Was Gott zusammenfügt

Predigt über Markus 10,1‑12 zum 20. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Vielleicht seid ihr skeptisch, wenn ein un­verheira­teter Mann ohne viel Lebens­erfahrung versucht, eine Predigt über die Ehe zu halten. Ich möchte es dennoch wagen. Zwar kann ich keine praktischen Ratschläge geben, aber ich möchte aus Gottes Wort, besonders aus dem eben gehörten Wort Christi, das Wesen der Ehe darstellen. In der heutigen Zeit geht man immer gern auf Sonderfälle und außer­gewöhnliche Probleme ein, aber über die Grundlagen herrscht oft Unklarheit. Übrigens nicht nur in der heutigen Zeit. Zu Jesu Zeiten herrschte unter den Schrift­gelehrten ebenfalls der Ehrgeiz, durch spitz­findige und oftmals willkür­liche Auslegungen der göttlichen Gebote alle möglichen Einzelfälle und Sonder­situationen zu regeln. Dabei sah man dann oft genug den Wald vor lauter Bäumen nicht: Die Schrift­gelehrten übersahen den eigent­lichen tiefen Sinn dessen, was Gott geboten hatte. Der Abschnitt aus dem Markus­evangelium führt uns das vor Augen.

Als Jesus einmal das Volk lehrte, machten sich einige Pharisäer an ihn heran und stellten ihm eine Fangfrage zu einem Thema, das sie stark be­schäftigte: „Darf sich ein Mann von seiner Frau scheiden?“ Würde Jesus die Frage verneinen, stellte er sich klar gegen die jüdische Praxis, die von den Synagogen­lehrern gebilligt wurde; bejahte er sie aber, so konnte man weiter­fragen, wie er das denn mit dem 6. Gebot vereinbart. Jesus antwortete mit einer Gegenfrage: „Was steht im Gesetz des Mose?“ Und nun geschah das Typische: Die Pharisäer zitierten nicht etwa das klare 6. Gebot „Du sollst nicht ehe­brechen“. Sie verwiesen auch nicht auf den Schöpfungs­bericht, der Mann und Frau eindeutig und unlöslich einander zuordnet. Nein, sie zogen vielmehr eine entlegene Weisung aus dem 5. Buch Mose heran, wo es um einen notvollen Sonderfall geht: Angenommen, ein Mann hat irgendetwas an seiner Frau aus­zusetzen, trennt sich von ihr und doku­mentiert das in der damals üblichen Weise mit einem Scheide­brief, und weiter angenommen, die Frau heiratet dann einen anderen Mann, der es nach einer Weile ebenso macht, dann, so urteilte Mose, soll diese Frau keinesfalls wieder ihren ersten Mann heiraten. Diesen Sonderfall drehten und wendeten die Pharisäer nun so, dass sie Jesus ant­worteten: „Mose hat zugelassen, einen Scheide­brief zu schreiben und sich zu scheiden.“ Da rückte Jesus die Grundlagen über Ehe und Scheidung ins Bewusst­sein. Er machte seinen Zuhörern klar: Der Rat des Mose ist eine Anweisung für den Fall, dass das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist! Jesus sagte: „Um eures Herzens Härtigkeit willen hat er euch dieses Gebot ge­schrieben“ – also um der himmel­schreienden Sünde willen, dass ein Mann sich einfach von seiner Frau trennt und dies per Scheide­brief doku­mentiert (leider kam das auch in Gottes Eigentums­volk Israel vor). Mose recht­fertigte mit seinem Rat keineswegs die Scheidung, sondern wollte vielmehr in dieser schwierigen Situation die Sünde des Ehebruchs eindämmen, indem er eine erneute Wieder­verheiratung untersagte. Gottes grund­legendes Wort zur Ehe findet sich vielmehr im Schöpfungs­bericht, wo geschrieben steht, wie es „von Anbeginn“ war – zu einer Zeit also, als man noch nicht mit der Sünde rechnen musste. Jesus führte dazu aus: „Gott hat die Menschen geschaffen als Mann und Frau. Darum wird der Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird seiner Frau, anhangen und werden die zwei ein Fleisch sein.“ Jesu Kommentar über diese wahrhaft grund­legenden Sätze lässt keinen Zweifel an ihrer Bedeutung: „Was Gott zusammen­gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Die Aussage ist klar: Eine Ehe ist für Menschen grund­sätzlich un­auflöslich, und Scheidung ist immer gegen Gottes Willen. Erst wenn Gott einen der beiden Partner aus dieser Welt abruft, ist das Band der Ehe gelöst. Ja, das ist ganz eindeutig, das ist Gottes und Moses grund­legendes Gesetz.

