Jesu Botschaft, Herrschaft und Jüngerschaft

Predigt über Offenbarung 22,16-17 zum Altjahrsabend

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Im letzten Gottesdienst des Jahres hören wir auf zwei Verse aus dem letzten Kapitel der Offenbarung des Johannes, dem letzten Buch des Neuen Testa­ments und somit auch der ganzen Heiligen Schrift. In diesen letzten Versen der Bibel finden wir auch das letzte Ich-bin-Wort unsers Herrn Jesus Christus: „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgen­stern.“ Wer sich ein bisschen am Sternhimmel auskennt, weiß: Der Morgenstern erscheint kurz vor Sonnen­aufgang am östlichen Firmament in der Morgen­dämmerung und kündigt das Ende der Nacht an. So weist Jesus uns auf die letzten Tage unserer alten Erde hin, die sogenannte Endzeit, nach der dann Gottes ewiges Reich aufgeht, strahlend hell wie die Sonne. Man kann diese letzten Verse der Bibel wie die letzten Zeilen eines Briefes ansehen, den Jesus für uns geschrieben hat. Es war damals üblich, Briefe einem professio­nellen Schreiber zu diktieren und nur die letzten persönlichen Sätze mit eigener Hand zu schreiben, gleichsam anstelle einer Unter­schrift. Daran erinnert die Einleitung dieses letzten Abschnitts der Heiligen Schrift: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen…“ Drei Dinge bezeugt uns der Herr in diesen Schluss­versen: Jesu Botschaft, Jesu Herrschaft und Jesu Jünger­schaft.

Schauen wir zuerst auf Jesu Botschaft. Er sagt im Rückblick auf das ganze Buch der Offenbarung: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen…“ Ein Engel hat den Apostel Johannes durch viele Visionen hindurch begleitet und ihm dabei manches erklärt, und Johannes hat es dann auf­geschrieben. Das ist alles im Auftrag des Herrn Jesus geschehen, denn diese Offenbarung ist seine Botschaft für die ganze Christen­heit. Sie lässt sich ganz kurz so zusammen­fassen: Es geschieht viel Schreck­liches auf der Welt in dieser letzten Zeit, und die Menschen müssen viel leiden. Wer aber durch Jesu Blut von seinen Sünden gereinigt ist und ihm im Glauben treu bleibt, der wird in all diesem Schreck­lichen von Gott behütet und am Ende heraus­gerettet werden, und dann wird er in Gottes zukünftiger Welt ewig leben. Was für ein großer Trost bis zum heutigen Tag! Denn auch das vergangene Jahr hat uns auf mancherlei Weise wieder vor Augen geführt, wieviel Schreck­liches in unserer Welt geschieht, und hat uns daran erinnert, dass wir Menschen das selbst nicht in den Griff bekommen.

Was Jesus hier sagt, gilt aber nicht nur für das ganze voraus­gehende Buch der Offenbarung, sondern es gilt auch insgesamt für das ganze voraus­gehende Buch der Bibel. Denn immer wieder in der Geschichte sind Engel zu Menschen gekommen und haben ihnen Gottes Botschaft gebracht. Das gilt besonders von jenen Zeitpunkten, die in Gottes Heils­geschichte ganz wichtig sind. So kam Gottes Engel zur Jungfrau Maria und kündigte ihr an: „Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären“ (Lukas 1,31). Dem Josef erklärte der Engel: „Er wird sein Volk retten von ihren Sünden“ (Matth. 1,21). Den Hirten auf Bethlehems Feldern verkündete er in der heiligen Nacht: „Euch ist heute der Heiland geboren“ (Lukas 2,11). Nach Jesu Tod sagte er den Frauen am leeren Grab: „Er ist nicht hier, er ist auf­erstanden“ (Lukas 24,6). Und vierzig Tage später bezeugten Engel den Jüngern: „Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wieder­kommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen“ (Apostel­gesch. 1,11).

