Mit Jesus satt werden und satt machen

Predigt über Matthäus 14,13-21 zum 7. Sonntag nach Trinitatis

Nichts wie weg hier!, sagen die zwölf Männer, steigen mit Jesus ins Boot und rudern aus Leibes­kräften. Sie wollen in die einsame Gegend an der Ostseite des Sees. Dort sind sie vor den Soldaten des Königs Herodes einigermaßen sicher. Gerade haben sie erfahren, dass Herodes Johannes den Täufer geköpft hat, einfach so, bei seiner Geburtstags­feier, aus einer Weinlaune heraus. Die Jünger rudern um ihr Leben und um das Leben ihres Meisters. Außerdem meinen sie, dass ihm eine Auszeit guttun wird. Ununter­brochen von hilfe­suchenden Menschen bedrängt werden, das hält niemand lange aus. Dort, am einsamen Ufer, werden sie Zeit haben, um in Ruhe zu beten und um miteinander zu reden.

Auch eine andere Gruppe hat es eilig, eine viel größere Gruppe: Etwa fünftausend Männer machen sich auf den Weg und folgen Jesus. Einige Frauen und Kinder kommen mit. Irgendjemand hat heraus­gefunden, wohin Jesus und seine Jünger unterwegs sind. Dorthin wollen sie nun auch – aber zu Fuß, auf dem Landweg. Sie haben es ebenfalls eilig, denn sie erwarten Segen und Heilung von Jesus. Sie sind sogar schneller als die Jünger: Noch vor dem Boot treffen sie am anderen Ufer ein und empfangen Jesus dort. Aus ist es mit seiner Ruhe und Einsamkeit!

Liebe Brüder und Schwestern in Christus, welcher der beiden Gruppen wollen wir uns anschließen: den Jüngern oder den Hilfe­suchenden; den Zwölfen oder den Fünftausend? Eine Entscheidung könnte schwer fallen. Aber wir brauchen uns ja gar nicht zu entscheiden: Wir schließen uns einfach beiden Gruppen an. Denn so ist doch das Christen­leben: Auf der einen Seite kommen wir immer wieder hilfesuchend und trost­bedürftig zu Jesus, auf der anderen Seite folgen wir ihm nach, um von ihm zu lernen und mit ihm Gottes Reich zu bauen.

Ja, immer wieder neu sind wir auf der Suche nach Gottes Hilfe und Trost. Wir finden, dass Christus manchmal sehr schweigsam ist und sehr weit weg. Mitunter sind auch wir unsererseits schweigsam und weit weg: Wir beten dann wenig und sind mit den Gedanken kaum bei der Sache. Wir werden so in Anspruch genommen von den An­forderungen und Sorgen unseres Alltags, dass wir Gott vergessen. Immer, wenn uns das bewusst wird, sollten wir uns auf den Weg machen, um Jesus neu aufzusuchen, so wie die Fünftausend damals. Dann aber sollten wir auch danach trachten, immer in seiner Nähe zu bleiben und uns selbst in schwierigen Situationen zu ihm zu halten – so wie die Zwölf damals.

Als die Jünger die Menschen­massen am Ufer warten sehen, hätten sie die natürlich fortschicken können. Sie hätten sagen können: Der Meister braucht jetzt mal ein bisschen Ruhe; kommt ein andermal wieder, wir haben jetzt geschlossen. Das tun sie aber nicht. Jesus will das nicht. Die vielen ver­zweifelten Leute tun ihm nämlich leid. Darum ändert er seinen Plan und widmet sich diesen Menschen. Er tröstet, er heilt, er erzählt Geschichten vom herrlichen Reich seines Vaters. So vergehen die Stunden wie im Flug. Die Sonne steht schon tief über dem See; bald wird es dunkel sein. Die Jünger machen sich Sorgen und wenden sich an Jesus: Meister, du musst die Leute jetzt wegschicken, sonst sitzen wir hier alle über Nacht fest an diesem verlassenen Ort. Und sie geben zu bedenken: Die haben den ganzen Tag nichts gegessen; wenn du jetzt Schluss machst, haben sie noch Zeit, sich in den nächsten Dörfern mit Essen zu versorgen. Jesus aber blickt seine Jünger an und sagt zu ihnen: „Gebt ihr ihnen zu essen!“

Liebe Brüder und Schwestern, es geht in diesem Bericht nicht nur um knurrende Mägen. Das Brot, das Haupt­nahrungs­mittel der damaligen Zeit, ist zugleich Sinnbild für alles, was der Mensch zum Leben braucht. Das gilt nicht nur fürs tägliche Brot und fürs Erdenleben, sondern das gilt auch fürs Lebensbrot und fürs ewige Leben. In beiderlei Hinsicht gilt: Jesus schickt niemanden hungrig weg, Jesus lässt niemanden im Stich. Er sagt zu niemandem: Sieh du selber zu, wie du mit deinem Leben klar kommst; ich habe jetzt Feierabend. Wenn wir uns also unter den Fünftausend sehen, dann können wir ganz beruhigt sein: Jesus wird uns schon rechtzeitig satt bekommen. Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen – weder um unsere Versorgung mit allem Lebens­notwendigen noch um ausreichende Nahrung für die Seele. Jesus wird alles tun, um unser Leben zu erhalten – noch ein paar Jahre oder Jahrzehnte in dieser Welt, danach für immer in der ewigen Welt.

