Gott der Herr ist ein ewiger Fels

Predigt über Jesaja 26,4

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Auf Gott können wir uns verlassen, denn er ist ein ewiger Fels. Dieser Fels steht un­verrückbar fest in den Strömen und Strudeln der Zeit. Und dieser Fels hat viele Gesichter, je nachdem, aus welchem Blickwinkel wir ihn betrachten. Einige dieser Gesichter möchte ich jetzt vor unser geistiges Auge stellen.

Da sehe ich zunächst ein Felsenriff in der Meeres­brandung vor mir. Und da denke ich an Christen, die dieser Brandung ähneln: Mal schwimmen sie himmelhoch jauchzend oben, mal sinken sie zu Tode betrübt ins Wellental hinab. Da gibt es einmal die Hoch-Zeiten des Lebens, in denen alles klappt; da möchte man Gott und die Welt umarmen. Und plötzlich können dann die Tage der Depression kommen, in denen nichts klappt und nichts Sinn zu haben scheint. Auch unser Verhältnis zu Gott unterliegt diesem Hin‑ und Hergeworfen-Sein: Manchmal werden wir wie die Brandung an den Gottes­felsen geworfen, sodass wir gar nicht anders können, als uns mit ihm zu be­schäftigen: Wir durchringen Gebets­kämpfe und vertiefen uns in Gottes Wort. Und dann gibt es da anderer­seits den Sog vom Felsen weg, wo wir kaum ein Vaterunser über die Lippen bekommen. Aber egal wie schwankend unser geistliches und sonstiges Leben ist: Lasst uns nie vergessen, dass Gott uns unverändert 1iebt. Seine Liebe hängt ja nicht von unserem Gemüts­zustand ab, sondern sie hat sich uns in Jesus Christus auf ewig zugesagt. Wenn wir auf den Felsen geworfen werden, wollen wir ihn froh und dankbar fassen, und wenn der Sog uns von ihm wegziehen will, wollen wir uns an ihm fest­klammern – das Einzige, was im Strudel des Lebens nicht nachgibt, sondern fest bleibt. „Verlast euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Ich sehe ferner ein Felsplateau vor mir, das einen idealen Baugrund für eine Burg oder ein Haus abgibt, und ich denke dabei an das Schlusswort der Begpredigt, wo Jesus sagt: „Wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf den Felsen baute“ (Matth. 7,24). Dieses Bildwort geht vor allem die Jüngeren unter uns etwas an, die im Begriff sind, das Haus ihres Lebens zu bauen und sich dafür einen geeigneten Baugrund suchen. Ich denke zum Beispiel an euch, liebe Kon­firmanden. Der Herr hat in der Heiligen Taufe zu euch ja gesagt. Ihr werdet nun bald gefrag werden, ob ihr eurerseits zu diesem Herrn ja sagen wollt. Und wenn ihr das tut und es ehrlich meint, also wenn ihr euch diesem Herrn mit Haut und Haaren ver­schreibt, dann seid ihr im Begriff, euer Lebenshaus auf einen erst­klassigen Felsengrund zu bauen. Dort ist es so gut verankert, dass kein Sturm es umpusten kann. Ich denke auch an euch Jugend­liche, die ihr dieses Kon­firmations-Jawort bereits gegeben habt, die ihr aber mit Berufs‑ und Partnerwahl noch wichtige Ent­scheidungen für das Lebenshaus vor euch habt. Habt Vertrauen zu dem Fels­plateau, das ihr als Baugrund gewählt habt! Seht zu, dass ihr euer Haus wirklich auf dem gwählten Grund baut und nicht daneben! Seht zu, dass ihr einen Beruf wählt, mit dem ihr Gott und den Menschen wirklich dienen könnt! Seht zu, dass ihr eine Partnerin oder einen Partner fürs Leben wählt, die oder der ebenfalls bereit ist, den Herrn zum Fundament seines Lebens zu machen, denn mit ihr beziehungs­weise ihm wollt ihr ja schließlich euer Lebenshaus teilen – mit einem Menschen, der sich auch sagen lässt: „Verlasst euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Mancher, der sich