Mission – Auftrag und Verheißung

Predigt über Lukas 24,46-49 zu einem Missionsfest

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Mission ist nicht nur ein Auftrag, Mission ist auch eine Verheißung. Wir haben es eben gehört: Der auferstandene Herr Jesus Christus hat versprochen, dass unter allen Völkern sein Evangelium gepredigt wird. Wir, liebe Brüder und Schwestern, erleben hier und heute, dass diese Prophezeiung in Erfüllung geht, denn auch hier und heute wird das Evangelium von Jesus Christus gepredigt. Ich hoffe, ihr seid euch bewusst, was das für eine große Sache ist, und denkt nicht im Stillen: Schon wieder dieselbe Botschaft von der Sündenvergebung, das haben wir doch schon tausendmal gehört! Selbst wenn ihr’s tausendmal gehört habt, dann habt ihr tausendmal das Wunder einer erfüllten Prophezeiung erlebt: „…dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“

Grundlage dieser Verkündigung ist eine andere erfüllte Verheißung, ein anderes Wunder, das größte Wunder der Weltgeschichte: Gott wird ein Mensch, opfert sein Leben und bekommt es nach drei Tagen neu zurück. Dieses Wunder hat Gott in der Geschichte Israels vorbereitet und durch viele Propheten ankündigen lassen, wie Jesus bezeugt: „So steht’s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage.“ Beide Wunder feiern wir, wenn wir heute Missionsfest feiern: das Wunder, dass Christus für uns gestorben und auferstanden ist, sowie auch das Wunder, dass diese frohe Botschaft bis heute gepredigt wird. Es ist das Wunder von Ostern und das Wunder von Pfingsten. Über beide Wunder staunen wir. Und für beide Wunder danken wir dem Herrn, loben und preisen ihn!

Ja, Gottes Weg mit uns Menschen ist voller Wunder. Er war es von Anfang an. Gott tut seine Wunder nun aber nicht spontan oder gar zufällig, sondern er tut sie nach einem ganz bestimmten Plan. Von Anfang hat er sich schon vorgenommen, die Welt durch seinen eingeborenen Sohn zu erlösen, und er hat das dann in der Geschichte des Volkes Israel vorbereitet, durch die Propheten angekündigt, durch Jesus wahr gemacht und seit Pfingsten die gute Botschaft davon in der ganzen Welt ausgebreitet. Gottes Heilsplan für die Welt ist quasi ein riesiger Segensstrom, der die Weltgeschichte durchströmt und auch jetzt immer noch weiterfließt. Gott hat ein klares Erlösungsprogramm, und dieses Programm erfüllt sich ganz nach seinem Willen, eben programmgemäß. Mission ist Verheißung, erfüllte göttliche Heilsgeschichte, und als solche macht sie uns im Glauben gewiss.

Dazu gehört, dass das Evangelium unter allen Völkern laut wird, auf allen Kontinenten. Wir freuen uns, dass unsere lutherische Kirchenmission mit ihrer kleinen Kraft immerhin in drei Erdteilen dabei mithilft: in Afrika, in Südamerika und hier in Europa. Niemand sollte befürchten, dass auf diese Weise fremde Völker bevormundet oder fremde Kulturen kaputt gemacht werden. Noch einmal: Gottes Heilsprogramm ist ja ein Segensstrom, der die Wüsten des Heidentums und der Gottesferne fruchtbar machen will. Das Evangelium von Jesus Christus ist ja schließlich der einzige uns Menschen aufgezeigte Weg, um selig zu werden. Leider verdrängt der moderne Mensch mehr und mehr die Tatsache, dass mit seinem Tod keineswegs alles vorbei ist, sondern dass er dann vor seinem Schöpfer Rechenschaft geben muss über sein Leben. Das einzige, was ihn aus diesem Gericht herausretten kann, ist Jesus Christus und sein Evangelium – das gilt für Afrikaner und Araber, für Deutsche und Dänen, für Juden und Griechen, für Christen und Muslime, für Atheisten und Agnostiker – eben für alle Völker. Es wäre lieblos, ihnen die Kunde von diesem Heil vorzuenthalten.