Für die Pharisäer ließ Jesus es bei dieser Antwort bewenden. Seinen Jüngern aber gab er später auf Nachfrage noch ein paar zusätzliche Er­klärungen: Angenommen, ein Mann ist bereits geschieden und heiratet wieder, dann begeht er damit Ehebruch. Das Gleiche gilt ent­sprechend für eine Frau. Im Gesamt­zusammenhang des Neuen Testaments findet diese klare und kompromiss­lose Aussage allerdings eine kleine Ein­schränkung: In zwei Fällen ist ein Ehepartner frei, wieder zu heiraten, nämlich erstens, wenn der andere Partner durch Ehebruch die erste Ehe kaputt gemacht hat, oder zweitens durch sogenanntes böswilliges Verlassen – das heißt, wenn der andere Partner einseitig zum Ausdruck bringt, dass er die Ehe als nicht mehr bestehend betrachtet. Sonst aber ist Wieder­verheiratung eindeutig Ehebruch und bedeutet nach der Scheidung eine neuerliche Schuld.

Hier könnte die Predigt eigentlich zuende sein. Gottes Grundlagen sind klar und eindeutig. Wenn wir ihn unseren Herrn nennen und ihm gehorchen wollen, dann müssen wir das für unser Leben als verbindlich annehmen. Auch der voreheliche Geschlechts­verkehr und die sogenannte Ehe auf Probe müssen von Gottes Wort her abgelehnt werden, weil sie mit dem Ein-Fleisch-Werden ein wesent­liches Stück Ehe vorweg­nehmen, ohne dass sich die Partner aus­drücklich in die göttliche Ordnung der lebens­langen Ehe einfügen wollen. Wie gesagt, das alles müsste klar sein. Ist es heute aber leider nicht jedem, auch unter Christen nicht. Zu schnell lässt man sich vom Zeitgeist irremachen. Zu schnell raten Psychologen und Eheberater zur Scheidung, wenn sich einer in seiner Ehe nicht mehr recht wohlfühlt. Zu alltäglich sind zerbrochene und geschiedene Ehen um uns herum, und die Prominenz geht mit schlechtem Beispiel voran. Zu massiv wird Jugend­lichen zum freien Ausleben ihres Sexual­triebs ein gutes Gewissen gemacht. Das klare Wort Gottes hingegen erntet Achsel­zucken oder Un­verständnis. Hat man vergessen, dass Gottes Gesetz den Menschen zur Hilfe und zum Nutzen gegeben ist? Erkennt man nicht, dass der Schöpfer der Welt die einzig befugte Instanz ist, um die richtige „Gebrauchs­anweisung“ fürs Leben zu geben? Merkwürdig: Was die biologische Umwelt anbetrifft, spricht heute alle Welt vom Bewahren der Schöpfung und von der Ökologie, dem wunderbaren Zusammen­spiel der Natur, das von Menschen nicht gestört werden darf; schon Grund­schülern wird umwelt­bewusstes Verhalten bei­gebracht. Wer aber spricht von der Ökologie des mensch­lichen Mit­einanders, dem wunderbaren Zusammen­spiel von Mann und Frau in der göttlichen Ordnung der un­auflös­lichen Ehe? Hier wird aufgrund von ego­istischen Motive die Schöpfungs­ordnung oft bedenkenlos über Bord geworfen. Wie gesagt, für Christen müsste eigentlich das klare Wort des Herrn Grund genug sein, sich gewissen­hafter zu verhalten. Aber weil uns Gott durch sein Wort auch einen Einblick gegeben hat, warum die Ehe un­auflös­lich sein soll, möchte ich euch diese Gründe nicht vor­enthalten. Lasst mich deshalb jetzt einen irdischen und einen himmlischen Grund nennen, warum es gut ist, wenn Ehen lebenslang halten.