sein Lebenshaus bereits gebaut und fertig ein­gerichtet hat, beneidet vielleicht die Jugend­lichen, die in dieser Beziehung noch alle Türen offen haben. Ihm ist sein Leben vielleicht zu felsenhaft starr, zu eintönig, zu fest­gefahren, von Gewohn­heiten und Sachzwängen geprägt. Er könnte den Herrn, den Fels, vielleicht einmal als Kletter­felsen ansehen. Ich stelle mir eine Familien­wanderung vor, bei der sich die Kinder sehr langweilen – bis plötzlich vor ihnen ein herrlicher Kletter­felsen auftaucht. Mit Indianer­geheul stürzen sie sich auf ihn, klettern bis an die Spitze, verstecken sich in seinen Höhlen, entdecken Moos, Bergblumen und Eidechsen auf dem warmen Gestein. Gott der Herr kann auf der eintönigen Wanderung des Lebens ein solcher Kletter­felsen sein. Was gibt es nicht alles in seinem Wort, der Bibel, zu erforschen und zu entdecken – allein oder zusammen mit Mit­christen. Und wenn wir Gottes Wort entdecken, werden wir auch das Leben und die Menschen um uns herum mit anderen Augen sehen: Wir werden fest­stellen, dass Gott mit jedem von ihnen eine Geschichte hat. Wir werden erleben, wie aus Gelächter Traurigkeit und aus Traurigkeit froher Glaubensmut wird. Wir werden schließlich an uns selbst Gaben entdecken, die wir vorher nicht gekannt haben, und werden erkennen, wie wir sie zum Nutzen anderer einsetzen können. Lasst euch auf Gott als Kletter­felsen ein, dann wird das Leben spannend und sinnerfüllt werden! „Verlasst euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Ich sehe einen vor mir, der durchs Leben wandert – nein, eigentlich einen, der durchs Leben rennt und dabei so beschäftigt ist, dass er keine Zeit für den Felsblock am Wegesrand hat, ja, ihn nicht einmal eines Blickes würdigt. Beruflicher Stress, Familien­stress, die nie enden wollenden häusliche Arbeiten, zeitlich aufwändige Hobbies – da bleibt oft nicht einmal die Zeit für einen sonntäg­lichen Höf­lichkeits­besuch beim Herrn, dem ewigen Fels, in der Kirche. Wer so lebt, riskiert nicht nur Magen­geschwüre und Herz­infarkt, sondern auch, dass sein Glaube darunter leidet und vielleicht sogar ganz kaputt geht. Unser Gotteswort bietet solchem eiligen Wanderer einen Felsblock zum Ausruhen an, einen Sitzplatz, wo die Seele Ruhe finden und aus Gottes Wort Trost und Mahnung und neue Kraft für den an­strengenden Weg erhalten kann. Vielleicht hilft diese Ruhepause auch dazu, die Richtung des ein­geschlage­nen Weges gründlich zu überdenken. Vielleicht kommt der Wanderer auf dem Felsensitz zu der Erkenntnis, dass die Ziele, denen er bisher stürmisch entgegen­lief, die Anstrengung gar nicht wert sind, während er wichtigere Ziele versäumte. Auf keinen Fall sollte man an diesem Ruhefelsen vorüber­gehen, der zum Innehalten einlädt. „Verlasst euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Ich sehe vor mir eine Klippe – einen steilen Felsen, dessen oberer Teil über die Grundfläche hinausragt. Dieser Felsen bietet eine ideale Zuflucht bei über­raschenden Regengüssen und Gewittern. Wer sich dort unter­stellt, der weiß: Dieser Felsen steht hier schon seit Tausenden von Jahren, Blitzschlag und Regen können ihm nichts anhaben. Dieser Felsen verdient auch in extremen Situationen das volle Vertrauen. Liebe Brüder und Schwestern, im Leben eines jeden von uns kann so ein plötzliches Gewitter herein­brechen. Das kann zum Beispiel eine Krankheit sein, die uns lange Zeit lahmlegt und vielleicht bis an unser Lebensende ihre Spuren hinterläßt. Das kann auch der Tod eines lieben Menschen