Zugang zu Gott für alle

Predigt über Epheser 2,17-18 zum 2. Sonntag nach Trinitatis

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Gott lädt alle Menschen zu sich ein. Die Kirche hat den Auftrag, diese Einladung überall zu verbreiten. Manche christliche Gemeinden veranstalten zu diesem Zweck Evan­gelisatio­nen. Da werden die Bewohner einer Stadt oder einer ganzen Region zu besonderen Verkündigungs­veranstaltun­gen eingeladen; die können in Kirch­gebäuden stattfinden oder in großen Zelten oder im Freien oder auch in anderen öffentlichen Räumen. Wenn fleißig eingeladen wird und wenn Gott seinen Segen dazu gibt, dann strömen die ver­schiedensten Menschen zusammen und hören das Evangelium, die gute Nachricht vom Erlöser Jesus Christus. Sie hören, dass er mit seinem Tod am Kreuz alles auf sich genommen hat, was uns Menschen von Gott trennt, und dass er mit seiner Auferstehung die Macht des Todes besiegt hat.

Unter den Menschen, die zu einer Evan­gelisation kommen, sind sowohl solche, die sich Gott nahe fühlen, als auch solche, die ihm fern stehen. Da finden wir zum Beispiel Nahe, die schon als Kinder getauft wurden und in christlichen Familien aufgewachsen sind; der Heiland Jesus Christus ist ihnen bestens vertraut. Da finden wir aber auch Ferne aus Familien, in denen der christliche Glaube überhaupt keine Rolle spielt, oder nur eine sehr kleine. Da finden wir Nahe, die aus Völkern stammen, wo der christliche Glaube jahrhunderte­lang die Kultur geprägt hat; sie kennen christliche Feiertage und Kirchgebäude und Wegekreuze und geistliche Musik. Da finden wir aber auch Ferne, die aus muslimischen Ländern kommen oder aus Völkern mit noch einer anderen Kultur. Da finden wir Nahe, die Gottes Frieden in ihrem Herzen spüren und die überall seine Wunder erkennen. Da finden wir aber auch Ferne, die ein trauriges oder gar verbittertes Herz haben; sie bringen wenig Hoffnung mit, dass sich das ändern kann. Da finden wir Nahe, die sich für mystische und religiöse Dinge interes­sieren; sie wollen Gott immer besser erkennen. Da finden wir aber auch Ferne, die alle Dinge nüchtern mit dem Verstand betrachten und die deswegen allem Über­sinnlichen gegenüber sehr skeptisch sind. Da finden wir Nahe, denen das Gemeinschafts­erlebnis mit anderen Christen viel Freude macht. Da finden wir aber auch Ferne, die sich am liebsten verkriechen wollen; sie kostet der Besuch einer Massen­veranstal­tung wie einer Evan­gelisation große Überwindung. Alle aber, Nahe und Ferne, sind von Gott eingeladen, ihre Sündenlast los zu werden und durch Jesus Christus Frieden mit Gott zu finden.

Das Wort „Evan­gelisation“ beziehungs­weise „evangeli­sieren“ stammt aus der Bibel; es steht auch in unserem Predigttext. Da heißt es nämlich wörtlich übersetzt: Christus „kam und evangeli­sierte Frieden für euch, die Fernen, und Frieden für die Nahen.“ Ja, Christus persönlich war der Erste, der eine Evan­gelisation ver­anstaltete. Er kam in unsere Welt, um Frieden zu bringen – Frieden zwischen seinem himmlischen Vater und allen Menschen. Mit seinem Tod und seiner Auferstehung hat er diesen Frieden gestiftet, und mit seinem Predigen hat er diesen Frieden verkündigt. Den Aposteln aber hat er zu Pfingsten den Heiligen Geist gegeben, damit sie diese Evan­gelisation in seinem Namen weiterführen – sie und die ganze christliche Kirche bis zum heutigen Tag. Das bleibt der Auftrag der Kirche bis zum Weltende: alle Menschen sollen zum Frieden mit Gott eingeladen werden durch das Evangelium, die gute Nachricht von Jesus Christus.

Christus „kam und evan­gelisierte sowohl euch, die Fernen, als auch die Nahen.“ Das hat der Apostel Paulus ursprünglich für die Gemeinde in Ephesus geschrieben. Ephesus war eine Großstadt im römischen Reich. Dort lebte eine Multikulti-Bevölkerung, ein Gemisch aus ver­schiedenen Kulturen und Religionen. Da gab es Götzen­diener, zum Beispiel Anhänger der griechischen Göttin Diana; aber dieser Glaube war inzwischen eher ein Geschäfts­modell für die orts­ansässigen Silber­schmiede, die kleine silberne Dianas als Souvenire für die Touristen anfertigten. Da gab es philo­sophisch interes­sierte Griechen, die allem Über­sinnlichen gegenüber skeptisch eingestellt waren. Und da gab es auch viele Juden, wie fast überall in der antiken Welt. Als Paulus und andere Christen in Ephesus evan­gelisierten, ließen sich Menschen aus diesen ver­schiedenen Be­völkerungs­gruppen taufen. So kam es, dass die christliche Gemeinde in Ephesus ein bunt zusammen­gewürfelter Haufe wurde. Wir können uns vorstellen, dass das Gemeinde­leben nicht immer ganz spannungs­frei ablief. Weil Jesus aus dem jüdischen Volk hervor­gegangen war und die jüdischen Messias-Hoffnungen erfüllt hatte, meinten die Juden­christen, dass sie irgendwie dichter dran sind an Gott und an seinem Heil. So kam es, dass sich die Heiden­christen wie Christen zweiter Klasse fühlten. Paulus griff diese Befind­lichkeit in seinem Brief an die Epheser auf. Die Juden nennt er darin die „Nahen“, weil sie schon von klein auf Gott den Herrn kannten und sein Wort aus den heiligen Schriften des Alten Testaments hörten. Die Nichtjuden nennt er die „Fernen“, weil sie vor ihrer Taufe im Götzendienst oder in menschlicher Philosophie verirrt waren.

