für viele hängen schöne Kindheits­erinnerungen daran. Und manche Weihnachts­illussion trägt dazu bei, dass wir das wirkliche Weihnachts­geschehen besser verstehen können. Manches andere freilich lenkt auch davon ab. Da wird den Kindern gesagt: „Wenn du artig bist, dann bringt dir das Christkind schöne Geschenke; wenn du aber böse bist, dann kriegst du nichts.“ Solch ein Christkind ist Gott ein Greuel! Das Christkind kam ja nicht um artiger Menschen willen, sondern um uns böse Menschen aus dem Sündensumpf heraus­zuziehen. Solche gedanken­losen Christkind-Umdeutungen können dazu führen, dass die Kinder später als Erwachsene immer noch meinen: Wenn ich gut und fromm bin, wird Gott mich selig machen, wenn ich aber böse bin, dann wird er mich verdammen. Es ist kein Wunder, wenn diejenigen, die so denken, früher oder später an ihrem Glauben irre werden, weil das Leben doch anders läuft. Und es ist ein Greuel, wenn das Nürnberger Christkind seine Aufgabe darin sieht, Kindern den Glauben an ein völlig entstelltes Christkind zu vermitteln. Wen wundert es da, wenn so viele junge Menschen mit den Kinder­schuhen und dem Glauben an den Weihnachts­mann auch den Glauben an das Christkind abwerfen, ebenso den Glauben an Engel und an das wunderbare Geschehen von Bethlehem. Sie haben ja nie zwischen Illusion und Glaubens­tatsachen unter­scheiden gelernt.

Liebe Eltern, bitte achtet sehr genau darauf, dass eure Kinder diesen Unterschied rechtzeitig begreifen! Da gibt es auf der einen Seite manche Illusionen zum Weihnachts­fest, die sind aber letztlich neben­sächlich, sind letztlich ein Spiel. Und da gibt es auf der anderen Seite ein paar nüchterne Tatsachen über die Geburt des echten Christ­kinds, die knapp und klar in der Bibel auf­geschrieben sind. An eben diesen Tatsachen muss im Glauben fest­gehalten werden, wenn das Leben nicht in einer Katastrophe enden soll.

Über diese Tatsachen will ich jetzt sprechen. Es sind ganz wunderbare Tatsachen, die Gott schon lange Zeit zuvor durch besondere Boten ankündigen ließ. Eine dieser An­kündigungen ist das Wort des Propheten Micha: „Du, Bethlehem Ephrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“

Da ist zunächst der kleine Ort Bethlehem, den Gott sich als Geburtsort für den Erlöser ausersehen hatte. Noch heute gibt es diesen Ort in Palästina: „beth lahm“ heißt er und liegt auf einer felsigen Anhöhe, von Baum­pflanzungen und Weingärten umgeben. Relativ fruchtbar wird diese Gegend schon immer gewesen sein, denn der alte Name des Ortes „Ephrata“ heißt zu deutsch „frucht­bar“. Und auch der neuere Name „Bethlehem“ weist darauf hin: Er bedeutet „Haus des Brotes“; man würde bei uns vielleicht sagen: „Brot­hausen“. Auch an solch scheinbar neben­sächlichen Dingen erkennen wir, dass bei Gott nichts Zufälliges geschieht, sondern dass es immer wieder wunderbare Zusammen­hänge zu bestaunen gibt: Mit der Geburt des Erlösers wurde aus dem „Haus des Brotes“ ein „Haus des Lebens­brotes“ Jesus Christus! Aus dem fruchtbaren Ephrata kommt der, der den Hunger nach Erlösung und nach Frieden mit Gott stillen will und kann!

Aber noch deutlicher zeigt sich an einer anderen Tatsache, warum Gott gerade Bethlehem ausgewählt hat: Bethlehem ist die Heimat des Königs David. Hier hatte sein Urgroßvater Boas seine Ur­großmutter Rut geheiratet, so können wir es im Buch Rut nachlesen. Hier hatte ihn sein Vater Isai (oder Jesse) aufs Feld geschickt, um Schafe zu hüten. Hier hatte ihn der Prophet Samuel zum König gesalbt. Aus dem Königs­geschlecht Davids sollte dann der Messias kommen, so versprach es Gott durch viele Propheten. Und um dies noch zu unter­streichen, wählte Gott Davids Heimatstadt Bethlehem als Geburtsort für den ver­sprochene Retter aus. Von da erwarteten ihn auch die Juden zu Jesu Zeit. Als die Weisen aus dem Morgenland in Jerusalem beim König Herodes anfragten, wo sie den neu geborenen König der Juden suchen sollten, da fanden die Ratgeber des Königs eben diesen Vers aus dem Micha-Buch, den wir hier bedenken.

