Was wir für einen Gott haben

Predigt über 2. Mose 3,14 zum Letzten Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wisst ihr eigentlich, wie Gott heißt? Vielleicht haltet ihr das für eine dumme Frage. Gott heißt doch einfach nur Gott, was sollte er für einen besonderen Namen haben? Aber wir können das nur deshalb so selbst­verständ­lich hinnehmen, weil für uns ohne Zweifel feststeht: Es gibt nur einen Gott; wir brauchen ihn nicht mit einem bestimmten Namen von anderen Göttern zu unter­scheiden. Diese Erkenntnis war zur Zeit des Mose keineswegs so selbst­verständ­lich wie heute. Wir schlagen uns heute mit der Frage herum, ob es denn wenigstens diesen einen Gott wirklich gibt; die hebräischen Zwangs­arbeiter in Ägypten dagegen waren im Zweifel, ob es denn tatsächlich nur diesen einen Gott gibt anstelle der bunten Schar im früh­geschicht­lichen Götter­himmel. Sie hörten, wie ihre ägyptischen Vor­gesetzten Götter bei ihren Namen riefen: Amun, Thot oder Hathor. Mose wusste um dieses Problem, und auf diesem Hintergrund müssen wir seine Frage an Gott verstehen: „Siehe, wenn ich zu den Kindern Israel komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?“ Gott lässt sich auf Moses Frage ein und nennt ihm seinen Namen. Ja, Gott hat tatsächlich einen Namen. Gott stellte sich folgender­maßen vor: „Ähejä aschär ähejä.“ Das ist hebräisch und bedeutet auf deutsch ungefähr: „Ich bin, der ich bin.“ Oder: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Oder auch: „Ich will der sein, der ich sein will.“ All diese Über­setzungen sind möglich.

Hier steigen wir in die spannende Geschichte des Gottes­namens ein. Gott hat sich vorgestellt mit den Worten: „Ähejä aschär ähejä“ – „Ich bin, der ich bin“. „Jihejä aschär jihejä“ – „Er ist, der er ist“, so kann Mose Gottes Namen weiter­gesagt haben, und dieses „Jihejä aschär jihejä“ kann zusammen­gezogen werden zu „Jahwe“. Mit diesem Namen wird Gott im Alten Testament knapp 7000 mal bezeichnet: Jahwe – der, der ist, der er ist. Jahwe, der sich Mose und durch ihn allen Hebräern vorgestellt hat mit den Worten: „Ich bin, der ich bin.“ Im 6. Jahr­hundert vor Christus, als vom blühenden Staat Israel praktisch nur ein Trümmerfeld übrig geblieben war und die Juden als Vertriebene im Ausland saßen, bekamen sie eine Scheu, den Gottesnamen aus­zusprechen. Sie fürchteten, sie könnten ihn gedankenlos und somit miss­bräuchlich sagen. Deshalb ersetzten sie beim Vorlesen der Bibel den Namen Jahwe durch das Wort „Herr“, auf Hebräisch „Adonaj“. Die älteste Übersetzung des Alten Testament, die griechische Übersetzung der Septua­ginta, orientiert sich daran und gibt Jahwe mit „Kyrios“ wieder, mit „Herr“ auf Griechisch also. Als dann viel später jüdische Gelehrte die hebräische Schrift ver­feinerten und mit kleinen Zeichen über und unter den alten Buchstaben Lesehilfen gaben, wurde das Wort Jahwe so verändert, dass die Lesehilfen auf „Adonaj“ hin­deuteten, auf „Herr“. Schließlich hat auch Martin Luther dies bei der deutschen Übersetzung des Alten Testaments berück­sichtigt: Wo er im Hebräischen den Gottesnamen „Jahwe“ fand, hat er das deutsche Wort „HERR“ eingesetzt. Er hat es allerdings mit vier Groß­buchstaben getan und damit angezeigt: Hier steht in der Ursprache Jahwe, der Name Gottes. So finden wir den Gottesnamen bis heute in unserer Lutherbibel wieder­gegeben. Lasst mich noch eine interes­sante Zusatz­information geben! Im Mittelalter ging die Kenntnis der hebräischen Sprache zurück, und es kam zu einem Irrtum: Man las den Gottesnamen Jahwe zusammen mit den Lesehilfen für das Wort Adonaj; dabei kam „Jehova“ heraus. Jehova ist also eigentlich gar kein richtiges Wort, sondern eine irrtümliche Aussprache des hebräischen Gottes­namens Jahwe. Übrigens kommt der Name Jahwe in versteckter Form doch noch in unsern Bibeln vor, nämlich im Wort „Hallelu-Ja“. Es bedeutet „Lobt Jah!“ beziehungs­weise „Lobt Jahwe!“ – oder, wie Luther übersetzte, „Lobet den HERRN!“

