Elia

Predigt über 1. Könige 19,4 zum 12. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Ein Mann sitzt einsam und verzweifelt unter einem Schattenbaum und möchte sterben. Er hat lange Haare und trägt einen Ledergürtel. Der Mann heißt Elia. Er ist einer der größten Propheten. Elia spielt in derselben Liga wie Mose und Johannes der Täufer. Aber auch im Leben solcher Gottesmänner gibt es er­schütternde Tiefpunkte. Auch Elia war letztlich nur ein Mensch wie du und ich. Lasst uns sein Leben betrachten – und besonders diesen Tiefpunkt in seinem Leben, den Gott zu einem wunderbaren Wendepunkt machte.

Elia wurde im 9. Jahrhundert vor Christus im Dorf Tischbe geboren. Das lag im Ost­jordanland, im Gebirge Gilead. Über seine Kindheit weiß man nichts, ebensowenig über seine Berufung zum Propheten. Als Elia erwachsen war, herrschte in Israel König Ahab. Er ließ sich durch seine phönizische Frau Isebel zur Verehrung des Götzen Baal verleiten. Mehr noch: Er machte den Baalskult zur Staats­religion und verfolgte daraufhin alle, die an der alten Religion festhielten und Gott dem Herrn dienten. Un­erschrocken kündigte Elia ihm Gottes Strafe an: Eine mehrjährige Dürre würde über Israel kommen. Das war Elias erster Verkündigungs­auftrag von Gott. Der König wurde darüber so wütend, dass er Elia nach dem Leben trachtete. Elia musste fliehen und hielt sich an einem Bach versteckt. Dort versorgte Gott ihn auf wunderbare Weise mit Nahrung. Als der Bach infolge der Dürre aus­getrocknet war, sorgte Gott dafür, dass Elia bei einer Witwe Zuflucht fand. Dort wirkte Gott durch den Propheten eindrucks­volle Wunder. Trotzdem: Elia war und blieb ein Mensch wie du und ich – eben ein Mensch, den er für seine Aufgaben in den Dienst nahm und ihn dazu mit ent­sprechenden Gaben ausstattete. Elia erfuhr auch in kargen Zeiten, dass Gott ihn mit dem täglichen Brot versorgte. Nun leben wir ja nicht gerade in kargen Zeiten, aber wir sollten uns dennoch bewusst bleiben: Alle gute Gabe kommt von Gott dem Herrn, denn ohne seinen Segen wäre alle menschliche Mühe vergebens.

Nach drei Jahren beauftrage Gott Elia, dem König Ahab das Ende der Dürrezeit an­zukündigen. Elia ließ in Gottes Auftrag Vertreter aus ganz Israel sowiel alle Götzen­priester auf dem Berg Karmel zusammen­kommen. Bei diesem berühmten „Gottes­urteil am Karmel“ erwies sich Gottes Überlegen­heit über die Götzen, und zwar auf folgende Weise: Zwei Opfer wurden vorbereitet, eins für Baal und eins für den Herrn. Der wahre Gott würde sich sein Opfer mit Feuer vom Himmel anzünden. Die Baals-Propheten mühten sich mit langen Gebeten und Ritualen, aber sie hatten keinen Erfolg. Elia betete nur kurz, da antwortete Gott mit Feuer vom Himmel, obwohl sein Opfer zuvor nass gemacht worden war. Daraufhin tötete Elia die Baals-Propheten. Nun kündigte Elia Ahab das Ende der Trockenheit an, und tatsächlich begann es zu regnen. Aber all das führte zu keiner Erweckung in Israel. Im Gegenteil: Ahabs Frau Isebel schwor, Elia sofort zu töten. Daraufhin floh Elia nach Süden und war so verzweifelt, dass er sterben wollte. Das war eben dieser Tiefpunkt in seinem Leben, den Gott zum Wendepunkt werden ließ.

Achten wir genau darauf, wie sich der Prophet in dieser Situation verhält! Dass er völlig nieder­geschlagen ist, das können wir verstehen. All sein Predigen und Mühen um Bekehrung ist praktisch erfolglos geblieben. Wieder ist er auf der Flucht vor denen, die ihm nach dem Leben trachten, aber diesmal ist da kein er­frischender Bach und keine Witwe, die ihn bei sich aufnimmt. Einsam sitzt er in der öden Wüste im Südland Judäas, und sein einziger Trost ist ein Schatten spendender Baum. Andere Menschen würden in dieser Situation an Selbstmord denken oder sich sinnlos betrinken oder ihrem un­verständ­lichen Gott die Treue aufkündigen. Nicht so Elia. Trotz seiner Verzweiflung betet er. Er bleibt dran an Gott, er lässt den Kontakt nicht abreißen. Das ist ganz wichtig, das sollten wir uns merken: Egal, wie schlecht es uns geht, wir sollten immer im Gespräch mit Gott bleiben. Dabei brauchen wir nicht auf schöne Worte und fromme Floskeln zu achten; viel wichtiger ist es, dass wir ehrlich sind – sowohl mit Gott als auch mit uns selbst. Auch die Bibel ist da ganz ehrlich und hat uns Elias Gebet authentisch und schnörkellos überliefert.