Eines kann uns an dieser Stelle übrigens stutzig machen: Während der Vers im Michabuch von der kleinen, unbedeutenden Stadt Bethlehem redet, heißt es im Matthäus­evangelium, wo dem Herodes diese Schrift­stelle vorgetragen wird: „Du Bethlehem im jüdischen Lande bist keineswegs die kleinste unter den Städten in Juda“ (Matth. 2,6). Wo kommt dieses „Keines­wegs“ denn her? Ob die Schrift­gelehrten es wohl dazugesetzt hatten, weil ihnen die Vorstellung un­erträglich war, der erwartete Volksheld könne aus einem kleinen Kaff kommen? Oder hat später ein Abschreiber der Bibel dieses Wort eingefügt, aus ähnlichen Gründen? Wir wissen es nicht. Aber beide Fassungen dieses Micha-Wortes wider­sprechen sich auch nur scheinbar; in Wahrheit zeigt uns Gott damit eine wunderbare Heils­tatsache: Der Erlöser kommt niedrig, arm, un­bedeutend, gering. Selbst der Geburtsort zeigt das an: ein ganz normales kleines Dorf. Gott will ja durch Niedrigkeit die Erlösung wirken, nicht durch Macht, Stärke und Reichtum dieser Welt. Gerade aber in Gottes Niedrigkeit zeigt sich die wunderbare Macht seines Reiches, das nicht von dieser Welt ist. Gottes Schwachheit übersteigt und überwindet alle Macht dieser Welt durch den Welten­herrscher Jesus Christus, geboren in Bethlehem. Deshalb ist dieser Ort mitnichten gering zu achten, wie es im Matthäus-Evangelium heißt, sondern es ist ein Ort, dem eine einzig­artige Ehre widerfährt, ein Ort, der bleibenden Weltruhm erlangt hat: der Geburtsort des Heilands! Ja, so sind diese scheinbar wider­sprechenden Fassungen des Micha-Zitats beide wahr und zutreffend.

Was die Erfüllung des Micha-Zitats anbetrifft, so kann man auch daran Gottes wunderbare Führung ablesen. Jesu Mutter Maria und ihr Mann Joseph waren zwar Nachkommen des Königs David, lebten aber nicht mehr im Gebiet des Stammes Juda, geschweige denn in Bethlehem. Ihre Vorfahren hatten sich im Norden des Landes an­gesiedelt, in Galiläa, in der Stadt Nazareth. Gott hatte aber diese Frau als Mutter des Heilands ausersehen. Wie sollte sie nach Bethlehem kommen? Nun, Gott lenkt auch die Herzen der höchsten Herrscher dieser Welt! So lenkte er das Herz des großen römischen Kaisers Augustus und dessen Statt­halters Quirinius, dass sie gerade zu dieser Zeit eine Volks­zählung in dem Gebiet durch­führten zwecks Erstellung von Steuer­listen. Nur diesem Umstand ist es zu verdanken, dass Maria und Joseph nach Bethlehem zogen und dort Jesus zur Welt brachten, wie es Gott in seinem ewigen Plan vorgesehen hatte.

Soweit die äußeren Weihnachts­fakten. Aber auch von der Bedeutung dieses Kindes hatte Gott bereits durch Micha wie auch durch andere Propheten Kunde gegeben. „Er wird in Israel Herr sein, er wird herrschen“, heißt es. Wir wissen, was das für eine wunderbare Herrschaft ist: Die Herrschaft über Sünde, Tod und Teufel, nicht nur beim leiblichen Volk Israel, sondern beim wahren Israel, nämlich bei allen, die durch Taufe und Glaube zu Gottes Volk gehören. Wir sind mit dabei, auch das hat Micha schon voraus­gesagt. Unser Herr ist es, der da in Bethlehem zur Welt kam, und wir tun gut daran ihn wirklich auch als Herrn an­zuerkennen, ihn über uns herrschen zu lassen, ihm den ersten Platz in unserem Leben ein­zuräumen, ihm zu gehorchen. Gott selbst wurde in diesem Herrn niedrig und diente uns bis hin zur Selbst­aufgabe – können wir da anders als mit ganzem Herzen diesem Herrn zu lieben? Wir können auch von Herzen ja und amen zu dem sagen, was Micha durch Gottes Geist dann noch anfügte: Sein Ausgang ist von Anfang und von Ewigkeit her. Er ist wirklich Gott, ohne Beginn, ohne Ende, unendlich wie Gott. „Jesus Christus gestern und heute, und derselbe auch in Ewigkeit“, so bekennen wir mit dem Hebräer­brief (Hebr. 13,8). All das ist schon Jahr­hunderte vor dem ersten Weihnachts­fest voraus­gesagt worden!

Liebe Gemeinde, wir Christen feiern ein Weihnachts­fest der Tatsachen, der wunderbaren Tatsachen. Auch wenn wir alle Weihnachts­illusion und -tradition weglassen würden, allen Schmuck, alle Geschenke, alle Pracht, so bliebe doch diese eine herrliche Tatsache: Unser Herr ist geboren, Gott selbst, ein Mensch, der hier seinen Weg antritt, um unsere Schuld abzubüßen und uns so das Tor zum ewigen Leben auf­zuschließen. Micha und die anderen Propheten haben es durch Gottes Geist genau vorher­gesagt, was sich dann in Bethlehem erfüllte. Da wird man im Glauben gestärkt – bei solch machtvollen Beweisen, dass Gottes Wort wahr und zuverlässig ist! Da wird man im Glauben gestärkt und vertraut darauf, dass auch die noch aus­stehenden Ver­heißungen einst eintreffen werden: Nämlich dass unser Herr wieder­kommen und alle, die ihm vertrauten, mit sich nehmen wird in die herrlichen, ewigen Himmels­freuden! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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