Paulus hat das nicht getan, um die Spannungen in der Epheser Gemeinde zu verschärfen. Im Gegenteil: Er machte den Ephesern deutlich, dass Christus für alle in gleicher Weise den Frieden mit Gott gebracht hat, unabhängig davon, wie nah oder wie fern sie vorher dem Schöpfer standen. Er hat dabei besonders die Heiden­christen an­gesprochen, denn er wollte ihnen deutlich machen, dass sie keineswegs Christen zweiter Klasse sind. Paulus schrieb: „Er hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren.“ Paulus begründet und bekräftigt das dann mit dem folgenden Satz: „Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.“ Das heißt: Alle, die getauft sind und den Heiligen Geist empfangen haben, und alle, die an Jesus Christus glauben, haben direkten Zugang zum himmlischen Vater. Aus Heiden und Juden, aus Fernen und Nahen sind nun ganz Nahe geworden, Menschen am Herzen Gottes, die gewiss sein dürfen: Gott hat mich bedingungs­los lieb und schenkt mir die ewige Seligkeit. Diese Gewissheit aber hat ihren Grund im Evangelium von Jesus Christus.

Liebe Brüber und Schwestern, das ist Gottes gute Nachricht bis zum heutigen Tag. Sie lädt ohne Unterschied Nahe und Ferne ein, Gott ganz nahe zu werden durch den Glauben an Jesus Christus. Dabei ist es egal, ob diese gute Nachricht in einer evan­gelistischen Massen­veranstal­tung verkündet wird oder in einem normalen Sonntags­gottesdienst oder in einem Gespräch unter vier Augen. Jeder, der diese gute Nachricht hört, darf gewiss sein: Gott lädt auch mich zu sich ein und will mich selig machen. Für die Nahen, die mit dem christlichen Glauben aufgewachsen sind, gilt: Wenn Zweifel oder laue Gewohnheiten euren Glauben abstumpfen wollen, dann hört wieder ganz neu hin, wie Jesus euch den Zugang zu Gott eröffnet hat! Für die Fernen, denen das Evangelium als etwas Neues und schier Un­glaubliches begegnet, gilt: Meint nicht, dass man christlich erzogen sein muss, um glauben zu können, sondern öffnet einfach euer Herz für die frohe Botschaft von Jesus Christus und bittet ihn, dass er euch den Glauben schenkt! Für die Nahen, die Friede und Freude im Herzen empfinden, gilt ebenso wie für die Fernen, die traurig oder gar verbittert sind: Gott schenkt krisenfeste Freude und will sie bis ans Lebensende erhalten. Für die Nahen, die die Gemeinschaft der christlichen Gemeinde suchen und sich darin wohlfühlen, gilt ebenso wie für die Fernen, die sich am liebsten verkriechen möchten: Jesus ist für alle gekommen und hat Frieden mit Gott gestiftet; so könnt ihr durch ihn die Gemeinschaft unter Gottes Wort als bereichernd und beglückend erleben.

Der eine Heilige Geist eröffnet sowohl Fernen als auch Nahen den einen Zugang zu Gott, den einen Weg Jesus Christus, der die Wahrheit und das Leben ist. So kommt es, dass sich die unter­schiedlich­sten Menschen im Glauben eins fühlen dürfen in der christlichen Gemeinde – Menschen, die ohne diesen Glauben wohl kaum Gemeinsam­keiten entdecken würden. Daraus erwächst dann aber auch die Aufgabe, mit den menschlichen Unter­schieden in der Gemeinde richtig umzugehen und bei aller Verschieden­heit die Gemeinschaft zu pflegen. Der Apostel Paulus hat das damals den Christen in Ephesus ans Herz gelegt, und Gott legt es durch sein Wort heute uns ans Herz. In der christlichen Gemeinde ist es nicht wichtig, wie nah oder fern sich die Menschen stehen aufgrund unter­schiedlicher Herkunft, Kultur, Bildung oder Charakter­eigen­schaften. Hier zählt nur, dass wir durch unsern Heiland Jesus Christus allesamt Gott ganz nahe sind, und darum auch unter­einander ganz nahe – eben wie Brüder und Schwestern. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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