Doch nun Schluss mit der Sprach­geschichte! Wir wollen ja auch noch bedenken, was Gottes Name zu bedeuten hat. Gott hat sich gewiss nich zufällig so genannt: „Ich werde sein, der ich sein werde.“ Dieser Name ist vielmehr eine Regierungs­erklärung: „So bin ich, so sollt ihr mich kennen­lernen.“ Was bedeutet das nun aber: „Ich werde sein, der ich sein werde“? Wenn wir andere Aussagen der Bibel über Gott hin­zuziehen, dann können wir vier Eigen­schaften Gottes daran ablesen. Erstens: Er ist ein un­vergleich­licher Gott. Zweitens: Er ist ein unfassbarer Gott. Drittens: Er ist ein herr­schender Gott. Viertens: Er ist ein treuer Gott. Lasst mich das näher ausführen.

Erstens: Gott ist ein un­vergleich­licher Gott. Er hat gesagt: „Ich bin, der ich bin.“ Er ist folglich kein Abklatsch irgend­welcher Götzen; er hat mit ihnen nichts gemein. In der Tat ist Gott ganz anders als die Götter anderer Religionen, wenn es auch dem äußeren Anschein nach gewisse Ähnlich­keiten zwischen dem Glauben an Gott den HERRN und den Religionen gibt. Nehmen wir zum Beispiel den Islam. Da müssen wir fes­tstellen: Allah ist nicht ein anderer Name für Jahwe, sondern Allah ist ein Götze – eine von Menschen geschaffene Gottes­vorstellung, die mit dem Gott der Bibel nicht identisch ist. Der Islam lehrt nämlich fünf sogenannte Pfeiler, die ein Mensch beachten muss, um selig zu werden: Erstens muss er bekennen: Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet. Zweitens muss er fünfmal täglich in genau vor­geschriebe­ner Weise beten; am auf­fälligsten ist dabei das tiefe Verneigen, bis die Stirn den Boden berührt. Drittens muss er Almosen geben, und zwar mindestens zweieinhalb Prozent jährlich von allem Einkommen und Erspartem. Viertens muss er im Fastenmonat Ramadan 30 Tage lang zwischen Sonnen­aufgang und Sonnen­untergang auf Essen und Trinken verzichten. Fünftens muss er einmal im Leben nach Mekka pilgern, sofern es seine gesundheit­lichen und finan­ziellen Verhält­nisse erlauben. Allah wird mit diesen fünf Forderungen zum über­mächtigen Geschäfts­partner der Menschen. Er verspricht: Wenn du das alles erfüllst, dann wartet der Himmel auf dich. Alle anderen Religionen sind Variationen desselben Themas. Die einen führen wilde Tänze auf, damit ihr Gott es regnen lässt; die andern opfern Menschen, damit die Ernte gut wird; die dritten suchen ihr Heil in der Meditation, um bei der Wieder­geburt eine höhere Stufe zu erreichen. Ganz anders Jahwe, ganz un­vergleich­lich: Er möchte nicht Geschäfts­partner sein, sondern er möchte schenken. Ja, er verschenkt Freikarten für den Himmel! Wir brauchen uns von ihm nur beschenken zu lassen mit einer Freikarte, die den Aufdruck trägt: Jesus hat für dich bezahlt. Das ist der rechte Glaube; nicht mehr und nicht weniger – das schlichte kindliche Vertrauen, das spricht: Wie schön, mein Gott beschenkt mich, bei ihm bin ich für immer geborgen! Ja, Gott handelt un­vergleich­lich; es gibt keine Parallele in der Religions­geschichte.

