Standhaft im Glauben

Predigt über Daniel 3,1-30 zu einer Ökumenischen Veranstaltung

Verlesener Text: Daniel 3,16-18

Liebe Schwester, lieber Bruder in Christus!

Du bist gezwungen, in einem fremden Land zu leben, in einem sehr fremden Land – nehmen wir das mal an. Wie verhältst du dich? Versuchst du nach Kräften, an deiner gewohnten Lebensweise, Sprache und Kultur fest­zuhalten? Oder bemühst du dich darum, dich anzupassen, dich in die fremde Kultur zu integrieren? Oder würdest du am liebsten Kompromisse schließen und einen Mittelweg gehen? Wir könnten darüber lange diskutieren, und das würde bestimmt interessant werden. Aber in einem Punkt, so hoffe ich, wären wir uns schnell einig: Beim Glauben hört die Integrations­bereitschaft auf; da darf es keine Kompromisse geben. Auch wenn wir in einem noch so fremden Land mit noch so fremder Welt­anschauung lebten, würden wir doch weiter unsern Herrn Jesus Christus anbeten und versuchen, ihm nach­zufolgen.

Vorbildlich standhaft im Glauben waren Schadrach, Meschach und Abed-Nego, drei Freunde des Propheten Daniel. Sie blieben Gott dem Herrn auch dann noch treu, als man sie deswegen töten wollte. Zugleich waren Schadrach, Meschach und Abed-Nego Muster­beispiele für gelungene Integration im babylo­nischen Großreich. Sie waren als Jugendliche aus Israel verschleppt worden, hatten die fremde Sprache gelernt und waren nun mit allen gesellschaft­lichen Regeln ihrer neuen Zwangsheimat bestens vertraut. Durch Klugheit, Fleiß und Daniels Fürsprache hatten sie sogar Karriere gemacht im babylo­nischen Verwaltungs­apparat und waren zu Provinz­statthaltern auf­gestiegen. Ihre Vorgesetzten konnten sich auf sie verlassen, sie waren hundert­prozentig loyal. Zum Konflikt kam es erst, als der große König Nebukadnezar ein vergoldetes Standbild errichten ließ. Es war ungefähr dreißig Meter hoch, also ebenso groß wie die berühmte Christus-Statue in Rio de Janeiro. Ob das Standbild eine Person darstellte, wissen wir nicht; es müsste dann eine ziemlich schlanke Person gewesen sein, denn die Figur war nur drei Meter breit. Vielleicht handelte es sich um eine viereckige Säule, einen sogenannten Obelisken. In jedem Fall müssen hunderte von Sklaven auf dieser Baustelle beschäftigt gewesen sein. Man hatte dort sogar einen riesigen Schmelzofen hingebaut, um das Standbild an Ort und Stelle vergolden zu können.

Wie auch immer das Standbild aussah: Es war ein Götze. Und wie das bei vielen alten und neuen Götzen der Fall ist, so war dieses Standbild letztlich nur ein Mittel zur Selbst­vergötte­rung. Wir müssen uns König Nebukadnezar als macht­hungrigen Herrscher eines Weltreichs vorstellen. Das dürfte uns auch nach zweieinhalb­tausend Jahren nicht schwer fallen, denn immer wieder hat es ähnlich macht­hungrige Staaten­lenker gegeben. Mit dem Riesen­standbild wollte Nebukadnezar zum Ausdruck bringen: Seht her, ich bin der Größte, ich bin der Reichste, ich bin der Mächtigste; ich habe den größten Obelisken der Welt! Außerdem sollte das Standbild zur Integration der vielen ver­schiedenen Völker dienen, die der König gerade seinem Machtbereich unterworfen hatte. Sie hatten ja alle ihren eigenen Kopf und ihre eigene Religion, und wenn Nebukadnezar nicht aufpasste, konnte es hier und da leicht zu Aufständen kommen. Wenn diese Ausländer aber alle dem großen goldenen Obelisken huldigten um ihm die Treue schworen, dann hatte Nebukadnezar sie moralisch in der Hand, und sie würden nicht wagen aufzumucken. Wir sehen: Das Standbild hatte nicht nur eine religiöse, sondern auch eine politische Funktion. Es war das Symbol einer neuen babylo­nischen Leitkultur, in gewisser Weise also ein natio­nalistisches Denkmal.

