Jesus nachfolgen und leben

Predigt über Markus 8,31-38 zum Sonntag Estomihi

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wir alle haben ziemlich genaue Vor­stellun­gen davon, wie wir leben wollen. Wir haben Ansprüche an die Gegenwart. Wir haben Hoffnungen für die Zukunft. Wir haben Angst vor dem, was sich diesen Ansprüchen und Hoffnungen in den Weg stellen könnte. Kurz: Wir haben bestimmte Interessen. Wir äußern sie, wir vertreten sie, wir kämpfen womöglich für sie. Das gilt im Kleinen wie im Großen. Der Kranke will Gesundheit. Der Gering­verdiener will soziale Gerechtig­keit. Der Zufriedene will Sicherheit. Der Unter­drückte will Freiheit. Der Macht­gierige aber will immer mehr Einfluss, Ruhm und Ehre. Manchmal vertreten Menschen diese ihre Interessen vollkommen rücksichts­los. Manchmal kämpfen Macht­gierige um ihre Macht in einer Weise, bei der unzählige andere Schaden erleiden. Wenn das geschieht, dann erschrecken wir. Und wenn es in unserer Nähe passiert, dann können wir es kaum fassen. Und doch ist das im 21. Jahrhundert nicht anders als in den Jahr­hunderten vorher. Es ist nicht anders als in den Zeiten von Napoleon oder Nebukad­nezar. Die meisten der heute existieren­den National­staaten erhielten ihre heutige Größe und Form aufgrund von Machthunger und Eroberungs­politik. Unser deutsches Volk bildet da keine Ausnahme. Die Menschheit ist und bleibt von Sünde durch­seucht, im Großen wie im Kleinen. Es ist menschlich, dass viele sich nehmen, was sie kriegen können. Und es ist menschlich, dass viele für ihre Freiheit kämpfen, für Un­abhängig­keit und Selbst­bestimmung. Deswegen gibt es bis heute Kriege, und das wird leider bis zum Jüngsten Tag so weiter gehen. Es ist so, wie Jesus voraus­gesagt hat: „Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegs­geschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn es muss geschehen.“ (Matth. 24,6) Es kann nicht anders sein, sagt Jesus, es ist zutiefst menschlich, denn der Mensch ist und bleibt ein Sünder.

Zur Zeit von Jesus gab es auch Herrscher wie Napoleon und Nebukad­nezar. Es waren die römischen Kaiser, die sich nach und nach ein Riesen-Reich zusammen­erobert hatten und praktisch alle Völker der antiken Welt unter­drückten. Und es gab viele Menschen in den unter­drückten Völkern, die sich nach Unabhängig­keit und Selbst­bestimmung sehnten. Nicht wenige waren bereit, dafür zu kämpfen. Man fand sie auch im Volk der Juden. Einige von ihnen setzten ihre Hoffnung auf Jesus von Nazareth. Sie glaubten, dass er Israel aus den Fesseln der Fremd­herrschaft erlösen und zu neuem Glanz führen würde. Auch in seinem engsten Jüngerkreis muss es diese Hoffnung gegeben haben. Davon blitzt etwas auf in unserer heutigen Evangeliums-Lesung, und zwar im Hinblick auf den Ober-Jünger Simon Petrus. Simon Petrus rechnete damit, dass Jesus das große Friedens­reich von König David wieder aufrichten und dann in Jerusalem regieren würde. Er hoffte, dann weiterhin zu den engsten Vertrauten von Jesus zu gehören als ein angesehener Minister des großen Friede­fürsten.

Darum war Petrus total entsetzt, als Jesus wie aus heiterem Himmel eine Strich durch diese mensch­lichen Hoffnungen machte. Es muss wie eine kalte Dusche für ihn gewesen sein, als Jesus ver­kündigte: „Der Menschen­sohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohen­priestern und den Schrift­gelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auf­erstehen.“ Nicht nur, dass Jesus es ablehnt, ein Erlöser im weltlichen Sinne zu sein, also ein Freiheits­kämpfer. Nein, er prophezeit sogar – menschlich gesprochen – seinen eigenen Untergang! Das geht gegen alle Hoffnungen, Erwartungen und Interessen der Jünger. „Bloß nicht!“, erwiderte Petrus daher leiden­schaft­lich. Vor Aufregung hatte er überhört, dass diese sogenannte Leidens­ankündi­gung des Herrn letztlich auch eine Sieges-Ankündigung ist: „…und nach drei Tagen auf­erstehen.“

