Von der Verleumdung

Predigt über Psalm 35,11-16 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im aktuellen Wochenspruch heißt es: „Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ Das ist die größte Liebe, das ist wahrhaft göttliche Liebe: dass Christus sich für Menschen aufgeopfert hat, die ihn schwer enttäuscht und ihm bitter Unrecht getan haben. Unser Verhängnis ist ihm dennoch nicht egal, unser Leid geht ihm trotz aller Anfeindung zu Herzen. Im 35. Psalm hat er prophetisch gesagt: „Ich zog einen Sack an, wenn sie krank waren, und tat mir weh mit Fasten.“ Er tritt für uns ein beim himmlischen Vater und bittet für uns um Gnade. Im 35. Psalm hat er prophetisch gesagt: „Ich betete immer wieder von Herzen.“ Er distanziert sich nicht von uns, sondern bleibt uns verbunden wie ein guter Freund, ja mehr noch, wie ein enger Verwandter. Im 35. Psalm hat er prophetisch gesagt: „Als wäre es mein Freund und Bruder, so ging ich einher; wie einer Leid trägt über seine Mutter, so beugte ich mich in Trauer.“

Aber auch das, was die Sünder ihm angetan haben, verschweigt Jesus in diesen Versen nicht. Erstaunlich deutlich ist in ihnen voraus­gesagt, was er von seinen Feinden erlitten hat. Besonders werden da Sünden gegen das 8. Gebot genannt, das da lautet: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Ja, falsch Zeugnis hat man wider Jesus geredet, als man ihn verhörte und verurteilte. Heuchlerisch und böswillig hat man ihn aufs Übelste verleumdet.

So steht in der Weissagung: „Es treten falsche Zeugen auf; sie fordern von mir, wovon ich nichts weiß.“ Die führenden Juden hatten tatsächlich einige Leute bestochen, damit sie Jesus mit falschen Zeugen­aussagen vor dem Hohen Rat belasten. Sie behaupteten, er hätte gesagt, dass er den Tempel abreißen will. So etwas hatte Jesus nie geäußert, er hatte lediglich bildlich voraus­gesagt, dass man den Tempel seines Leibes abreißen werde und dass er in drei Tagen wieder neu ersteht. Nichts anderes als Ver­leumdungen waren es, mit denen man Jesus belastete. In Luthers Auslegung zum 8. Gebot heißt es: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht verleumden.“ Wenn ich nun aber mit einem Finger auf die Feinde Jesu damals zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Bin ich denn so wahrhaftig, dass ich niemanden verleumde? Ertappe ich mich nicht immer wieder dabei, dass ich es mit der Wahrheit nicht ganz genau nehme, wenn ich über andere Menschen rede? Damit verleumde ich nicht nur meine Mitmenschen, sondern damit betrübe ich den Herrn Jesus Christus selbst. Ich kann mich nicht herausreden: Auch ich gehöre zu denen, die Jesus enttäuscht und ihm Leid zugefügt haben. Wenn mir das bewusst wird, dann hilft mir nur noch die Zusage seiner Gnade. Ja, er hat es mir versprochen: Ich bin ihm nicht egal; er bittet den Vater für mich; er bleibt mir verbunden als Freund und Bruder. Auch für mich hat er die Ver­leumdungen damals ertragen und ist den schweren Weg seiner Passion bis ans bittere Ende gegangen.

In der Weissagung steht weiter: „Sie vergelten mir Gutes mit Bösem, um mich in Herzeleid zu bringen.“ Wieviel Gutes hatte Jesus gesagt und getan! Er hatte den Menschen die Liebe des himmlischen Vaters ins Herz gepredigt; er hatte auch tatkräftig geholfen und geheilt. Dieses Gute vergalt man ihm nun mit Bösen: Man verleumdete ihn, beschuldigte ihn und unterstellte ihm Gottes­lästerung. Man tat das Gegenteil von dem, was Luther in der Auslegung zum 8. Gebot gefordert hat: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir alles zum Besten kehren.“ Wenn ich nun mit einem Finger auf die Feinde Jesu damals zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Vergelte ich denn meinen Mitmenschen ihr Gutes immer mit Gutem? Erweise ich mich dankbar und hilfsbereit? Und wenn ich weniger Gutes von ihnen erfahre, versuche ich dann, alles zum Besten zu kehren? Und wie steht es mit meinem Dank an Gott? Wieviel Gutes gibt er mir täglich, und wie selbst­verständlich nehme ich es oft hin! Ich kann mich nicht herausreden: Auch ich gehöre zu denen, die Jesus oft genug Gutes mit Bösem vergolten haben. Wenn mir das bewusst wird, dann hilft mir nur noch die Zusage seiner Gnade. Ja, er hat es mir versprochen: Ich bin ihm nicht egal; er bittet den Vater für mich; er bleibt mir verbunden als Freund und Bruder. Auch für mich hat er damals das Böse, das ihm seine Feinde antaten, ertragen und ist den schweren Weg seiner Passion bis ans bittere Ende gegangen.