Der große Treueschwur der Würdenträger aller eroberten Völker war für die Einweihungs­feier des Obelisken vorgesehen. Das Bauwerk wurde erst in letzter Minute fertig, wie das ja bei Groß­projekten manchmal passiert. Die Baustelle war noch nicht ganz aufgeräumt, da strömten schon die Leute aus allen Himmels­richtungen heran. Sie mussten sich in Reih und Glied vor Nebukadnezar aufstellen. Auch Schadrach, Meschach und Abed-Negro waren herbeordert worden. Der Zeremonien­meister rief den königlichen Befehl aus: Wenn die Hofkapelle einen Tusch spielt, dann müssen sich alle vor dem Standbild zu Boden werfen und es anbeten! Falls sich jemand weigert, wird er in den Schmelzofen geworfen! Der stand noch immer auf der Baustelle, und in ihm glühte es bedrohlich. Dann wurde es feierlich: Der Tusch ertönte, und sogleich warfen sich alle zu Boden – alle bis auf drei Männer: Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Die blieben stehen, die blieben standhaft. Sie wussten: Nur den einen wahren unsichtbaren Gott darf man anbeten, nicht die Natur, nicht einen Menschen und erst recht nicht ein von Menschen gemachtes Standbild. Sie waren sich einig: Wenn wir vor diesem goldenen Klotz nieder­fallen, dann beleidigen wir Gott damit schwer. Es wäre so, wie wenn ein Ehemann sich mit einer anderen Frau vergnügt.

Nach der Anbetungs­zeremonie waren sofort ein paar Neider zur Stelle, die Schadrach, Meschach und Abed-Nego bei Nebukadnezar verpetzten. Als der König hörte, dass die drei jüdischen Männer nicht vor seinem Standbild nieder­gefallen waren, wurde er wütend. Er fuhr die drei an: „Wollt ihr meinen Gott nicht ehren?“ Aber er gab ihnen eine zweite Chance. Bei einer Wiederholung der Zeremonie konnten sie noch ihre Meinung ändern und würden dann der schreck­lichen Strafe im Schmelzofen entgehen. Aber wehe, wenn sie es nicht tun würden! Nebukadnezar schloss seine Warnung mit dem Satz: „Lasst sehen, wer der Gott ist, der euch aus meiner Hand erretten könnte!“

Meine Hand“, sagte der König, und „mein Gott“. Da merken wir: Es ging ihm eigentlich nicht um sein Standbild oder um irgendeine Gottheit, sondern es ging ihm um sich selbst. Die verweigerte Anbetung wertete er als persönliche Beleidigung sowie auch als Auflehnung gegen die Staats­gewalt, denn immerhin hatte er ja ein ent­sprechendes Gesetz erlassen. Sehr oft sind auch später Christen aus diesem Grund verfolgt worden, und es geschieht bis heute. Die Märtyrer der Alten Kirche zum Beispiel wurden grausam gefoltert und hin­gerichtet, weil sie dem römischen Kaiser nicht wie einem Gott opfern wollten. Sogar in christlichen Staaten hat es Verfolgungen gegeben. Ich denke da an die Hugenotten in Frankreich, oder an die Alt­lutheraner in Preußen. Letztere wollten eine staatlich verordnete Gottesdienst­ordnung nicht akzeptieren, in der das klare Bekenntnis zu Christi Leib und Blut im Heiligen Abendmahl fehlte. Der preußische Staat wertete das als Widerstand gegen die Staats­gewalt, steckte lutherische Pastoren ins Gefängnis und verhängte hohe Geldstrafen über renitente Gemeinde­glieder. Dabei waren die eigentlich sehr treue, tüchtige und gehorsame Bürger. Diejenigen, die in dieser Verfolgung standhaft blieben, gründeten später die sogenannte alt­lutherische Kirche.