Von den Folgen und Früchten des weltweiten Segensstroms hören wir immer wieder, und wir können sie auch unmittelbar selbst erleben. Ist es nicht großartig, dass in unserer Zeit viele Christen aus Afrika nach Deutschland gekommen sind und uns mit ihrem schlichten, starken Glauben an Jesus Christus überraschen – vielleicht sogar beschämen? Und ist es nicht großartig, dass viele Menschen aus Asien und Arabien nach Deutschland gekommen sind, die Jesus noch nicht kennen? Was hat man früher nicht alles unternommen, um das Evangelium zu fernen Völkern zu bringen! Welche Mühen, Entbehrungen, Risiken und Kosten hat man dafür auf sich genommen! Heute aber leben Menschen aus fernen Völkern in unserer Nachbarschaft; wir können ohne große Mühe zu ihnen gehen, ihnen das Evangelium sagen und ihnen die Liebe Christi vorleben. Gott liefert uns das Missionsfeld gewissermaßen frei Haus. Ja, auch das gehört zu seinem Heilsplan, zu seinem Erlösungsprogramm, zu seiner Mission als wunderbarer Erfüllung der großen Verheißung: Wir dürfen seine Zeugen sein! Hoffentlich sind wir es auch.

Und damit komme ich darauf zurück, dass die Mission nicht nur eine erfüllte Verheißung ist, sondern zugleich auch Gottes Auftrag. Lasst uns die Worte des Auferstandenen darum nicht nur als ein Versprechen hören, über dessen Einlösung wir uns heute freuen können, sondern zugleich als eine Aufforderung, die wir zu Herzen nehmen wollen. Jesus sagte nicht nur damals den Aposteln: „Ihr soll meine Zeugen sein“, sondern er sagt das auch uns heute.

Lasst uns mal so tun, als stünden wir direkt neben den Jerusalemer Jüngern, die damals diese Worte aus dem Mund ihres Herrn hörten. Das hat natürlich seine Schwierigkeiten. Jesus sagte damals: „Fangt an in Jerusalem und seid dafür Zeugen.“ Wenn wir das direkt auf uns bezögen, dann müssten wir alle nach Jerusalem reisen und da mit dem Missionieren anfangen. Das heißt: Wir könnten eigentlich gar nicht anfangen, denn der Anfang ist dort ja schon längst gemacht worden, mit dem ersten Pfingstfest nämlich; wir könnten höchstens weitermachen. Und das soll ja nicht nur in Jerusalem passieren, sondern unter allen Völkern der Erde, an allen Orten – auch und gerade an den Orten, wo Gott uns jeweils hingestellt hat. Wir sehen: Wir müssen die Worte unsers Herrn doch etwas anders hören, als er sie damals gesagt hat. Die Worte: „Fangt an in Jerusalem“ müssen in unseren Ohren klingen wie: „Macht weiter in Groß Oesingen“ – oder wo auch immer unser Platz im Leben ist.

Wenn wir uns in Gedanken unter die Jünger damals mischen und den Auftrag Jesu hören, dann müssen wir uns dabei auch bewusst sein: Die Jünger hatten damals noch einen leeren Rucksack auf ihrer christlichen Lebenswanderung dabei, wir aber haben einen vollen Rucksack. Unser Rucksack ist gefüllt mit zweitausend Jahre Kirchengeschichte sowie mit etlichen Jahren beziehungsweise Jahrzehnten Erfahrungen aus dem eigenen Christenleben.

Und was steckt da nicht alles drin in unseren Rucksäcken! Da stecken zum Beispiel die vielen Märtyrer drin, die sich unter der Feuerprobe schrecklicher Verfolgung als Zeugen Jesu Christi bewährten. Und da stecken die herrlichen Dome des Mittelalters drin mit ihren unzähligen Kunstschätzen. Und da steckt Martin Luthers Kleiner Katechismus sowie ein dickes Gesangbuch voller Glaubenslieder. Da stecken aber auch die Schwerter der Kreuzfahrer drin und alles schreckliche Unrecht, das im Namen der Kirche unschuldigen Menschen jemals angetan wurde. Da stecken die Kämpfe um das rechte Bekenntnis drin, die im 19. Jahrhundert zur Bildung der Vorgängerkirchen der SELK geführt haben. Da steckt manch lieblose Rechthaberei mit drin. Und da stecken unzählige Predigten drin und viele Papiere, Kirchliche Ordnungen, Hirtenworte, Gemeindebriefe und dergleichen. Da steckt ein ganzer Haufen theologische Debatten drin um Jesus und Maria, um Taufe und Abendmahl, um Gottesdienst und Gemeindeleben, um Ökumene und Frauenordination.