Jesus zitierte aus dem Alten Testament: „Darum wird der Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und wird seiner Frau anhangen, und werden die zwei ein Fleisch sein.“ In diesem Satz steckt die irdische Begründung. Für das Wort „anhangen“ steht im hebräischen Urtext ein Wort, das man auch mit „ankleben“ übersetzen kann. Mann und Frau kleben in einer Ehe sozusagen zusammen. Nun erinnere ich mich an meinen alten Werklehrer, der uns Schülern beibrachte, dass es zwei ver­schiedene Weisen gibt, Werkstücke miteinander zu verbinden: entweder durch lösliche oder durch nicht-lösliche Ver­bindungen. Das Kleben gehört zu den nicht-löslichen Ver­bindungen. Während man ge­schraubte, gesteckte oder geklemmte Ver­bindungen ohne weiteres wieder auflösen kann, kann man eine Klebe­verbindung nicht wieder rückgängig machen, ohne die Werkstücke zu be­schädigen. Genauso ist das mit der „Klebe­verbindung“ in der Ehe: Wo Menschen eine derart tiefe und enge persönliche Gemein­schaft eingehen, da lässt sich das nicht wieder so auflösen, dass hinterher einfach wieder zwei un­verheiratete Menschen heraus­kommen. Die eheliche Bindung ist nicht dafür gedacht, aufgelöst zu werden. Wenn eine Ehe dennoch mit Gewalt geschieden wird, dann bleiben danach zwei mehr oder weniger beschädigte Bruchstücke übrig. Wie viele seelische Er­krankungen, wieviel Trübsal und Einsamkeit gehen auf das Konto kaputt gegangener Lebens­bünde, die von Gott auf Dauer gemeint waren! Wieviele Kinder haben unter der Scheidung ihrer Eltern zu leiden! Sie können in ihrer Entwicklung großen Schaden erleiden, sodass hier deutlich wird, wie sich die Sünde rächt an den Kindern „bis ins dritte und vierte Glied“. Wenn zwei junge Menschen in einer „Ehe auf Probe“ leben, dann fallen sie der Illusion zum Opfer, sie seien un­gebundener als mit Trauschein. Aber ein eventuelles Auseinander­gehen ist in diesem Fall ebenso schmerzhaft wie das Scheitern einer Ehe: Es bleiben am Ende die Bruchstücke einer Beziehung übrig. Zudem können sich die beiden nicht wirklich einander hingeben, weil immer die Furcht gegenwärtig ist: In ein paar Monaten könnte der Partner genug von mir haben, und dann ist außer Spesen nichts gewesen. Dasselbe gilt für rechtmäßig ge­schlossene Ehen, in denen die Partner nicht den festen und ehrlichen Willen haben, unter allen Umständen zusammen­zubleiben. Wie schön ist es dagegen, wenn ein Ehepartner vom anderen weiß: Auch wenn ich alt und unattraktiv werde, bleibt er mir treu; auch wenn ich krank werde, wird er für mich da sein. Manches alte Ehepaar, das im Ganzen eine glückliche Ehe geführt hat, kann bezeugen, dass in Krisen­zeiten nur das Wissen um Gottes Ordnung und um die Un­auflöslich­keit der Ehe ihren Lebensbund zusammen­gehalten hat. Jede Ehe macht nämlich eine Entwicklung mit Höhen und Tiefen durch, möglicher­weise auch mit schweren Krisen – genauso, wie es im Leben eines einzelnen Menschen der Fall ist. Ebensowenig wie da der Selbstmord eine gute Lösung wäre, ist in einer Ehekrise das Kaputt­machen der Ehe eine gute Lösung.

Nun noch zur himmlischen Begründung. Das Neue Testament führt uns jene wunderbare Tatsache vor Augen, dass eine Ehe die liebevolle Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde abbildet. Auf Christi Seite ist die Liebe und Treue sogar absolut vollkommen. Darum singen wir: „Mein treuer Gott, auf deiner Seite bleibt dieser Bund wohl fest bestehn.“ Je deutlicher nun in einer Ehe Liebe und Treue zum Ausdruck kommen, desto besser wird sie zum Abbild der wunderbaren Liebe zwischen Christus und seiner Gemeinde. Wenn hingegen Christen den Bund zwischen Mann und Frau auflösen und aus der göttlichen Ordnung ausbrechen, dann verlieren sie ein wertvolles Stück Anschauung für die Liebe ihres Herrn. Wer mit ganzem Herzen in der göttlichen Ordnung der Ehe lebt und sie jeden Tag neu mit Leben füllt, der gibt dadurch nicht nur seinen Mitmenschen ein großartiges Vorbild mensch­licher Liebe und Treue, sondern der setzt ihnen und auch sich selbst ein Zeichen für Gottes Liebe. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1985.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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