Elia, Johannes und Jesus

Predigt über Matthäus 17,10-13 zum 3. Advent

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Als Pastor freue ich mich immer, wenn jemand mit einer theo­logischen Frage kommt. Nicht zuletzt auch dazu bin ich ja ausgebildet und berufen worden, dass ich bei theo­logischen Fragen weiterhelfen soll. Zum eben gehörten Predigttext könnte ein interes­sierter Bibelleser die folgende Frage stellen: Jesus macht seinen Jüngern hier klar, dass Johannes der Täufer der zurück­gekehrte Prophet Elia war. Im Johannes­evangelium aber steht, dass Johannes der Täufer dies ausdrücklich abstritt (Joh. 1,21). Wie passt das zusammen? Der dritte Advents­sonntag nimmt mit seiner Evangeliums­lesung besonders Johannes den Täufer in den Blick, den Vorläufer und Wegbereiter des Herrn Jesus. Darum passt es gut zum heutigen Sonntag, einmal dieser Frage nachzugehen: Was verbindet eigentlich den alten Propheten Elia mit Johannes dem Täufer, und was haben beide mit dem Kommen von Jesus zu tun?

Elia lebte etwa 800 Jahre vor Christi Geburt und gehört damit zu den ältesten Propheten der Bibel. Zu seiner Zeit war schlimmer Götzendienst in Israel eingerissen. Elia predigte wortgewaltig dagegen an und rief die Menschen zur Umkehr. Damit hatte er jedoch nur geringen Erfolg. Das machte ihn am Ende ziemlich nieder­geschlagen. Gott tröstete Elia und machte ihm ein besonderes Geschenk: Er ersparte Elia die Ängste und Schmerzen des Sterbens, er entrückte ihn durch ein Wunder direkt in den Himmel.

Der letzte Prophet des Alten Testaments heißt Maleachi. Er war es, der den Vorläufer des Erlösers weissagte. Gott kündigte durch Maleachi an: „Siehe, ich will meinen Boten senden, der vor mir her den Weg bereiten soll“ (Mal. 3,1). Natürlich ist damit Johannes der Täufer gemeint. Und noch eine andere Prophezeiung finden wir bei Maleachi: „Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des Herrn kommt“ (Mal. 3,23). Vom Wort Jesu in unserem heutigen Predigttext her müssen wir sagen: Auch damit ist Johannes der Täufer gemeint. Beide Maleachi-Weissagungen beziehen sich auf diesen einen Wegbereiter des Messias. Wie nun die zweite Weissagung mit dem alten Propheten Elia zusammen­hängt, dazu komme ich gleich noch.

Zunächst einmal wollen wir wieder staunen über Gottes geniale Heils­geschichte; auch das ist ja ein Schwerpunkt­thema im Advent. Über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg verfolgt Gott sein Ziel, den Erlöser aller Menschen zu Welt kommen zu lassen. Dabei bezieht er besonders sein auserwähltes Volk Israel, dessen Geschichte und dessen Propheten ein. Vor achtzig Jahren haben National­sozialisten versucht, dies zu bestreiten und das Alte Testament abzuwerten, weil sie dem Volk Israel jede Ehre nehmen wollten. Heute versuchen historisch-kritisch eingestellte Theologen, die enge Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament zu leugnen und aus Gottes einem Heilsweg für Juden und Christen zwei verschiedene Heilswege zu machen. Beides ist falsch und gefährlich, denn beides leugnet Gottes langen Atem und die Kontinuität seiner Heils­geschichte. Es sollte uns nicht irritieren, dass examinierte Fach­theologen solches lehren beziehungs­weise lehrten. Die Theologie ist keine Geheim­wissen­schaft, und der aufgeweckte Bibelleser, der die Heilige Schrift als Gottes Wort ernst nimmt, kann auch ohne Fach­theologie feststellen, wo bei diesen und anderen fach­theolo­gischen Äußerungen der Wurm drin ist.

Wenden wir uns nun den Fach­theologen zur Zeit Jesu zu. Viele jüdische Schrift­gelehrte waren aufgrund der zweiten Maleachi-Weissagung der Meinung, dass Gott den Propheten Elia wieder leibhaftig zur Erde zurück­schicken werde; schließlich sei er ja nicht gestorben, sondern lebendig in den Himmel entrückt worden. Außerdem vertraten sie die Auffassung, dass dies geschehen müsse, bevor der versprochene Erlöser kommt. Diese Meinung war zu Jesu Zeit weit verbreitet.

Wir springen nun genau in diese Zeit und kommen vom Propheten Maleachi zum Priester Zacharias. Als er im Tempel seinen Dienst tat, erschien ihm ein Engel und teilte ihm mit, dass er mit seiner Frau einen Sohn bekommen würde; Johannes sollten sie ihn nennen. Das war der spätere Johannes der Täufer. Für uns ist nun besonders ein Satz interessant, den der Engel damals über Johannes sagte: „Er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias…“ (Lukas 1,16‑17). Die Deutung, die uns Gottes Engel liefert, ist den irrigen fach­theo­logischen Meinungen alter und neuer Schrift­gelehrter natürlich vorzuziehen: Johannes der Täufer wird im Geist und in der Kraft des Propheten Elia dem Messias vorangehen. Johannes ist nicht der leibhaft zurück­gekehrte Elia, aber er wird im Geist des Elia die Menschen zur Buße rufen und wird das ebenso wortgewaltig tun wie einst dieser berühmte Prophet. Mit anderen Worten: Johannes und Elia sind nicht ein und dieselbe Person, aber sie sind sich in ihrem Auftrag und Auftreten sehr ähnlich. Auf diese Weise hat Johannes beide Maleachi-Weissagungen erfüllt: Er ist der Vorläufer des Herrn und er ist dabei gewisser­maßen Gottes „Neuauflage“ des Propheten Elias.