Außer diesem gemeinsamen kirchlichen Rucksack gibt es dann noch unsere Privatrucksäcke, alle individuell sehr verschieden gefüllt: Da stecken all die biblischen Geschichten drin, die wir schon als Kinder gehört haben. Und da stecken unsere persönlichen Glaubensvorbilder drin sowie auch prägende Erlebnisse in der kirchlichen Jugendarbeit oder bei anderer Gelegenheit. Da stecken auch bisher unerfüllte Bitten an Gott drin sowie Zweifel, Zeiten der Not und Krankheiten sowie Bücher und Filme, die zeitweise zersetzend wie Säure auf den Glauben einwirken können. Und da mag auch sehr viel Müdigkeit drinstecken in einer Zeit, wo das eigene Glaubensleben ebenso kraftlos zu werden droht wie das kirchliche Leben.

Jesus sagte damals: „Fangt an in Jerusalem, seid meine Zeugen!“ Können wir das heute noch auf uns beziehen? Können wir jetzt wirklich neu damit anfangen, seine Zeugen und Jünger zu sein? Mit anderen Worten: Können wir unsern Rucksack einfach abschütteln beziehungsweise ausschütteln, damit er ebenso leer ist wie der Rucksack der Apostel damals? Oder müssen wir den gefüllten Rucksack um jeden Preis weiterschleppen mit allem Wertvollen, aber auch mit allem Ballast darin? Müssen wir derart belastet Zeugen sein, quasi mit zusammengebissenen Zähnen?

Liebe Brüder und Schwestern, es gibt noch eine dritte Möglichkeit, und das ist die richtige: Wir sollte immer wieder aufräumen in unseren Rucksäcken! Wir sollten aussortieren und wegwerfen, was unnötiger Ballast ist und was uns sogar gefährlich werden kann. Das aber, was uns stärkt und ermutigt für unser Christenleben, das sollten wir wertschätzen und weiter bei uns tragen. In der Beichte geschieht nichts anderes als so eine Durchsicht des Lebensrucksacks: Da werden wir all den Krempel los, den wir nicht brauchen und der uns nur schadet.

Wir merken: Als Zeugen des Herrn Jesus Christus werden wir zugleich auch immer wieder selbst von dem Evangelium Gebrauch machen, das wir bezeugen sollen. Nur durch Buße und Sündenvergebung werden wir nämlich den Ballast los, der uns nicht zuletzt auch am Zeuge-Sein hindert. So hat Jesus ja selbst das Evangelium beschrieben: dass in seinem Namen „Buße zur Vergebung der Sünden“ geschieht.

Freilich sind wir selbst mit dem Aussortieren überfordert – so wie mancher, der seine zugemüllte Wohnung aufräumen soll. Buße ist nichts, was wir selbst zuwege bringen können, vielmehr etwas, wozu Gott uns durch seinen Heili­gen Geist bewegt. Dass er das auch wirklich tut, hat er allen Jüngern versprochen – den Jüngern damals ebenso wie auch uns heutigen Jüngern. Am Ende seiner Rede hat der Auferstandene ja gesagt: „Siehe, ich will auf euch herab­senden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.“ Von der Ausgießung des Heiligen Geistes hat er da gesprochen, die beim ersten Pfingstfest begann und bis heut­e nicht aufgehört hat. Gott werde den Geist „herabsenden“, hat Jesus versprochen, wörtlich: „heraus-aposteln“. Da merken wir, dass das Evangelium wie ein Staffelstab weitergereicht wird: Von Gott Vater an den eingeborenen Sohn, vom Sohn durch den Geist an die Apostel, von den Aposteln durch Predigen und Taufen an die Urgemeinde und von da aus durch viele Länder und Zeiten hindurch bis zu uns. Es ist die Apostellehre, das Evangelium von Jesus Chris­tus, dieser eine göttliche Segensstrom in der Welt, der unverändert weiterfließen soll und weiterfließt. Uns aber, liebe Gemeinde, kann nichts Besseres geschehen, als dass er auch bei uns fließt, durch uns hindurchfließt, und wir Christi Zeugen sind. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2019.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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