Jesus lenkt mit seinen Worten unsern Blick weg von der Tages­politik, hin auf das, was wirklich wichtig ist. Wirklich wichtig ist, dass alles Übel dieser Welt von der Wurzel her bekämpft wird, nämlich von der Sünde im mensch­lichen Herzen. Und die bekämpfte Jesus nicht mit Waffen, nicht mit Geld und nicht mit anderen irdischen Macht-Instru­menten, sondern mit seinem Leiden, Sterben und Auf­erstehen. Mit Stillhalten und scheinbarem Unterliegen besiegte er die Macht Satans, der unser Leben immer wieder mit mensch­lichen, allzu mensch­lichen Interessen vergiften will. An anderer Stelle hat Jesus gesagt: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Ge­rechtig­keit, dann wird euch das andere alles zufallen.“ Jesus hat es abgelehnt, ein irdischer Friedens­kämpfer und König zu werden; er hat sich diesem Anspruch immer wieder entzogen. Er hat auch klar und nüchtern gelehrt, dass er dieser Welt keinen äußeren Frieden bringen wird, bis zum Jüngsten Tag nicht. Im Gegenteil: Er hat voraus­gesagt, dass es gegen Ende der Welt noch einmal sehr schlimm werden wird. Aber das ist nicht seine Haupt­botschaft. Die Haupt­botschaft ist sein Evangelium, und die ist untrennbar mit seinem Tod und seiner Auf­erstehung verbunden: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt über­wunden.“ – „Seht zu und erschreckt nicht, wenn ihr von Kriegen und Kriegs­geschrei hört!“ Denn wer zu Jesus gehört, gehört zum Himmelreich und hat insofern die Schrecken der Welt bereits überwunden – auch wenn sie ihn jetzt noch sehr er­schrecken. Dieses Evangelium ist das, was ewig ist, was göttlich ist. Das meinte Jesus, als er Simon Petrus zurückwies: „Du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“

Liebe Brüder und Schwestern, das sollen wir auch uns gesagt sein lassen – zur Mahnung, aber vor allem zum Trost. Unser Herr will uns lehren, unsere eigenen mensch­lichen Interessen zurück­zustellen hinter das eine göttliche Interesse, dass wir seine Jünger sind und mit ihm ewig leben sollen. Wenn wir diese Priorität setzen, dann können wir manches Schwere aushalten – Angst, Armut, Krankheit, Unter­drückung und andere Not. Wir brauchen nicht immer auf Sieg zu spielen, wir sollten manchmal lieber stille­halten. Wir können es von unserm Meister lernen – gerade jetzt, in der Passions­zeit, die am Mittwoch beginnt. Solches Stille­halten erfordert allerdings ein Stück Selbst-Ver­leugnung. Wir müssen dann nämlich einsehen: Viele Dinge, die wir aus mensch­licher Sicht gern anders hätten, können wir nicht ändern. Und manche Dinge, die wir vielleicht ändern könnten, haben möglicher­weise einen zu hohen Preis – für uns selbst oder auch für unsere Mit­menschen. Darum hat Jesus den Rat gegeben: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinet­willen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten. Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?“

Liebe Brüder und Schwestern, wir können uns nicht selbst erlösen und wir können auch die Welt nicht retten. Das sind menschliche Hoffnungen, die zwar immer wieder aufkeimen und durch allerlei Propaganda genährt werden, die sich aber letztlich als eine Verführung Satans erweisen. Nur wer sich selbst demütig zurücknimmt und an den ge­kreuzigten Christus glaubt, der findet Leben die Fülle – das ewige Leben. „Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?“, fragte Jesus weiter. Nichts. Gar nichts. Wir stehen mit leeren Händen vor unserem Schöpfer, noch dazu mit von bösen Taten be­schmutz­ten Händen! Aber Jesus hat unsere Seele ausgelöst, er hat’s am Kreuz getan. Und damit hat er das Ent­scheidende dafür getan, dass wir leben können – gut leben, ewig leben. So entspricht es dem Willen des Vaters im Himmel. Darum war der Weg ans Kreuz für Jesus ein heiliges Muss, vom Vater verordnet: „Der Menschen­sohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohen­priestern und Schrift­gelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auf­erstehen.“ Wer an diesen Jesus glaubt, wer ihm nachfolgt und sich zu ihm bekennt, den reißt er mit durch Leiden und Tod zur Fülle des Lebens. Ja, das ist der göttliche Weg zum Leben, der einzig wahre Weg, während die vielen Wege mensch­licher Interessen, Hoffnungen und Gelüste – Sackgassen sind. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2022.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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