Der Segen der Gemeinschaft

Predigt über 1. Mose 2,18-25 zum 2. Sonntag nach Epiphanias

Liebe Brüder und Schwestern in Christus!

Das Freudenfest darf nicht misslingen! So denken viele, wenn sie eine besondere Feier ausrichten, zum Beispiel einen runden Geburtstag oder ein Jubiläum oder eine Hochzeit. Manchmal können die Vor­bereitungen ganz schön anstrengend sein: Essen, Getränke, Blumen, Kerzen, Tischkarten, Musik, Programm­ablauf – haben wir wirklich an alles gedacht, wird alles klappen? Das meiste klappt, aber es gibt auch immer wieder Pannen. So wie damals bei der Hochzeit in Kana: Das Fest war noch lange nicht vorbei, es trafen immer neue Gäste ein – aber plötzlich war der Wein alle. Ausgerechnet beim wichtigsten Familien­fest, beim Höhepunkt im Leben der Brautleute! Da half Jesus weiter: Das Freudenfest darf nicht misslingen, sagte er sich, und verwandelte ein paar hundert Liter Wasser in Wein. Ja, so wichtig ist unserm Herrn eine Hochzeit, der feierliche Beginn einer Ehe. Schließlich geht es da um die engste menschliche Gemeinschaft und um die älteste soziale Struktur.

Die Ehe ist so alt wie die Menschheit. Gott hat sie zusammen mit Mann und Frau geschaffen. Wie das vor sich ging, ist im 1. Buch Mose beschrieben; wir haben es eben als Predigttext gehört. Allerdings kann man mit dieser Schilderung seine Probleme haben. Viele Leute halten es nämlich schlicht für überholt, dass Gott die Frau aus Adams Rippe geschaffen hat. Andere nehmen an, dass es nicht mehr als ein nachdenkens­werter Mythos ist. Wieder andere bemühen sich darum, dem Bericht einen natur­wissenschaft­lichen Sinn ab­zugewinnen: Der von Gott gewirkte „tiefe Schlaf“ wird dann als Narkose gedeutet, die Entnahme der Rippe als chirur­gischer Eingriff und die Erschaffung Evas aus dieser Rippe als Klonen. Abgesehen davon, dass beim Klonen nur ein Zwillings­bruder Adams hätte herauskommen können und keine Eva, ist auch diese natur­wissenschaft­liche Deutung problema­tisch. Was damals genau geschah, das kann sich nämlich niemand so recht vorstellen. Dass es geschah, das steht fest, denn Jesus selbst hat auf dieses Ereignis später Bezug genommen, und nichts in der Bibel deutet darauf hin, dass es sich nur um ein Märchen oder einen Mythos handelt. Wie es aber geschah, das bleibt in gewisser Hinsicht im Dunkeln. Es ist aber auch gar nicht wichtig, sich das anschaulich vor­zustellen. Denn Gottes Wort offenbart uns die Ereignisse am Anfang der Welt nicht, um unsere natur­wissenschaft­liche und geschicht­liche Allgemein­bildung zu erweitern, sondern vielmehr, um uns auf wichtige Dinge für unser Leben aufmerksam machen.

Was sind das für wichtige Dinge? Gleich der erste Satz unseres Predigt­textes macht es klar, Gottes Feststellung nämlich: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ Man kann diesen Satz durchaus als Überschrift für das Folgende lesen.