Wir merken: Immer wieder hat Jesus seinen Engel gesandt, um uns sein Evangelium zu bezeugen, die gute Nachricht von unserer Erlösung. Das griechische Urwort für Engel lautet Angelos, auf Deutsch „Bote“; entsprechend bedeutet Evangelium beziehungs­weise Euangelion „gute Botschaft“. In gewisser Weise sind alle Evangeliums­boten Engel, auch die Apostel und alle Verkündiger von Gottes Wort. Sie alle sind von Jesus gesandt, um seine Botschaft zu bezeugen. Hört noch einmal, was Jesus sagt: „Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt, euch dies zu bezeugen für die Gemeinden.“ Adressaten sind die christlichen Gemeinden, die Kirche, die Christenheit – also wir, liebe Brüder und Schwestern. Das Buch der Offenbarung, alle Bücher der Bibel und überhaupt Gottes Wort richtet sich nicht an lauter Einzel­gänger, sondern an eine Gemein­schaft, an ein Volk – sein heiliges Volk. Darum kommen wir hier auch regelmäßig zusammen, um gemeinsam auf Jesu Botschaft zu hören und ihn gemeinsam dafür zu loben. Der christliche Glaube ist entsprechend nicht nur eine Herzens­angelegen­heit jedes einzelnen, sondern auch eine Gemeinschafts­sache. Wenn wir so verbunden in Glaube und Liebe unter unserm Herrn Jesus Christus leben, dann empfangen wir durch seine Botschaft viel Trost, Stärkung und Durchhalte­vermögen. Jesu Botschaft ist ja nicht nur eine Information über Gottes Liebe, sondern sie vermittelt uns auch Gottes Liebe, sie ist gewisser­maßen Nahrung für unseren Glauben. Das ist also das Erste, worauf wir in diesen Worten stoßen: Jesu Botschaft.

Das Zweite ist Jesu Herrschaft. Im Gegensatz zu den Regierungen der Welt ist Jesu Herrschaft eine un­befristete, ewige Herrschaft. Das erkennen wir an dem Ich-bin-Wort in unserem Text, diesem letzten Ich-bin-Wort Jesu in der Bibel: „Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der helle Morgen­stern.“ Immer wieder weist uns Gottes Wort darauf hin, dass Jesus der Davidssohn ist, der Spross aus dem Königs­geschlecht Davids, der lang verheißene Messias und Erlöser­könig. Damit blicken wir zurück in die Vergangen­heit, zurück auf Jesu Wurzeln. Aber wir können noch weiter blicken als nur bis zum alten König David und dessen Vater Isai: Wir blicken auch auf den Stammvater Juda und dessen Vater Israel. Wir blicken auf Abraham, dem Gott einen besonderen Nachkommen verhieß; durch diesen Nachkommen würden alle Völker der Welt gesegnet werden. Und wir blicken noch weiter, blicken auf den ersten Menschen Adam. Ihm stellt die Bibel Jesus als zweiten Adam beziehungs­weise neuen Adam gegenüber. Und wir blicken schließlich zurück auf den Anfang der Schöpfung, auf die Zeit vor aller Zeit. Kurz vor unserm Predigttext hat Jesus im vorletzten Ich-bin-Wort der Bibel von sich gesagt: „Ich bin das A und das O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ (Offenbarung 22,13).

Er ist also nicht nur der Erste, sondern auch der Letzte, der ewig Bleibende, das Ziel aller Dinge, so wie das O beziehungs­weise das Omega der letzte Buchstabe im griechi­schen Alphabet ist. Er ist der Morgenstern, der vom endgültigen Sonnen­aufgang am Ende der Zeit kündet. Er wird wiederkommen in Herrlich­keit. Jesus bleibt in Ewigkeit, und alle, die zu ihm gehören, werden im letzten Gericht bestehen und bei ihm bleiben in Ewigkeit. Seine Zukunft ist auch unsere Zukunft. Er herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sein Reich ist ein Friedens­reich. Jeder, der an ihn glaubt, trägt diesen Frieden jetzt schon in seinem Herzen, inmitten einer un­friedlichen Welt. In Gottes herrlicher Zukunft werden wir diesen Frieden einst auch vollkommen erleben. Ja, Jesu gnädige, friedliche, ewige Herrschaft ist das Zweite, worauf wir in diesem Wort stoßen.

