Ans Ziel kommen

Predigt über Offenbarung 22,8-15 zum Ewigkeitssonntag

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Stellt euch das einmal vor: Eine Pflanze wird entdeckt, deren Wirkstoff die Lebens­erwartung beliebig verlängert. Wieviel Geld könnte die Pharma­industrie mit diesem Wirkstoff verdienen! Welche Apotheke wollte diese Medizin nicht in ihrem Angebot haben! Und wieviele Menschen würden höchste Preise bezahlen, um in den Besitz dieses Mittels zu kommen! Denn mit ihm würde man ja ewig leben können.

Dieses Mittel hat es tatsächlich einmal gegeben, und die Pflanze auch: ganz am Anfang der Menschheits­geschichte, im Garten Eden. Das erste Buch in der Bibel berichtet davon. Die Pflanze hieß „Baum des Lebens“, und der Wirkstoff steckte in seinen Früchten. Als sich die Menschen dann gegen Gott entschieden, warf Gott sie aus dem Garten Eden hinaus und verweigerte ihnen die Wieder­einreise. Seitdem kann niemand mehr vom Baum des Lebens essen, und seitdem sind wir Menschen sterblich. Aber im letzten Buch der Bibel, im letzten Kapitel, taucht der Baum des Lebens wieder auf. Lasst uns diese Selig­preisung noch einmal hören: „Selig sind, die ihre Kleider waschen, dass sie teilhaben an dem Baum des Lebens und zu den Toren hineingehen in die Stadt.“ Mit der „Stadt“ ist das neue Jerusalem gemeint, das neue Paradies, Gottes neue Welt. Von diesem herrlichen Zukunftsort heißt es wenige Sätze vorher, dass es da in der Mitte einen Platz gibt, und „mitten auf dem Platz … Bäume des Lebens, die tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“ (Offenbarung 22,2). Dort wird es sie also wieder geben, diese Medizin gegen die Sterblich­keit aus dem Wirkstoff der Bäume des Lebens, sodass dort niemand mehr zu sterben braucht.

So spannt sich ein großer Bogen vom Anfang der Bibel bis zu ihrem Ende und vom Beginn der Welt bis zu ihrem Ziel. Gott aber hält diesen Beginn und dieses Ziel in seinen Händen, und sein eingeborener Sohn bezeugt im letzten Kapitel der Offenbarung: „Ich bin das A und O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende.“ Das „O“ steht hier für den griechischen Buchstaben Omega, den letzten im griechischen Alphabet. Wir können die Buchstaben Alpha und Omega als Christus­symbol in vielen Kirchen entdecken. Christus hat dafür gesorgt, dass die Vertreibung aus dem Paradies nicht endgültig ist, sondern dass sich zwischen dem Anfang und dem Ende eine wunderbare Heils­geschichte erstreckt. Da hat er die Erlösung der gefallenen Menschheit erst durch sein auserwähltes Volk Israel vorbereitet, dann durch seinen Kreuzestod vollbracht und schließlich durch seinen Geist auf der ganzen Welt verbreitet. Heute stehen wir kurz vor dem Ziel dieses langen Weges. Dreimal ruft der Auf­erstandene es uns in diesem letzten Kapitel der Bibel zu: „Siehe, ich komme bald.“

Dieses Kapitel ist zugleich auch der Abschluss der Offenbarung des Johannes, des letzten Buches der Bibel. Christus hatte dem Apostel Johannes mit vielen, teilweise kaum verständ­lichen Bildern gezeigt, wie die alte Welt unter mancherlei Schrecken untergehen und Gottes neue Welt erscheinen wird. Und Johannes hat alles treu auf­geschrieben. Am Ende bezeugt er: „Ich, Johannes, bin es, der dies gehört und gesehen hat.“ Sein Zeugnis von dieser Offenbarung zukünftiger Dinge ist ebenso verlässlich wie sein Zeugnis von den Tagen, als er mit Jesus mitgegangen war, als er ihn sterben sah und als er danach dem Auf­erstandenen begegnete. Im ersten Johannes­brief schreibt er: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch“ (1. Joh. 1,3). Johannes ist einer der zwölf Apostel, der zwölf Augenzeugen des Herrn. Zusammen mit den Propheten gehören sie zu der „Wolke der Zeugen“, nämlich der Direkt­zeugen, die unmittelbar etwas mit Gott erlebt haben, die seine Stimme gehört und seine Wunder gesehen haben. Es ist nicht so wie beim Koran, wo ein einziger selbst­ernannter Zeuge, nämlich Mohammed, exklusiv den letzten Willen Allahs gehört und empfangen haben will. Die Bibel und damit auch unser Glaube gründen sich auf das unabhängige Zeugnis vieler Augen‑ und Ohrenzeugen, und Johannes ist einer von ihnen.

Gott stellte dem Johannes in seiner Vision eine Art Fremden­führer zur Seite, einen Engel, der ihm vieles erklärt hat. Beinahe hätte Johannes diesen Gottesboten angebetet, aber der wehrte das ab und meinte: „Tu es nicht! Denn ich bin dein Mitknecht und der Mitknecht deiner Brüder, der Propheten, und derer, die bewahren die Worte dieses Buches. Bete Gott an!“ Da merken wir, dass Engel und Apostel und Propheten und auch wir einfachen Christen eines gemeinsam haben: Wir sind Diener Gottes und beten ihn gemeinsam an. Unter­einander sollen wir uns aber nicht anbeten, denn das wäre Götzen­dienst. Das bedeutet: Wir sollen weder lebende noch verstorbene Personen vergöttern, auch keine Engel, denn dem dreieinigen Gott allein gebührt alle Ehre.