Es geht bei diesem Alleinsein nicht um eine allgemeine Einsamkeit, sondern es geht um das Fehlen eines menschlichen Gegenübers. Allein war Adam ja gar nicht im Garten Eden, auch schon vor der Erschaffung Evas nicht: Gott war bei ihm und unterhielt sich mit ihm; auch war Adam von vielen Tieren umgeben. Der Schöpfungs­bericht beschreibt, wie Adam die Tiere nach und nach alle kennenlernt: Sie begegnen ihm, und er gibt ihnen Namen. Ein Tier nennt er Löwe, ein anderes Spatz, ein drittes Regenwurm, und so weiter. Und dann steht da der bedeutungs­volle Satz: „Aber für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden, die um ihn wäre.“ So schön es ist, wenn ein Mensch tierlieb ist: Kein Tier kann ihm das menschliche Gegenüber ersetzen. Das gilt heute ebenso wie damals. Da mag jemand noch sehr Katzen mögen oder an einem treuen Hund hängen, es kann daraus keine Gemeinschaft auf Augenhöhe werden. Manche Menschen sind so sehr von ihren Mitmenschen enttäuscht, dass sie sich von ihnen zurückziehen und lieber nur in der Gesellschaft von Tieren leben, aber die Sehnsucht nach einem wirklichen Partner bleibt dabei ungestillt. Diese Menschen sind letztlich allein, und das ist nicht gut.

Bevor wir zu Evas Erschaffung kommen, müssen wir uns mit dem Wort „Gehilfin“ befassen. Gott sagte: „Ich will ihm eine Gehilfin machen“; und es heißt: „Für den Menschen ward keine Gehilfin gefunden.“ Wir würden dieses alte luther­deutsche Wort miss­verstehen, wenn wir es im Sinne von „Dienerin“, „Magd“ oder „Hilfs­arbeiterin“ auffassten. Es geht nicht darum, dass Adam jemand fehlte, der ihm das Essen kochte und die Hemden bügelte. Es geht vielmehr um eine Person, die Adam als Gegenüber ergänzt und ihm damit zum vollen Menschsein verhilft. Es geht um gegenseitige Liebe, um gemeinsame Alltags­bewältigung und nicht zuletzt auch um den Fortbestand des menschlichen Geschlechts – entsprechend dem Schöpfungs­segen: „Seid fruchtbar und mehret euch“ (1. Mose 1,28). Der große Theologe Claus Westermann hat in seinem Kommentar über das 1. Buch Mose zu dieser Stelle geschrieben: „Alle menschliche Gemeinschaft hat ihren Kern und ihre Mitte in der Gemeinschaft von Mann und Frau.“

Gott lässt nun einen tiefen Schlaf über Adam kommen. Damit zeigt er: Die Frau ist ganz uns gar sein Schöpfungs­werk, sein Geschenk an den Mann. Der Mann bleibt gänzlich passiv; er schläft tief und fest. Damit wird die moderne Gender-Theorie als Unsinn entlarvt, dass angeblich erst das gesellschaft­liche Umfeld einen Menschen zum Mann oder zur Frau werden lässt. Nein, das Geschlecht ist vielmehr Gottes schöpfungs­gemäße Bestimmung. Niemand darf dem Schöpfer ins Handwerk pfuschen und sein natur­gegebenes Geschlecht verändern wollen.

Warum aber nimmt Gott Adams Rippe zuhilfe, um Eva zu erschaffen? Auch das tut er, um uns damit etwas zu zeigen. Rippen sind die Knochen, die dem Herzen am nächsten liegen, und das Herz gilt seit alters als Lebens­zentrum des ganzen Menschen. Gott zeigt uns, dass die Frau dem Mann aufs Engste verwandt ist; sie ist ihm sehr ähnlich – und doch eigenständig anders. Als Adam Eva zum ersten Mal sieht, ruft er beglückt und verwundert aus: „Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch!“ Und wie er zuvor Wörter erfunden hat, um die ver­schiedenen Tiere zu bezeichnen, so erfindet er jetzt eine Bezeichnung für seine Partnerin: „Männin“ nennt er sie – in Anlehnung daran, dass er sich selbst als „Mann“ bezeichnet. In der hebräischen Sprache ist das Wort für „Frau“ tatsächlich eng verwandt mit dem Wort für „Mann“ und kann daher auch mit „Männin“ übersetzt werden. Ihren persönlichen Namen „Eva“ hat die erste Frau übrigens erst später empfangen. Hier ist sie also, Adams hilfreiche Ergänzung, seine Hilfe zum vollen Menschsein – das Gegenüber, das sein Alleinsein beendet und ihm zu echter Gemeinschaft auf Augenhöhe verhilft.