Aber wie macht er das – unter äußeren Umständen, die das manchmal ziemlich aussichtslos erscheinen lassen? Offen­sichtlich will er kein Manna mehr vom Himmel regnen lassen, so wie Gott es damals bei den Israeliten in der Wüste tat. Nein, Jesus verfolgt eine andere Strategie. Er will seine Jünger in sein Handeln einbeziehen und sagt ihnen deshalb: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Diese Aufforderung gilt auch uns; sie gilt der ganzen christlichen Kirche. Christen aller Zeiten sind auf­gefordert, den Menschen das zu geben, was sie zum Leben brauchen: Tägliches Brot, Zuwendung, Nächsten­liebe und nicht zuletzt auch das Zeugnis vom Lebensbrot Jesus Christus. Jesus könnte das alles auch ohne uns tun, aber er fordert uns zum Mittun heraus. Als Jünger sind wir also aufgefordert und heraus­gefordert, den Menschen zu dienen. Allerdings fühlen wir uns dabei oft genug überfordert – so wie die Zwölf damals.

Die zwölf Jünger sagen zu Jesus: „Wir haben hier nichts als fünf Brote und zwei Fische.“ Lächerlich wenig – für fünftausend hungrige Männer plus viele hungrige Frauen und Kinder plus zwölf hungrige Jünger plus ein hungriger Jesus. Keiner kann sich vorstellen, wie man so viele Leute mit so wenig einigermaßen satt bekommen kann. Aber Jesus weiß es, und das ist das Ent­scheidende. Wichtig ist es also, auf Jesus zu hören. Er fordert die Leute auf, sich zu lagern, und lässt dann die fünf Brote und zwei Fische zu sich bringen. Es ist von großer Bedeutung, dass das Brot durch seine Hände geht, denn nur durch ihn kann es zum Segen werden. Der Segen aber kommt letztlich von oben, vom himmlischen Vater; darum blickt Jesus zum Himmel auf und spricht ein Dankgebet. Danach bricht er Stücke von den Brotfladen ab und gibt sie den Jüngern, damit sie sie an die Leute weiter­reichen. Auch die getrockneten Fische zerteilt er und lässt sie austeilen. Da geschieht das Wunder: Alle bekommen etwas ab, alle werden satt! Sie werden so satt, dass sogar noch eine ganze Menge übrig bleibt; die Reste füllen zwölf Körbe.

Liebe Brüder und Schwestern, noch immer dürfen wir staunen über dieses Wunder, auch wenn es altbekannt ist. Wir können es uns kaum vorstellen, wie das damals geschah, aber das brauchen wir auch gar nicht. Denn das Wichtigste ist nicht das Wunder selbst, sondern der, der es bewirkt hat: der Gottessohn – im Aufschauen zu seinem himmlischen Vater. Und indem wir staunen, schließen wir uns wieder den beiden Gruppen an, den Fünftausend und den Zwölf.

Unter den Fünftausend erfahren wir, dass Gott uns versorgt und beschenkt. Er tut es oftmals gegen den Augenschein, also gegen all unsere Sorgen und Be­fürchtungen. Er tut es meistens nicht so, dass er uns direkt vom Himmel herab etwas zukommen lässt, sondern vielmehr so, dass er andere Menschen in seinen Dienst nimmt, um uns zu helfen. Das können Mitchristen sein oder Ärzte oder einfach nur hilfreiche Mitmenschen, die im richtigen Moment für uns da sind. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die Hilfe letztlich von oben her kommt, vom himmlischen Vater, und dass sie uns durch Jesus erreicht, der uns die Liebe des Vaters offenbart hat. Wenn wir das nicht vergessen, dann werden wir reichlich Dankgebete sprechen, nicht zuletzt auch Tischgebete zu unseren Mahlzeiten, wie Jesus damals. Wir tun das gewohnheits­mäßig oft so, dass sich dabei unsere Köpfe nach unten neigen und wir die Augen geschlossen halten. Aber wenigstens unsere innere Einstellung sollte sich am Vorbild Jesu orientieren: Er hatte die Augen offen und schaute nach oben, als er dem himmlischen Vater für das Brot und den Fisch dankte.

Wenn wir uns in Gedanken unter die Zwölf mischen, dann sind wir mitberufen, Gottes gute Gaben austeilen zu helfen. Dabei muss nicht jeder alles tun, denn wir sind ja eine Gemein­schaft, ein Team von Jüngern. Jesus erwartet auch nicht, dass wir mehr austeilen, als wir haben. Nein, nur das, was wir von ihm empfangen haben, sollen wir weiter­reichen – aber das reicht aus. Christen haben verschiedene Gaben empfangen: Einer kann trösten, ein Zweiter kann organi­sieren, ein Dritter kann in Not­situationen einen klaren Kopf behalten, ein Vierter kann die Bibel erklären, ein Fünfter kann viel Geld spenden, ein Sechster kann Gäste bewirten… Aber immer kommt es vom Herren, und immer soll es den Menschen dienen und dazu beitragen, dass sie satt werden an Leib und Seele.

Zwei Gruppen sind uns im heutigen Predigttext begegnet: die fünftausend Männer, die bei Jesus Hilfe erfahren und satt werden, und die zwölf Jünger, die Jesus dabei mithelfen, andere satt zu machen. Zu beiden Gruppen gehören auch wir. Wir sind von Jesus gerufen, andere mit seinen Gaben satt zu machen, und wir sind eingeladen, selber bei ihm satt zu werden in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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