sein, oder Arbeits­losigkeit. Aber auch wenn es ganz schlimm kommt, dürfen wir uns auf Gott den Herrn, diesen Felsen, mehr verlassen als auf den sichersten Atombunker. Nichts wird mit uns geschehen, was nicht in seinem ewigen Plan und gnädigen Willen seinen Platz hat. Nichts wird geschehen, was uns von unserem Herrn Jesus Christus trennen kann. „Verlasst euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Ich denke daran, dass Christus schon im Alten Testament mit einem Felsbrocken verglichen wird – einem Stein, der von den Juden zwar als Baustein für das Reich Gottes verworfen und ihnen so zum Stein des Anstoßes und Fels des Ärgernisses wurde, der aber zum Grundstein des neuen Gottes­volkes, der Kirche, geworden ist. Der Apostel Paulus hat im Epheser­brief ge­schrieben, dass die Christen­heit erbaut ist „auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist“ (Eph. 2,20). Wir wollen uns freuen, dass in unserer Kirche dieses Fundament ernst genommen wird. Hier wird die Kirche durch rechte Evangeliums­predigt und ver­antwort­liche Sakraments­verwaltung auf dem zu­verlässigen Fundament der Apostel und Propheten gebaut: auf dem Zeugnis der Bibel und auf dem Grundstein Jesus Christus. Doch ist auch bei uns Wachsamkeit geboten, denn das Sprichwort stimmt: Wo Gott sich ein Haus baut, da baut der Teufel eine Kapelle daneben. Satan macht auch bei uns nicht halt mit seiner Propaganda, mit der er an dem Grundstein unseres Hauses rüttelt, indem er etwa flüstert: Wieso solltet denn gerade euer kleiner christ­licher Haufen Recht haben? Ist es nicht egal, in welcher Kirche man das Wort hört? Kann man überhaupt so genau fest­stellen, was es beinhaltet? Hört nicht auf Satan, sondern haltet euch an den Felsstein Jesus Christus und das dazu­gehörige Fundament der Bibel, das uns sehr genaue Weisung gibt über Gott, die Menschen und das Heil der Welt! Und machen wir bloß keine Abstriche davon! Hören wir lieber auf die andere Stimme, die da sagt: „Verlasst euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Schließlich sehe ich das Felsentor am Ausgang einer Höhle vor mir. Nach längerem Aufenthalt in der Höhle kommt uns das helle Tageslicht unwirklich vor, das uns durch dieses Tor entgegen­scheint. Es blendet uns, sodass wir die Augen schließen müssen. Dieses Felsentor ist unser Tod. Niemand von uns kann wissen, wann er es durch­schreiten muss. Aber wenn es soweit ist, dann sollten wir nicht vergessen, aus was für einem Felsen dieses Tor besteht: Auch im Tod umgibt uns Gott, der ewige Fels, und wird zum Durchgang in die ewige Herrlich­keit. Dor wird sich dann dieser Felsen, der uns in so viel­fältiger Gestalt durch unser Leben begleitet hat, in un­beschreib­lichem Glanz zeigen, sodass er sich mit nichts mehr vergleichn lässt. Ja, daran können wir denken, wenn wir durch das Tor müssen, das manchem viel Angst macht. „Verlasst euch stets auf den Herrn, denn Gott der Herr ist ein ewiger Fels.“

Wir klappen nun das Bilderbuch zu mit den ver­schiedenen Felsen, die doch in Wirklich­keit alle nur der eine ewige und un­wandel­bare Fels sind: Unser Gott und Herr, unser Heiland Jesus Christus. Vertraut stets auf ihn, klammert euch fest an ihm, baut auf ihn, entdeckt ihn, ruht euch bei ihm aus, nehmt Zuflucht unter ihm, macht ihn zu eurem Lebens-Grundstein und lasst ihn euer Felsentor zum ewigen Leben sein! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 1982.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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