Schließlich kommt Gott selbst noch einmal zu Wort. Er gibt dem ersten Menschenpaar eine Ordnung für die schöpfungs­gemäße Gemein­schaft. Er sagt: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch.“ Wie sie beide aus einem Organismus geschaffen worden sind, so vereinigen sie sich in der ehelichen Gemeinschaft wieder zu einem Fleisch und können dabei eine neue Person zeugen, die die Erbanlagen beider Elternteile in einen Organismus vereint. So wird die Ehe zur Keimzelle der Familie, die Familie aber zur Keimzelle der menschlichen Gesell­schaft.

Daran zeigt sich, dass die Partner­schaft von Mann und Frau grund­sätzlich etwas Öffentliches ist. Wenn ein Mann und eine Frau als Paar zusammen­leben wollen, dann sollen sie das nicht heimlich tun, und es ist auch nicht bloß ihre Privatsache, sondern dann sollen sie es öffentlich bekunden. Man nennt das „heiraten“ – wie auch immer das zu ver­schiedenen Zeiten und in ver­schiedenen Ländern geordnet ist. Gott selbst nannte es: „Seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen.“ Der un­verheiratete Mensch ist Teil seiner Herkunfts­familie, der verheiratete Mensch aber begründet eine neue Familie.

Für „anhangen“ steht im hebräischen Urtext ein Wort, das man auch mit „anhaften“ oder „ankleben“ übersetzen kann. Dieses Wort macht deutlich, dass die eheliche Verbindung von Mann und Frau auf Dauer angelegt ist und nicht ohne Verletzungen wieder gelöst werden kann. Jesus, dem das Gelingen der Hochzeit zu Kana so sehr am Herzen lag, hat diesen Satz seines himmlischen Vaters so gedeutet: „Was nun Gott zusammen­gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden“ (Matth. 19,6). Die Gemeinschaft von Mann und Frau in der Ehe ist so wichtig und heilig, dass niemand sie zebrechen soll.

Nicht zuletzt deshalb ist diese Gemeinschaft so wichtig und heilig, weil sich darin etwas von Gottes Gemeinschaft mit uns Menschen abbildet. Im Alten wie im Neuen Testament wird Gott Liebe zu uns Menschen immer wieder mit der Liebe zwischen Mann und Frau verglichen. Auch diese Liebe ist auf Dauer angelegt, denn Gott ist treu und behält uns Menschen auch dann noch lieb, wenn wir ihn enttäuschen. Das wird nirgends deutlicher als in Gottes Sohn Jesus Christus, der ein Mensch wurde und uns mit dem Vater versöhnt hat. Wir können da durchaus eine Verbindungs­linie zum Schöpfungs­bericht ziehen. So wie einst Gott dem Adam mit Eva ein echtes menschliches Gegenüber geschaffen hat, eine „Gehilfin“ zum vollen Menschsein, hat Gott mit Jesus sich selbst eine menschliche Gestalt gegeben, einen „Helfer“, um mit uns Gemeinschaft zu haben, uns auf Augenhöhe zu begegnen und uns zur ewigen Seligkeit zu verhelfen.

Gott sagte: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sein“, und er tat Zweierlei, um dem Alleinsein abzuhelfen: Erst schenkte er dem Menschen ein geschaffenes Gegenüber für ein erfülltes Leben auf Erden, dann schenkte er sich selbst als Gegenüber für ein seliges Leben in Ewigkeit. Lasst uns ihn für beides loben und ehren! Amen.

Diese Predigt wurde erstmals gehalten im Jahre 2017.

Autor: Pastor Matthias Krieser

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