In der Weissagung steht weiter: „Sie freuen sich, wenn ich wanke.“ Die Nacht der Gefangen­nahme und der Verhöre, die Nacht der körperlichen und seelischen Grausam­keiten machten aus Jesus ein menschliches Wrack. Er wankte nur noch, er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Und als er schließlich das Kreuz zur Hinrichtungs­stätte tragen musste, brach er unter dieser Last vollends zusammen. Niemand hatte da Mitgefühl, niemand tröstete den Wankenden und versuchte, ihn wenigstens mit guten Worten auf­zurichten. Martin Luther hat in seiner Auslegung zum 8. Gebot gefordert: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten ent­schuldigen und Gutes von ihm reden.“ Wenn ich nun mit einem Finger auf die Feinde Jesu damals zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Wie stehe ich denn zu meinen schwachen und wankenden Mitmenschen – ganz gleich, ob sie verschuldet oder un­verschuldet in Not geraten sind? Versuche ich, sie mit guten Worten und tatkräftig auf­zurichten, sie auch vor anderen in Schutz zu nehmen und Gutes von ihnen zu reden? Oder ist mir ihr Wanken egal? Oder bin ich vielleicht sogar schadenfroh? Ich kann mich nicht herausreden: Auch ich gehöre zu denen, die oft genug die geringsten Brüder im Stich gelassen haben, und damit den Herrn Jesus Christus selbst. Wenn mir das bewusst wird, dann hilft mir nur noch die Zusage seiner Gnade. Ja, er hat es mir versprochen: Ich bin ihm nicht egal; er bittet den Vater für mich; er bleibt mir verbunden als Freund und Bruder. Auch für mich hat er damals das Kreuz geschultert und es so lange getragen, bis er darunter zusammen­brach.

In der Weissagung steht weiter: „Sie rotten sich heimlich zum Schlag wider mich zusammen, sie lästern und spotten immerfort.“ Was für eine unheilige Allianz hat sich da gegen Jesus zusammen­gerottet: der schein­heilige Judas, der ihn mit einem Kuss verriet; die fanatischen Leiter des Hohen Rats, die alle Hebel für seine Vernichtung in Bewegung setzten; der gleich­gültige Pontius Pilatus, der mit diesem Angeklagten möglichst bequem fertig werden wollte; und der genuss­süchtige König Herodes, der enttäuscht war, weil Jesus ihn nicht mit einem Wunder unterhielt. Sie alle arbeiteten zusammen, damit Jesus vernichtet wird; Pilatus und Herodes wurden darüber sogar zu Freunden. Vom Verrat des Judas bis hin zum Spott der Ratsherren unter dem Kreuz – alle hatten sich gegen den Herrn verbündet. In Luthers Auslegung zum 8. Gebot heißt es: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsern Nächsten nicht verraten.“ Wenn ich nun mit einem Finger auf die Feinde Jesu damals zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Wie leicht geschieht es, dass ich durch Mehrheiten dazu verleitet werde, mich von bestimmten Menschen oder Menschen­gruppen zu distanzieren und vielleicht sogar eine feindliche Gesinnung zu übernehmen. Wie leicht geschieht es, dass ich sie auf diese Weise verrate – wider besseres Wissen, nur aus Feigheit oder Bequemlich­keit. Und damit verrate ich dann nicht nur sie, sondern auch meinen Herrn, der die Wahrheit in Person ist. Wenn mir das bewusst wird, dann hilft mir nur noch die Zusage seiner Gnade. Ja, er hat es mir versprochen: Ich bin ihm nicht egal; er bittet den Vater für mich; er bleibt mir verbunden als Freund und Bruder. Auch für mich hat er sich anfeinden und verraten lassen – und so meine Feindschaft gegen Gott überwunden.

In der Weissagung steht schließlich: „Sie knirschen wider mich mit ihren Zähnen.“ Bei Jesu Feinden erkennen wir nicht nur leicht­fertigen Spott und Freude über sein Wanken, sondern auch wut­schnaubende Empörung. Solche Entrüstung meint das prophetische Psalmwort, wenn es vom Zähne­knirschen redet. Beim Hohen­priester äußerte sich das in der Weise, dass er sein Gewand zerriss, als er die vermeint­liche Gottes­lästerung aus Jesu Mund vernahm. Es war freilich nur eine geheuchelte Entrüstung, denn im Geheimen war er ja froh, dass er nun einen Grund für das Todesurteil gefunden hatte. Er war froh, dass er nun öffentlich Jesu Ruf verderben und sagen konnte: Seht her, euer vereehrter Rabbi ist in Wahrheit ein Lästerer! In Luthers Auslegung zum 8. Gebot heißt es: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir nicht den Ruf unsers Nächsten verderben.“ Wenn ich nun mit einem Finger auf die Feinde Jesu damals zeige, dann zeigen drei Finger auf mich selbst. Wie leicht ärgere ich mich über einen Mitmenschen, knirsche mit den Zähnen wider ihn! Wie leicht entrüste ich mich über andere! Und wie schnell kann es dann geschehen, dass ich etwas tue oder sage, das sie in einem ungünstigen Licht erscheinen lässt und ihren Ruf verdirbt! Auch damit betrübe ich letztlich den Herrn Jesus Christus selbst, denn jede Sünde gegen einen Mitmenschen ist immer auch eine Sünde gegen Gott. Wenn mir das bewusst wird, dann hilft mir nur noch die Zusage seiner Gnade. Ja, Christus hat es mir versprochen: Ich bin ihm nicht egal; er bittet den Vater für mich; er bleibt mir verbunden als Freund und Bruder. Auch für mich hat er sich den Ruf vederben lassen und still­gehalten, als man ihn öffentlich wie einen Lästerer und Verbrecher behandelte. Schließlich hat er auch das unrechte Todesurteil auf sich genommen – damit der Tod, die verdiente Strafe für meine Sünden, nicht das letzte Wort über mich behält. Tausend‑, tausendmal sei dir, liebster Jesu, Dank dafür! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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