Der himmlische „Mitknecht“ trägt dem Johannes nun abschließend im Namen Gottes auf: „Versiegle nicht die Worte der Weissagung in diesem Buch, denn die Zeit ist nahe!“ Wer das Alte Testament kennt, der weiß, dass Gott dem Propheten Daniel ähnliche Visionen gezeigt hatte wie dem Johannes; dem Daniel aber wurde befohlen, dass er seine Auf­zeichnungen darüber zunächst versiegeln, also geheim halten soll. Auch Jesus hatte seinen Jüngern zunächst befohlen, nichts weiter­zuerzählen von den Wundern, die sie mit ihm erlebt hatten. Das änderte sich nach seiner Auferstehung von den Toten. Er hatte ihnen das schon frühzeitig angekündigt: „Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht; und was euch gesagt wird in das Ohr, das predigt auf den Dächern“ (Matth. 10,27). Als Jesus dann auferstanden war, gen Himmel fuhr und den Geist sandte, da brach dieser letzte Abschnitt der Erdenzeit an. Der Hebräerbrief stellt fest: „Nachdem Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet hat zu den Vätern durch die Propheten, hatt er in diesen letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn“ (Hebr. 1,1). Jetzt, wo das Heilswerk des Sohnes vollbracht ist, soll nichts mehr von Gottes Wort verborgen bleiben für eine fernere Zukunft. Jetzt gibt es keine göttlichen Geheim­botschaften mehr, jetzt kommt alles auf den Tisch. Darum die Auf­forderung: „Versiegle nicht die Worte!“ Auch wir sollten uns davor hüten, unsern Glauben als Privatsache anzusehen und ihn unter Datenschutz zu stellen. Dass Jesus unser Erlöser ist, dass wir ihm nachfolgen und uns auf seine zukünftige Welt freuen, das dürfen und sollen die Leute um uns herum ruhig wissen. „Versiegle nicht!“

Dann folgt ein ernstes und irri­tierendes Wort: „Wer Böses tut, der tue weiterhin Böses, und wer unrein ist, der sei weiterhin unrein…“ Grund­sätzlich möchte Gott natürlich, dass alle Menschen Buße tun und selig werden, und er lädt darum auch ausnahmslos alle durch das Evangelium von Jesus Christus in sein Reich ein. Wer sich dieser Einladung aber beharrlich widersetzt, wer seine Ohren vor Gottes Wort hartnäckig verstopft und sein Leben nicht ändern will, bei dem kommt irgendwann der Zeitpunkt, wo Umkehr nicht mehr möglich ist. Die Flieger sprechen von einem „point of no return“ und meinen damit den Punkt, wenn ein Flugzeug seinen Start nicht mehr abbrechen kann. Die Bibel nennt es schlicht „Ver­stockung“ und hält auch einige warnende Beispiele dafür parat. Darum sollte niemand seine Umkehr hinaus­zögern, wenn Gottes Wort ihn trifft, sonst wird Gottes Gericht zum Strafgericht für ihn werden.

Auf der anderen Seite heißt es: „Wer gerecht ist, der übe weiterhin Gerechtig­keit, und wer heilig ist, der sei weiterhin heilig.“ Wir, die wir Jesus unsern Heiland nennen, sollen an diesem Glauben bis ans Lebensende festhalten – trotz aller äußeren und inneren An­fechtungen, die ihn immer wieder in Frage stellten. Dann brauchen wir vor Gottes Gericht am Ende der Zeit keine Angst zu haben. Zwar werden wir da nach unseren Werken beurteilt werden, wie Christus selbst bis hin zu diesem letzten Kapitel der Bibel bezeugt: „Siehe, ich komme bald und mein Lohn mit mir, einem jeden zu geben, wie seine Werke sind.“ Aber wer durch das Bad der Wiedergeburt und die Vergebung der Sünden rein geworden ist, dem wird im Gericht auch nicht die kleinste Schuld anhängen, denn Christus hat ja alles für uns abgebüßt. Darum heißt es weiter: „Selig sind, die ihre Kleider waschen“, die also in Gottes Augen ganz rein werden durch die heilige Taufe und den Glauben an Jesus. Und dann folgt die herrliche Aussicht auf das himmlische Jerusalem, das Ziel unserer Erlösung: „… dass sie teilhaben an dem Baum des Lebens und zu den Toren hineingehen in die Stadt.“

Stellt es euch noch einmal vor: Eine Pflanze wird entdeckt, deren Wirkstoff das menschliche Leben beliebig verlängert. Was würden wir nicht alles tun, um dieses Medikament zu bekommen! Aber eigentlich haben wir solche Medizin ja schon. Sie ist nicht billig, sie ist nicht teuer, sie kostet gar nichts: Sie ist umsonst, gratis, „aus Gnaden“. Diese Medizin heißt Christi Blut und Gerechtig­keit, und wir bekommen sie immer wieder durch das Evangelium sowie auch im Heiligen Abendmahl geschenkt. Ja, selig sind wir, dass wir einen so barmherzigen Gott haben! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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