Als Johannes dann am Jordan wortgewaltig predigte, taufte und berühmt wurde, schickte der jüdische Hohe Rat aus Jerusalem eine Abordnung zu ihm. Sie sollte heraus­finden, mit welcher Vollmacht Johannes auftritt. Diesen Schrift­gelehrten teilte Johannes sehr bescheiden und sehr wahrhaftig mit, dass er weder der Messias noch der zurück­gekehrte Prophet Elia ist, sondern nur eine Stimme in der Wüste und Wegbereiter des Messias. Damit wies er die falschen Erwartungen der damaligen Fach­theologen zurück. Die meinten nun allerdings, sie müssten immer noch auf den Elia warten, danach erst würde der Messias kommen. Das war sicher mit ein Grund, warum sie Jesus nicht als Messias anerkannten. Wir merken: Auch wenn man Gottes Wort in der Bibel ganz ernst nimmt, kann es geschehen, dass man es miss­versteht; deshalb sollte jeder Christ sein Leben lang lernbereit bleiben. Auch Martin Luther hat an seinem Lebensende deutlich gemacht, dass man beim Verstehen und Auslegen der Heiligen Schrift niemals auslernt.

Und nun kommen wir endlich zu unserem Predigttext. Das Gespräch zwischen Jesus und drei Jüngern schloss sich unmittelbar an das Erlebnis an, wo Jesus auf einem Berg mit Mose und Elia redete und in über­irdischem Glanz erstahlte. Da wird den Jüngern die Sache mit der Elia-Weissagung eingefallen sein sowie auch die Ansicht der Schrift­gelehrten, dass der Messias noch nicht kommen kann, weil Elia noch nicht wieder­gekommen ist. So wenden sie sich an Jesus mit der theo­logischen Frage: „Warum sagen denn die Schrift­gelehrten, zuerst müsse Elia kommen?“ Jesus antwortet ihnen: „Elia soll freilich kommen und alles zurecht­bringen.“ Damit meint er: Tatsächlich muss zuvor der Wegbereiter in Erscheinung treten, den Maleachi geweissagt hat und der im Geist und in der Kraft Elias auftritt. Aber dann fährt Jesus fort: „Elia ist schon gekommen, aber sie haben ihn nicht erkannt, sondern haben mit ihm getan, was sie wollten.“ Da merken die drei Jünger: Jesus redet von Johannes dem Täufer. Zu dieser Zeit nämlich war der bereits ins Gefängnis geworfen und dort ermordet worden. Er wurde wegen seiner Bußpredigt verfolgt wie Elia und viele andere Propheten vor ihm, und er musste dieses Zeugnis schließlich mit dem Leben bezahlen. Auch das gehörte zu seinem göttlichen Auftrag, auch darin war er Prophet und Wegbereiter des Herrn, denn auch Jesus selbst hat sein Zeugnis für die Wahrheit letztlich mit dem Leben bezahlt – und gerade so die Menschheit erlöst. Darum fügt Jesus seinem Wort über Johannes den Satz an: „So wird auch der Menschensohn durch sie leiden müssen.“

Was Jesus hier über Johannes und Elia lehrt, ist eigentlich eine Wieder­holung. Schon als Johannes noch lebte, hat Jesus ihnen gezeigt, dass Johannes sein Wegbereiter ist, wie Maleachi es geweissagt hat; wir haben davon in der heutigen Evangeliums­lesung gehört. In derselben Rede hat Jesus etwas später gesagt: „Wenn ihr’s annehmen wollt: Er ist Elia, der da kommen soll“ (Matth. 11,14). Den Vorsatz dürfen wir dabei nicht überhören: „Wenn ihr’s annehmen wollt…“ Noch einmal: Johannes der Täufer ist nicht der leibhaft vom Himmel zurück­gekehrte Prophet Elia, sondern er tritt als eigen­ständiger Prophet im Geist und in der Kraft Elias auf; er ist also nur in gewisser Hinsicht Elia, „wenn ihr’s annehmen wollt“. Genau das hat Jesus nach dem Tod des Johannes dann bestätigt, als er sagte: „Elia ist schon gekommen.“

Liebe Brüder und Schwestern, es ist gut, wenn wir theologische Fragen stellen und dabei offen sind, unsere Meinungen über bestimmte biblische Sachverhalte in Frage zu stellen. Das gilt für Fach­theologen ebenso wie für jeden geistig regen Christen. Es ist dabei keineswegs so, dass die sogenannten Laien immer nur die Fragen haben und die Fach­theologen immer nur die richtigen Antworten. Wir müssen vielmehr feststellen, dass beide Gruppen Jünger sind, also Lehrlinge, Schüler, Lernende, und deswegen auch immer wieder Irrende. Aber wir haben denselben Lehrmeister, den die Jünger damals auch hatten: unsern Herrn Jesus Christus. Sein Wort in der Heiligen Schrift und sein Heiliger Geist öffnen uns immer wieder neu das Verständnis für Gottes Weg und Willen. Dabei ist die geistige Mitte der Erkenntnis stets unser Heil in Jesus Christus, das Gott schon seit alters vorbereitet und geweissagt hat und das er durch Jahrhunderte und Jahrtausende hindurch treu ans Ziel bringt. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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