Wenn Menschen Jesus verleumden

Predigt über Matthäus 12,22-30 in einer Passionsandacht

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Wenn mich jemand einen Nazi nennen und mit Adolf Hitler vergleichen würde, dann wäre das eine schlimme Verleumdung. Ich könnte ihn deswegen anzeigen und würde vor Gericht vermutlich Recht bekommen. Ich könnte mir auch sagen: Der ist nicht ganz bei Trost!, mich von ihm abwenden und die Verleumdung einfach ignorieren. Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit, freilich die schwerste: Ich könnte auf den Verleumder zugehen und mich sachlich mit ihm auseinandersetzen.

Diese dritte Möglichkeit wählte Jesus, als man ihn böse verleumdete. Natürlich verglich man ihn nicht mit Hitler und den Nazis, aber man verleumdete ihn noch viel schlimmer: Einige Pharisäer behaupteten, dass er mit dem Teufel im Bund steht. Führen wir uns die ganze Geschichte vor Augen! Ein schwer behinderter Mann wurde zu Jesus gebracht. Er konnte nicht sehen und auch nicht reden. Damals wusste man besser als heute, dass so eine Behinderung nicht nur eine medizinisch-naturwissenschaftliche Dimension hat, sondern auch eine geistliche: Der Teufel benutzte diese Gebrechen, um den Mann zu quälen; darum nennt die Bibel ihn einen „Besessenen“. Jesus wandte sich dem Mann liebevoll zu und machte ihn gesund. Die Leute, die das miterlebten, waren über die Maßen erstaunt: Plötzlich kann der Mann sehen, und er redet auch ganz normal! Viele von ihnen hielten nun ernsthaft für möglich, was bisher nur als unbestimmtes Gerücht über Jesus kursierte: Ob er wohl der Davidssohn ist, der Erlöser, den Gott durch seine Propheten angekündigt hat?

Dann kamen die Pharisäer ins Spiel. Sie konnten Jesus nicht leiden und hielten ihn für einen gottlosen Menschen. Es lag ihnen schwer im Magen, dass immer mehr Menschen ihn für den Messias hielten. Sie meinten, es sei ihre Pflicht, derartigen Gerüchten energisch zu widersprechen. Dabei griffen sie zu einem Mittel, das noch heute äußerst beliebt ist: Sie verleumdeten Jesus. Sie sagten: „Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebul, ihren Obersten.“ „Beelzebul“ nannte man damals den Chef aller Dämonen; es ist ein anderer Name für Satan. Die Pharisäer behaupteten also: Jesus ist ein Agent des Teufels und tut nur durch dessen Macht so beeindruckende Wunder.

Jesus hätte sich gegen diese schlimme Verleumdung wehren können. Zwar gab es damals kein Gericht, das eine solche Klage zugelassen hätte, aber er hätte ja ein Strafwunder tun können: Der Erdboden hätte sich auftun und diese lästerlichen Pharisäer verschlingen können. Das hat Jesus nicht getan; er hat überhaupt niemals Menschen durch seine Wunderkraft bestraft. Oder Jesus hätte das Gerede der Pharisäer einfach ignorieren können; seine Taten sprachen ja für sich, und viele glaubten an ihn. Aber Jesus entschied sich für den dritten Weg, den schwersten: Er wandte sich den Pharisäern zu und setzt sich sachlich mit ihrem ungeheuren Vorwurf auseinander.