Elia betet: „Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.“ Elia ist so nieder­geschlagen, dass er nicht mehr weiterleben möchte. Aber er ist sich dabei bewusst: Gott hat mir mein Leben anvertraut – als Gabe und Aufgabe. Eine göttliche Gabe weist man nicht zurück, und vor einer göttlichen Aufgabe drückt man sich nicht. Er weiß, er würde eine große Schuld auf sich laden, wenn er seinem Leben jetzt eigenmächtig ein Ende bereitete. Darum macht er aus seinem Lebens­überdruss einfach eine Bitte, ein Gebets­anliegen: „So nimm nun, Herr, meine Seele.“ Jeremia bleibt selbst am tiefsten Punkt seines Lebens Gott treu ergeben. Damit gibt er allen ver­zweifelten Menschen ein gutes Vorbild. Und noch in anderer Hinsicht ist er vorbildlich: Er versucht nicht, seine eigene Schuld andern in die Schuhe zu schieben, erst recht nicht Gott. Stattdessen bekennt er: „Ich bin nicht besser als meine Väter.“ Ihm steht die Sünde vor Augen, die es auch im Leben eines berühmten Propheten gibt. Er weiß, dass er seinen göttlichen Auftrag besser hätte ausführen können. Er kennt seine Ungeduld, seinen Jähzorn und seine Gering­schätzung derer, die auf falsche Wege geraten sind. In alledem ist er nicht besser als die früheren Generationen im Volk Israel – die Gene­rationen, die Gott fortwährend ermahnen und warnen musste. Elia macht es nicht so wie Adam, der, als Gott ihn wegen seiner Sünde zur Rede stellte, die Schuld auf seine Frau abzuwälzen versuchte und auf Gott selbst: „Die Frau, die du mir zugesellt hast, gab mir von dem Baum, und ich aß“ (1. Mose 3,12). Elia sagt nicht: Gott, du hast mir einen unmöglichen Auftrag gegeben, dass ich diesen verstocken Ahab und seine gottlose Frau und ein ganzes abtrünniges Volk zur Buße rufen soll. Er sagt vielmehr: „Ich bin nicht besser als meine Väter.“

Wenn ein Mensch an so einem Tiefpunkt steht und wenn er seine Sünde als Ursache dafür erkennt, dann kann dieser Tiefpunkt zum Wendepunkt werden. So geschah es nicht nur bei Elia, sondern so war es auch vorher bei Mose, als die Sache mit dem Goldenen Kalb passierte. Und später war es so ähnlich bei Johannes dem Täufer im Gefängnis, der plötzlich Zweifel bekam, ob Jesus wirklich der Messias ist. In allen Fällen erbarmte sich Gott über seine Boten, griff gnädig ein und holte sie heraus aus ihren schwarzen Löchern. Und wenn du, lieber Bruder, und du, liebe Schwester, mal in so ein schwarzes Loch geraten solltest, dann kannst du gewiss sein, dass Gott auch deinen Tiefpunkt zu einem Wendepunkt machen will. Durch Jesus Christus, durch dessen Tod und Auferstehung hat er dir das ganz fest versprochen.

Aber wie geschah denn nun die Wende beim Propheten Elia? Zunächst ließ Gott ihm Zeit zum Ausruhen, speiste ihn, stärkte ihn durch einen Engel und begegnete ihm dann persönlich am Berg Sinai – so wie vorher auch dem Mose. Er begegnete ihm da in einem ganz sanften, angenehm kühlen Wind. In ähnlicher Weise begegnet uns Gott heute noch mit seinem Heiligen Geist. Er wirkt in der Predigt des Evangeliums, er wirkt in der Heiligen Taufe, er wirkt im Heiligen Abendmahl, er wirkt im Zuspruch der Sünden­vergebung. Da macht Gott aus unseren Tiefpunkten Wendepunkte, Neuanfänge – so herrlich wie die erfrischende Morgenröte am Beginn eines sonnigen Tages.

Elia sollte Gott noch eine Weile weiter dienen, aber sein Dienst war nicht mehr so schwer. Zwei designierte Könige salbte er in Gottes Auftrag und einen Nachfolger berief er: den Elisa, der zunächst sein Diener und Propheten­jünger wurde. So war Elia nicht mehr einsam in seinem Auftrag. Elia erlebte es sogar, dass König Ahab Buße tat, nämlich als er ihn wegen der Sache mit Nabots Weinberg zur Rede stellte. Als Ahab starb, hatte Elia auch Botschaften für dessen Nachfolger Ahasja. Elia merkte: Gott braucht mich noch; mein Dienst ist nicht vergeblich. Schließlich ehrte Gott seinen Propheten mit einer besonderen Art und Weise, wie er ihn aus der irdischen Welt zu sich rief: Er entrückte ihn mit einer feurigen Kutsche in den Himmel. Im Volk Israel blieb er unvergessen, und darüber hinaus auch bei allen Gottes­kindern des neuen Bundes. Als Jesus auf dem Berg der Verklärung in hellem Licht erstrahlte, da waren Elia und Mose bei ihm und redeten mit ihm. Von Johannes dem Täufer aber bezeugte Jesus aus­drücklich, dass er im Geist und in der Vollmacht des Elia auftrat.

Liebe Brüder und Schwestern, auch wenn Elia zu den ganz großen Gottes­männern zählt wie Mose und Johannes der Täufer: Er war doch ein Mensch wie du und ich. Grund­sätzlich handelt Gott mit uns nicht anders als mit ihm: Er steht uns bei an unseren Tiefpunkten und macht sie zu Wende­punkten, dass wir mit neuer Hoffnung und neuem Glauben daraus hervorgehen. Und er nimmt uns in seinen Dienst – einen jeden mit den Gaben und an dem Platz, wo er ihn hingestellt hat. Es ist unerheblich, wie vergeblich oder erfolgreich wir unsern Dienst empfinden. Die Hauptsache ist, dass wir, erlöst durch das Blut Jesu Christi, ihm zur Ehre leben. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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