Aber zurück zu Schadrach, Meschach und Abed-Nego. Sie antworteten Nebukadnezar so: „Wenn unser Gott, den wir verehren, will, so kann er uns erretten; aus dem glühenden Ofen und aus deiner Hand, o König, kann er erretten. Und wenn er’s nicht tun will, so sollst du dennoch wissen, dass wir deinen Gott nicht ehren…“ Ja, sie blieben standhaft, und sie sind uns dabei in dreierlei Hinsicht zum Vorbild geworden. Erstens waren sie vorbildlich kompromiss­los. Zwar können Kompromisse im Alltagsleben durchaus sinnvoll und sogar notwendig sein, aber nicht im Glaubens­leben. Es darf keinen Kompromiss gegeben zwischen Glaube und Aberglaube, zwischen Wahrheit und Lüge. Zweitens waren Daniels Freunde vorbildlich ergeben. Sie erwiesen sich treu und gehorsam in allem, was der babylonische Staat sonst von ihnen erwartete, aber sie wussten auch: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Man muss das auch dann tun, wenn es Nachteile mit sich bringt, oder gar großes Leid und Lebens­gefahr. Es kann sein, dass Gott seinen Kindern solches Kreuz zumutet; sogar seinem eingeborenen Sohn hat er’s zugemutet. Auch dann sollen wir uns in Gottes Willen ergeben. Manche Christen halten es für Glaubens­stärke, wenn sie denken, dass Gott bestimmt ein Wunder tun und ihnen Leid ersparen wird. Sie sollten besser mit Jesus beten lernen: „Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ Und sie sollten genau auf das achten, was Daniels Freunde sagten: „Wenn er’s nicht tun will, sollst du dennoch wissen….“ Damit sind wir drittens bei ihrem vorbild­lichen Bekenntnis. Sie versteckten sich nicht mit ihrem Glauben, sondern bezeugten ihn mutig vor einem mächtigen Mann, der das nicht unbedingt gern hörte. Vom Ende der Geschichte her müssen wir sagen: Dieses Bekenntnis hat sich gelohnt. Es hat dazu beigetragen, dass Nebukadnezar den wahren Gott kennen­gelernt hat.

Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt. Schadrach, Meschach und Abed-Nego blieben auch beim zweiten Tusch standhaf. Daraufhin warf man sie in den Schmelzofen, der vorher noch einmal besonders kräftig angeheizt wurde. Da tat Gott ein Wunder: Die Flammen fügten Daniels Freunden keinen Schaden zu. Außerdem schickte Gott ihnen einen Engel, der ihnen in der Feuersglut Beistand leistete. So getrost waren die Männer, dass sie mitten im Feuer ein Loblied sangen. Nebukadnezar konnte Gottes Engel durch eine Öffnung im Ofen erkennen. Da rief er die drei heraus und bekannte: „Gelobt sei der Gott Schadrachs, Meschachs und Abed-Negos, der seinen Engel gesandt und seine Knechte errettet hat, die ihm vertraut und des Königs Gebot nicht gehalten haben, sondern ihren Leib preisgaben; denn sie wollten keinen andern Gott verehren und anbeten als allein ihren Gott!“

Verfolgte Christen werden nicht immer so gerettet; oft müssen sie das Martyrium erleiden. Ein Wunder Gottes geschieht dann aber trotzdem, denn er gibt ihnen Kraft, standhaft zu bleiben und sogar noch in Todesqualen den Herrn zu loben. Aber welches Zeichen bekommen dann die Verfolger, die Herrscher und all diejenigen, die die Macht des wahren Gottes abstreiten? Wäre es nicht besser, Gott würde ihnen allen seine Macht so eindrucks­voll bezeugen, wie er es damals bei Nebukadnezar tat? Nun, Gott hat dieses Wunder­zeichen für alle bereits gegeben: Es heißt Jesus Christus, der vom Tod erstanden ist. Seitdem hat man ihn schon tausendmal verspottet, geschunden, ignoriert und totgesagt – aber doch hat er sich stets als der Lebendige erwiesen bis zum heutigen Tag. Sein Reich überdauert alle Weltreiche, und sein Volk besteht weiter unter allen Völkern der Erde, auch wenn das zum Teil nur im Untergrund möglich ist.

Liebe Schwester, lieber Bruder in Christus, du bist gezwungen, in einem fremden Land zu leben. Das nehmen wir jetzt nicht nur an, sondern das ist in gewisser Hinsicht eine Tatsache. Wenn wir kompromiss­los, ergeben und offen unsern Glauben an Jesus Christus leben, werden wir nämlich spüren, dass Gottes Reich nicht von dieser Welt ist, sondern dass wir Gäste und Fremdlinge sind in einer Gesell­schaft, die sich immer weiter vom christlichen Glauben und von christlichen Werten entfernt. Um uns herum wachsen Standbilder von allen möglichen Götzen, sowohl sichtbare als auch unsichtbare. Desto mehr schenke uns Gott, dass wir so standhaft bleiben wie Daniels Freunde, dass wir Jesus die Treue halten und dass wir unseren Mitmenschen seine Liebe bezeugen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2018.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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