Jesus nannte den Pharisäern gleich mehrere Argumente, die ihre Behauptung entkräfteten. Erstens: Wenn er im Namen des Teufels einen Besessenen heilen würde, dann würde der Teufel damit ja seine eigenen Untergebenen bekämpfen, die Dämonen nämlich, die den Behinderten gequält haben. Eine Gemeinschaft, die so zerstritten wäre, hätte nach außen keinerlei Macht und Bedeutung. Zweitens: Die Jünger der Pharisäer führen selbst rituelle Teufelsaustreibungen durch. Könnte man da nicht jedes Mal, wenn sie Erfolg haben, ebenfalls behaupten, dass sie die bösen Geister mit Beelzebul austreiben? Drittens: Jesus treibt die bösen Geister ausdrücklich durch Gottes Geist aus und zeigt damit, dass Gott durch ihn sein neues Reich aufrichtet, das Reich des neuen Bundes. Viertens: Wer einen Starken berauben will, muss ihm zunächst seine Macht nehmen. Jesus zeigt mit seinen Heilungen, dass er dem Teufel und allen bösen Geistern seine Macht nimmt, um ihm die Menschen zu rauben, die sich in seiner Gewalt befinden. Heute würden wir vielleicht sagen: Wenn Jesus Menschen aus Satans Geiselhaft befreien will, muss er zunächst ihn, den Geiselnehmer, unschädlich machen.

Jesus fügte seinen vier Argumenten noch folgenden Satz an in Richtung der Pharisäer, die ihn verleumdet hatten: „Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“ Man kann diesen Satz durchaus als Einladung an die Pharisäer verstehen, etwa in folgendem Sinn: Hört doch auf, gegen mich zu arbeiten und damit den Bau von Gottes Reich zu behindern. Vertraut mir lieber und arbeitet mit mir zusammen, denn ihr wollt doch auch selbst, dass Gottes Reich zu den Menschen kommt!

Lasst uns nun überlegen, wo wir in dieser Geschichte vorkommen. Zu Beginn der Predigt habe ich versucht, mich in Jesu Lage zu versetzen und zu überlegen, wie ich selbst auf eine schwerwiegende Verleumdung reagieren würde. Das ist natürlich nicht der Grund, warum wir diesen Bericht in Gottes Wort finden. Wir sollten uns besser an der Stelle der Pharisäer sehen – und dann auch an der Stelle des Geheilten.

Mit den Pharisäern möchten wir uns natürlich nicht gern vergleichen. Wir haben Jesus doch lieb, und wir sind weit davon entfernt, ihn zu verleumden – schon gar nicht durch so eine gotteslästerliche Verleumdung, wie die Pharisäer es getan haben. Aber egal ob Verleumdung oder nicht: Auch unter uns hat Jesus zu leiden. Auch wir haben ihn so manches Mal enttäuscht – durch unser mangelndes Vertrauen in ihn, unsere Lieblosigkeit, unseren Egoismus. Das Entscheidende beim Vergleich mit den Pharisäern liegt jedoch darin, wie Jesus auf sie reagiert. Jesus hat die Pharisäer nicht gestraft und hat sie auch nicht links liegen lassen, sondern er hat sich ihnen zugewandt und ihnen die Wahrheit bezeugt. Ebenso macht er es mit uns: Er verwirft uns nicht wegen unserer Sünde und wendet sich auch nicht von uns ab, sondern er bleibt uns zugewandt und verkündigt uns die Wahrheit des Evangeliums – immer wieder, mit großer Geduld. Dabei lädt er uns ein, ihm zu vertrauen, ihm nachzufolgen und mit ihm Gottes Reich zu bauen.

Wenn wir diese Einladung nicht ausschlagen, dann können wir uns mit dem Geheilten vergleichen. Jesus hat uns aus den Klauen des Teufels befreit und uns von unserer Sündenkrankheit geheilt; sie steht nicht mehr zwischen uns und Gott. Vorher waren wir blind für Gottes Liebe; jetzt erblicken wir mit Augen des Glaubens, was für herrliche Wunder er tut, und wir staunen darüber. Wir erkennen dabei auch, dass Jesus der versprochene Erlöser ist, der Davidssohn und der eingeborene Sohn des lebendigen Gottes. Wie Jesus uns die Augen aufgetan hat, so hat er uns auch den Mund aufgetan. Wir sind nicht mehr geistlich stumm, sondern wir loben Gott, rufen ihn an, bitten ihn um Hilfe und bekennen, dass Jesus unser Herr ist.

Gott gebe, dass wir nie mehr verstummen und dass andere Menschen unser Zeugnis hören. Denn wir wollen ja mit Jesus sammeln und sein Reich bauen. Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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