Das Dritte ist Jesu Jünger­schaft. Man könnte auch sagen: Jesu Mannschaft. Gemeint sind wir selbst und die ganze Christen­heit. Ich habe ja bereits darüber gesprochen, dass uns Jesu Botschaft gemeinschaft­lich erreichen will. Gemeinsam leben wir von diesem Wort, und gemeinsam sind wir auch gerufen, es der Welt zu bezeugen. Für Jesu Jüngerschaft beziehungs­weise Gottes Volk gibt es mehrere herrliche Bilder, die uns bereits im Alten Testament begegnen: eine Schafherde, ein Weinberg oder auch eine Braut. Ja, die Christenheit gleicht unter anderem einer Braut, und Christus ist ihr Bräutigam. Wie eine Braut in alten Zeiten sehnsüchtig darauf wartete, dass der Bräutigam zum Hochzeits­fest kam und sie in sein Zuhause heimholte, so warten wir auf das Wiederkommen Jesu in Herrlich­keit. Erfüllt vom Heiligen Geist rufen wir ihm sehnsüchtig zu: „Komm doch!“ Darum heißt es: „Und der Geist und die Braut sprechen: Komm! Und wer es hört, der spreche: Komm!“ Wir bitten dies in dem Bewusstsein, dass mit jedem Silvester das Wiederkommen Jesu ein Jahr nähergerückt ist.

Während wir nun auf sein Kommen warten, sollen wir uns selbst in Bewegung setzen und kommen. Unser Glaube ist kein passives oder gar skeptisches Abwarten, unser Glaube setzt uns vielmehr in Bewegung, sodass wir uns auf den Herrn Jesus zubewegen und ihm immer näher kommen. Darum beten Jünger Jesu nicht nur „Komm!“, sondern sie folgen auch der Auf­forderung: „Wen dürstet, der komme!“ Denn das ist doch klar: Wenn jemand am Verdursten ist, dann geht er auf die Suche nach Wasser – bis er an eine Stelle kommt, wo er seinen Durst stillen kann. Wenn wir Durst haben nach Gott und seiner Liebe, wenn wir Durst haben nach Frieden und erfülltem Leben, dann sollten wir uns aufmachen und zu der Quelle kommen, wo Jesus uns mit seiner Botschaft lebendiges Wasser zu trinken gibt. „Wen dürstet, der komme; und wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst.“ Über das Wasser des Lebens werde ich morgen noch mehr sagen, denn dann werde ich die neue Jahreslosung auslegen, die ganz ähnlich lautet: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst“ (Offenbarung 21,6).

Christen sehnen sich nach dem Kommen ihres Bräutigams, und Christen kommen oft und gern dahin, wo sie jetzt schon seine Leben spendende Botschaft hören und im Heiligen Abendmahl sogar sehen und schmecken können. Leider sind es immer weniger Menschen in unserem Land, die das tun. Ich habe manchmal den Eindruck, dass die Schere von Gläubigen und Ungläubigen immer weiter auseinander geht, auch in unserer Gemeinde: Nur wenige leben bewusst auf das Wiederkommen des Herrn zu; nur wenige kommen regelmäßig, fleißig und gern zum Gottes­dienst; nur wenige freuen sich über das „Wasser des Lebens“, das sie hier im Gottesdienst mit Jesu Botschaft im Wort der Bibel sowie auch im Heiligen Abendmahl empfangen; aber diese Wenigen kommen mit immer größerer Freudigkeit. Diejenigen jedoch, die bisher schon wenig gekommen sind, kommen immer seltener und scheinen sich vom Herrn immer mehr zu entfernen.

Lasst uns das am letzten Tag des Jahres eine Mahnung sein, gerade auch dann, wenn wir uns für die Treuen halten! Denn auch die Treuen werden immer wieder angefochten, die Dinge dieser Welt ernster zu nehmen als den Bräutigam Jesus Christus und sein Wiederkommen – sowohl die Freuden als auch die Leiden, die mit dem Leben in dieser Welt einhergehen. Und ebenso sind auch Treuen angefochten, nachlässig zu werden im Gebet, im Gotteslob und in der gottes­dienstlichen Gemein­schaft. Wo wir Anzeichen dafür erkennen, lasst uns das jetzt in die Beichte bringen. Und dann lasst uns aufs Neue fröhlich trinken vom Wasser des Lebens. Jesus schenkt es nicht zuletzt auch durch den Zuspruch der Sünden­vergebung allen, die durstig zu ihm kommen. Beichten und die Vergebung der Sünde empfangen – das ist die beste Weise, um das alte Jahr zu beenden und in ein neues zu gehen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

SOLI DEO GLORIA!

PREDIGTKASTEN

►  Startseite

►  Impressum