Zweitens: Gott ist ein unfassbarer Gott. Er hat gesagt: Ich bin, der ich bin. Er kann von Menschen nicht ergründet werden; er lässt sich auf keine Formel bringen. Neulich, bei einer Bibelarbeit über die Darstellung Jesu im Tempel, kamen viele Warum-Fragen auf: Warum musste eine jüdische Frau vierzig Tage nach der Geburt eines Sohnes im Tempel Tauben opfern? Warum erhob Gott einen Anspruch auf alles Erst­geborene? Warum hat Gott im Alten Testament so viele schwer verständ­liche Rituale vor­geschrieben? Warum sind sie mit Christus aufgehoben? Warum konnte Christus nicht eher kommen; warum gab es erst eine Geschichte Gottes mit dem alten Bundesvolk Israel? Ich habe mich redlich bemüht, die Fragen zu be­antworten, aber ich muss selbst­kritisch zugeben: so ganz be­friedigend waren meine Antworten nicht. Mit vielen weiteren Fragen über Gott geht es uns ebenso: Warum lässt Gott Leid zu? Warum lässt er uns Menschen die Freiheit zu sündigen? Warum zwingt er nicht alle zum selig­machenden Glauben? Ich weiß die Antworten nicht. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass ein Theologe in seinem Studium Antworten auf solche Fragen findet. Selbst der klügste Theologie­professor kann dem mensch­lichen Verstand keine klaren und be­friedigenden Antworten auf diese Fragen geben. Gott ist in seinem Tun unfassbar und un­verfügbar. Wir können ihm nicht in die Akten schauen, wo der letzte Sinn seiner wundersamen und ver­schlungenen Wege verzeichnet ist, und wir sollten es auch gar nicht wollen. Wir sollten lieber lernen, mit Gottes vorläufiger Antwort zufrieden zu sein, die in seinem Namen steckt: „Ich bin, der ich bin.“ So ist Gott eben, wie wir ihn in der Bibel und in unserm Leben erfahren. Wir sollten nicht soviel „Warum?“ fragen, sondern eher „Wozu?“ Wozu hat Gott dies und jenes geboten und geordnet? Wozu Altes Testament? Wozu Leid – was will Gott uns damit zeigen? Wozu-Fragen sind viel fruchtbarer als Warum-Fragen. Nehmen wir als Beispiel die wichtigste Tat Gottes, Jesu Tod und Auf­erstehung. Wenn wir fragen: Warum hat Gott gerade diesen Weg gewählt, warum hat er es seinem eigenen Sohn so schwer gemacht und warum soll gerade das uns helfen?, dann werden wir keine be­friedigende Antwort finden. Menschlich gesehen ist es eine „Torheit“, wie die Bibel sagt. Wenn wir es aber einfach als Gottes Weg annehmen und fragen: Wozu?, dann ist Gottes Antwort leuchtend klar: zur Vergebung unserer Sünden, zur Wieder­herstellung der zer­brochenen Gemein­schaft mit Gott und zum ewigen Leben!

Drittens: Gott ist ein herr­schender Gott. Er hat gesagt: „Ich bin, der ich bin.“ Er lässt sich von Menschen nicht vor­schreiben, wie er zu sein hat. Das hört sich für selbst­bewusste Ohren zunächst negativ an: Man hört heutzutage von Herrschafts­strukturen ja überwiegend in negativem Zusammen­hang. Es ist aber eigentlich etwas, was uns das Vertrauen stärken und froh machen kann: Unser Gott hat alles in der Hand! Er herrscht über Himmel und Erde – es gibt nichts und niemanden, dem er sich beugen müsste! Es kann und wird ihm nichts misslingen! Ja, wir dürfen volles Vertrauen in seine Macht setzen, denn er hat ja immer wieder ver­sprochen, dass er mit seiner Macht all denen helfen will, die ihm vertrauen. „Kyrie eleison!“ – „Herr, erbarme dich!“, mit diesem Ruf stellen wir uns vertrauens­voll unter seine Herrschaft und wissen, dass uns gar nichts Besseres passieren kann als seine Knechte, seine Diener, seine Untertanen zu sein.

Viertens: Gott ist ein treuer Gott. Er hat gesagt: „Ich werde sein und bleiben, der ich war und bin.“ Er steht zu seinen Ver­heißungen; er ist kein launischer Gott. Später sprach er zu Mose: „Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich“ (2. Mose 33,19). Auch da hat er seine Treue gelobt: Wem er einmal die Gnade zugesagt hat so wie Mose, dem bleibt er weiterhin und in alle Ewigkeit gnädig. Nun ist zwar in Gottes Namen „Ich bin, der ich bin“ nicht aus­drücklich von seiner Gnade die Rede, aber Jesus hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sein Name so zu verstehen ist. Er hat das „Ich bin“ seines Vaters auf­gegriffen und in göttlicher Vollmacht so gedeutet: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ – „Ich bin der gute Hirte.“ – „Ich bin das Brot des Lebens.“ – „Ich bin das Licht der Welt.“ – „Ich bin die Auf­erstehung und das Leben.“

Ja, so will Gott sein und bleiben für alle, die ihm vertrauen. Was für ein großartiger Gott! Ein un­vergleich­licher Gott, ein unfassbarer Gott, ein herr­schender Gott, ein treuer Gott! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1987.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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